Monarchie - © Foto: Pixabay

Monarchie: Die Person als Zeichen

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Das Jubiläum der Queen zeigt: Für die Mediengesellschaft ist die Monarchie eine moderne Staatsform.

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Das Jubiläum der Queen zeigt: Für die Mediengesellschaft ist die Monarchie eine moderne Staatsform.

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Queen"-Gitarrist Brian May spielte das "God save the Queen" an ungewöhnlichem Ort, dem Dach des Buckingham-Palastes. Der Musiker aus der legendären Rockformation "Queen" leitete damit das Popkonzert zum goldenen Thronjubiläum von Englands Königin ein.

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Das Jubiläum - ein Ereignis der Superlative bei den Briten, ein Megaereignis auch für Europas und des Commonwealth Medien, selbst in Österreich: Aberwitzige zehn Stunden widmete der ORF am Dienstag den Londoner Feierlichkeiten - obwohl hierzulande kaum besondere Bindungen ans Vereinigte Königreich sichtbar sind und die letzte Visite einer britischen Souveränin auch schon Jahrzehnte zurückliegt.

Doch das royale Empfinden der Österreicher dürfte weniger an einer - weitgehend verborgenen - Britannophilie liegen, als an der Ersatzbefriedigung monarchischer Gelüste, die hierzulande ja seit dem November 1918 von Amts wegen verboten sind.

Abschaffung der Monarchie?

Nimmt man jedoch den auf Quoten schielenden ORF zum Zeugen für Volkes Stimmung, so haben königliche Ereignisse hierzulande immer hohen Stellenwert, sodass sogar norwegische oder niederländische Prinzenhochzeiten für stundenlange Direktübertragungen, die sich gleichzeitig als Crashkurse in europäischer Hochadelskunde entpuppen, gut sind.

Was in Österreich recht ist, kann auch im restlichen Europa nur billig sein: Auch anderswo reüssieren royale Events. In den europäischen Monarchien selbst geht es zur Zeit politisch ruhig zu, das heißt, es findet nirgendwo eine relevante gesellschaftliche Debatte zur Abschaffung der Monarchie statt.

Selbst in Großbritannien, dem Land rüdester Boulevardmedien und eines affärengeplagten Königshauses, scheint nach den anni horribiles Ruhe eingekehrt; beim Goldenen Jubiläum der Queen durften sich sogar Charles und Camilla - noch vor kurzem wäre das shocking gewesen - auch öffentlich immer näher kommen.

Eine Gesellschaft braucht Zeichen, personifizierte Symbole, Gestalten, an denen die Idee eines Zusammenlebens sichtbar wird.

Dass das Fest jenseits des Ärmelkanals diesseits so viel Aufmerksamkeit hervorruft, hat auch damit zu tun, dass die Monarchie - ob pompös wie in Großbritannien, ob volksnah-unaufdringlich wie etwa in den skandinavischen Ländern - zu einer überraschend modernen Staatsform geworden ist.

Auch wenn man gegenüber Herrschaftsformen, die sich bloß aus der Abstammung herleiten, skeptisch gegenübersteht, muss man konzedieren, dass die Staatsrepresentanz durch eine Familie, legitimiert nur durch die Geburt in dieselbe, in der Mediengesellschaft neue Bedeutung gewinnt.

Kurz gesagt: Reale Königinnen und Könige kommen den medialen Gesetzlichkeiten sehr entgegen. Für die Medien, die Inhalte vorzugsweise personalisiert transportieren, sind sie und ihre Vorzeigefamilien ein Geschenk des Himmels: Dorthin können Lebens- und Gesellschaftsideale projiziert werden, und an ihnen können auch gesellschaftliche Umbrüche und Konflikte (siehe das Haus Windsor) stellvertretend sichtbar gemacht werden.

Zeichen für eine Staatsidee

Unbestritten ist, dass Monarchen auch als personifizierte Zeichen für eine Staatsidee, ein Land, eine Nation stehen. Und weil die europäischen Spielarten der Monarchie im Lauf der Geschichte auch mit der Demokratie ins Reine gekommen sind, werden die Könige auch von vielen Demokraten nicht mehr in Frage gestellt.

Die ehrwürdige Staatsform, die sich unversehens als mediengerecht modern wiederfindet, weist auch auf Defizite hin, die im mehrheitlich republikanischen Europa zu benennen sind - auch wenn wohl niemand einer Wiedererrichtung der Monarchien das Wort reden sollte (Österreich oder Deutschland haben ja erfahren, dass die Monarchie auch in den Untergang führen kann).

Aber eine Gesellschaft braucht Zeichen, personifizierte Symbole, Gestalten, an denen die Idee eines Zusammenlebens sichtbar wird. Im politischen Alltag kommt dies meist zu kurz; auch wenn die Medien danach verlangen, wird dieses Verlangen oft nicht gestillt - und wenn doch, dann nicht selten von den Populisten, die in dieses Vakuum der Gefühle mit unlauteren Mitteln vorstoßen.

Auch aus dem Bereich institutioneller Religion gibt es hier Analogien: Die Reputation der katholischen Kirche etwa hat damit zu tun, dass sie an ihrer Spitze so ein skizziertes Symbol der Einheit, eine Personifizierung und Personalisierung der Institution vorweisen kann.

Wieviel man auch an der absolutistischen Gestaltung des Papstamtes, wie es sich zur Zeit darbietet, kritisieren mag: den Freiheitsdrang der protestantischen sowie den nationalen Partikularismus der östlichen Kirchen gibt es nur um den Preis, dass solch ein Symbol der Einheit abgeht. Die "katholische" Erfahrung lehrt, dass für das Bewusstsein der Institution und deren universaler Einheit ein Amt, das diese Einheit symbolisiert, von unschätzbarem Wert ist.

Personifiziertes Zeichen

Die - politische - Erfahrung der europäischen Monarchien, die - kirchliche - Erfahrung des Katholizismus weisen jedenfalls darauf hin, dass es für das Zusammenleben einer Gesellschaft akzeptierter und sichtbarer, auch personifizierter Zeichen bedarf.

Das größte politische Projekt des Kontinents, die europäische Einigung, wird auch solcher Ingredienzien bedürfen, wenn sie gelingen soll. Mit der Einführung der europäischen Währung wurde diese symbolische - nicht wirtschaftliche! - Dimension schon angesprochen. Doch Geld allein wird nicht reichen.

Zur Zeit arbeitet bekanntlich der Europäische Konvent an der Entwicklung einer Institutionen- und "Verfassungs"-Reform für Europa. Es wäre gut, wenn dort das Augenmerk auch darauf gerichtet wäre, wie und mit welchen Personen die Einheit Europas - auch für die Herzen verständlich - symbolisiert werden kann.

"God save the Queen" kann nur im und fürs Vereinigte Königreich gesungen werden. Zeichen der Einheit für Europa werden ganz anders aussehen. Eines zeigt - nicht zuletzt - das Jubiläum Elizabeths II.: Nicht nur die Institutionen, auch (personifizierte) Zeichen sind von Wert. Gerade für Europa.

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