Politische Irrlichter

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In vielen Ländern Europas ist der Rechtsextremismus zum Problem geworden. Doch auch in Österreich wird er längst nicht genug ausgegrenzt.

Nicht immer kommt Österreich so "gut" weg wie diesmal: Im dieser Tage veröffentlichten Rassismus-Bericht der neuen, in Wien ansässigen EU-Grundrechteagentur ist nachzulesen, dass hierzulande zwischen 2000 und 2005 die Zahl der rassistisch motivierten Übergriffe "leicht zurückgegangen" ist. Das scheint verwunderlich, weil anderswo in Europa ganz Anderes im Gange ist. Während rechtsradikale Vorkommnisse in Österreich sogar "deutlich rückläufig" waren, ist beispielsweise in Deutschland und Frankreich das Gegenteil zu konstatieren. Noch sind die Berichte aus dem sächsischen Mügeln im Gedächtnis, wo vorletzte Woche Skinheads einige Inder durch den Ort hetzten. Frappierend dabei auch, wie verharmlosend Lokalpolitiker mit dem Geschehen umgingen.

Dabei ist der europäische Rassismusbericht mehr als unvollständig, standen doch nur Daten aus elf EU-Ländern zur Verfügung. Auch wenn man nicht auf systematische Untersuchungen zurückgreifen kann, reicht ein Blick in die Nachrichten der letzten Tage, um zu sehen, welches - europäische - Problem hier vorliegt: In Ungarn macht eine "Bewegung für ein besseres Ungarn", die ganz offen Anleihen an die Geistes- und Symbolwelt von SA und SS nimmt, von sich reden. In Bulgarien formiert sich eine rechtsextreme "Bulgarische Nationale Union", um das Land vor dem "Zigeunerterror" zu schützen. In der Slowakei verbrannten Anfang August neun Menschen in einer Notunterkunft für sozial schwache Familien - Skinheads werden verdächtigt, das Feuer gelegt zu haben.

Die Beispiele wären leider noch lang fortzusetzen: Nicht zuletzt die Länder der ehemaligen Sowjet-Einflusssphäre sind für die Entwicklungen anfällig. Das mag ursächlich am fehlenden sozialen Ausgleich in diesen Ländern, dem Wohlstandsgefälle, dem sozioökonomischen Erbe der 45 Nachkriegsjahre bis 1989 liegen.

Was hat das aber mit Österreich zu tun, das sich seines erfolgreichen sozialen Ausgleichs rühmen kann, der sich offensichtlich auch im Rassismusbericht niederschlägt? Hierzulande werden weder Inder gehetzt noch brennen Roma-Siedlungen oder marschieren SS-Epigonen durch die Straßen.

Aber Österreich ist längst keine Insel der Seligen im umtosten Europa. Zu sehr wächst Europa zusammen, als dass ein ewiggestriger Ungeist nur bei den Nachbarn auf fruchtbaren Boden fallen kann. Lässt man die letzten 20 Jahre Revue passieren, so gilt auch für Österreich, dass ein allzu rechter Zeitgeist salonfähig geworden ist. Gott sei Dank nicht mit Gewaltausbrüchen wie anderswo, aber doch sichtbar: Dass ein Militärgeistlicher seit Jahren sein diesbezügliches Wesen treiben kann, wurde zuletzt thematisiert, dass eine Wochenschrift wie Andreas Mölzers Zur Zeit als Kommunikationsorgan der Rechten im Lande unbehelligt reüssieren kann, ist ein weiters Indiz dafür.

Und dann erst HC Strache: Nachdem er sich vor Monaten in der Paintball-Causa noch irgendwie herauszureden wusste, sollte sein Stand diesmal schwerer sein: In jungen Jahren bei der Wiking-Jugend angetroffen zu werden, kann er mit Flunkereien, er habe doch nur Care-Pakete nach Ostdeutschland verbracht, nicht mehr entschuldigen. Nein, Strache war da bei den Neonazis; dass der Chef einer Parlamentsfraktion solch eine Vergangenheit aufweist, spricht Bände.

Noch mehr aber befremdet es, dass die großen Polit-Player rechts wie links der Mitte darob mit keiner Wimper zucken: HC Strache muss als Koalitionskarte erhalten bleiben, da wird man ihn doch nicht unter politische Quarantäne stellen … Doch genau dort gehörte er hin.

Wenigstens von der ÖVP hätte man sich Entsprechendes erwartet. Wenn es stimmt, wie etwa das profil behauptet, dass der konservative Regierungspartner aufs legendäre CSU-Motto "Rechts von uns darf kein Platz sein" setzt (angesichts der sicherheits- und integrationspolitischen Aussagen der VP spricht einiges für solchen Befund), dann sollte es doch ein Leichtes sein, sich von einem politischen Irrlicht wie Strache klar abzugrenzen. Aber wie die normative Kraft des Faktischen zeigt: Leicht fällt dieser Partei zur Zeit auch diese logische Konsequenz nicht.

Das ist aber nicht bloß inkonsequent. Sondern - von SP wie VP - demokratiepolitisch äußerst kurzsichtig.

otto.friedrich@furche.at

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