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Ich beschloß, kein Politiker zu werden und habe mich gleichzeitig von der Politik, ohne je bei ihr gewesen zu sein, verabschiedet. Außerdem bin ich tief enttäuscht, da ich noch einer Generation der Längseinsteiger angehöre. In meiner Zeit, die -zumindest damals - weder "alt" noch "gut" war, lehrte uns die tägliche Praxis, unbedingt einer Partei anzugehören. Vor allem dann, wenn man im Leben einiges nicht sein wollte; z.B. arbeits- und wohnungslos. Damals, vor vielen, vielen Jahren, mußte ich für meinen ersten Berufsbleistift in der rechten Hand mein Parteibuch in der linken halten. Für andere war wiederum ein Parteibuch in der rechten Hand nützlich; ohne dabei Linkshänder zu sein.

So hatte alles seine - damals noch kaum "ihre" - gute Ordnung. In der Welt, regiert von den zwei großen Parteien, die für mich immer den doppelköpfigen Monarchie-Adler symbolisierten, konnte jeder seine Karriere, streng nach Parteibüchern eingeteilt, genau vorausberechnen.

Dann kam der Große Zampano und mit ihm die Macht der Medien. Die alte Ordnung zerbrach. Ich jedoch blieb, was ich war: ein hoffnungsloser Längseinsteiger, der deshalb irgendwo in der Karriereröhre steckenblieb.

Im Gegensatz zu mir und den anderen Längseinsteigern sind seit einigen Jahren die sogenannten "Quereinsteiger" gefragt. Im Schatten der Medien wurde aus dem Parteibuch ein Schandfleck und aus ihren, einst stolzen Besitzern pfründesammelnde Schmarotzer. So wechselten Schreiber und Schilehrer, Professoren und Priesterinnen in die Hohe Politik.

Die altgedienten Längseinsteiger betrachten neidvoll die neu-ungedienten Quereinsteiger. Ihr einziger Trost bleibt die relative Kurzlebigkeit der meisten dieser politischen "Seitenblicke"-Füllstoffmenschen.

Genau an diesem Punkt setzt - wie könnte es auch anders sein - die wissenschaftliche Forschung ein; und zwar die soziologische. Meine wissenschaftlichen Zunftgenossen, die alle, die sich nicht wehren können, untersuchen, haben auf meine Anregung hin auch das Phänomen der "Einsteiger" unter ihre aufdringliche Forscherlupe genommen.

So wurden auch die sogenannten "Kreuz- und Quereinsteiger", die weder mit Religion, noch mit irgendwelchen Rittern etwas gemein haben, hinterfragt. Da wir Soziologen nicht unbedingt zu den tapfersten Forschern gehören, bevorzugen wir gerne dieses "Hinterfragen".

Die Kreuz- und Quereinsteiger wechseln nicht nur die Partei-Fahne, sondern richten dieselbe gerne nach der jeweiligen Windrichtung aus. Gesessene (im Gegensatz zu gestandenen) Liberale wundern sich, warum man ihnen ihre freiheitlich-großdeutsche Vergangenheit immer wieder vorwirft, wo sie ohnedies immer schon gegen den "Jörgl" waren. Solche tapfere G'schichtsbastler behaupten stolz, daß sie stets treu zur Fahne standen - daß diese einst noch eine andere Farbe hatte, dafür können diese Charaktertheorien wirklich nichts.

Ich weiß nicht warum, aber ich bin den vielen Quereinsteigern nicht sonderlich sympathisch. Sie werfen mir ein "langweiliges", weil sich stets wiederholendes "Gedächtnis" vor und murmeln, wenn sie mich sehen, so etwas wie "schwerfällig" und "unflexibel".

Diese, meine Nicht-Freunde haben völlig recht: Man muß mit der Zeit gehen, auch wenn man nicht weiß, wohin sie geht. Man muß "aufgeschlossen" sein, auch, wenn es sich stets anderen Richtungen anschließt. Die modernen Zeiten verlangen schließlich und endlich "moderne Methoden", wo kurzlebige Talente langlebige Traditionen ablösen.

Zerknirscht und beschämt muß ich mich als "unmoderner-nicht-aufgeschlossener Reaktionär" vor allen Weltoffenen entschuldigen, aber ich bin außerstande, meine Partei mit einem Durchgangshaus zu verwechseln.

Als unverbesserlicher Naivling, der glaubt, daß nur Mitglieder und Funktionäre eine Partei vertreten können, wähle ich - im Schatten der vielen und erfolgreichen Quereinsteiger - die traurige Rolle des Längsaussteigers.

Quereinsteiger leben nach der Weisheit des "Wo ein Wille, dort auch ein Weg"; vor allem bei Wegkreuzungen. Irgendeinen Weg finden sie immer.

Und was macht ein phantasieloser Längsaussteiger? Er ist in seiner bescheidenen Einfältigkeit froh, einen, der auch sein Weg war, gegangen zu sein.

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