Rüstzeug für den Weltfrieden

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Richard Trappl, Assistenzprofessor für Sinologie an der Universität Wien, über die Bedeutung der Beschäftigung mit China in einer globalisierten Welt.

die furche: Seit dem Wintersemester 2000 wird an der Universität Wien erstmals das Bakkalaureatsstudium Chinesisch angeboten. Wieso diese Sprache?

Professor Richard Trappl: Wir streben an, dass sich unsere Studierenden um ein Jahresstipendium nach China bewerben. Es gibt jedes Jahr 15 Jahresstipendien. Das heißt: Vier Semester befassen sich Studenten intensiv an der Uni Wien mit der chinesischen Sprache, Kultur, Literatur und Geschichte; das fünfte und sechste Semester ist an einer chinesischen Universität geplant. Werden diese Anforderungen von den Studierenden termingerecht und positiv erfüllt, erhalten sie mit Ende des 6. Semesters das Bakkalaureat. Zusätzlich werden im neuen Studienplan Unterrichtsmodule angeboten, das heißt Schwerpunktsetzungen, wie "Kulturvermittlung", "China und Wirtschaft und Ökologie", in Zukunft wahrscheinlich auch mit "Dolmetsch" und mit "Diplomatie". Das erfolgt in Verbindung mit chinesischen Universitäten wie etwa der Peking Universität, der Partneruniversität der Uni Wien.

Geplant sind auch Praktikaplätze in chinesischen Betrieben. Wir sind also praxisorientiert, was das Bakkalaureatsstudium betrifft. Der Weg Richtung Wissenschaft wird über das Magisterstudium laufen.

die furche: Wird der Bildungsbürger von morgen der chinesischen Sprache mächtig sein müssen?

Trappl: Ich sage immer: China mit 1,3 Milliarden Menschen ist ein Faktor, den man ernst nehmen muss.

Wenn man sich mit China außerdem beruflich beschäftigt, ist es zweifelsohne von großer Bedeutung, diese Sprache zu beherrschen. Nicht nur aus einer ethischen Wertschätzung heraus, sondern die Kommunikation geht viel leichter von statten! Sobald man im Chinesischen agiert, öffnen sich Verständnishorizonte und auch Herzen. Bildungsbürgertum? Die Wahrnehmung auf einen so großen Kulturkreis mit einem Fünftel der Menschheit ist sicher notwendig, um nicht nur China zu verstehen oder besser zu verstehen, sondern auch um China in einen konstruktiven Dialog einzubeziehen. Ich halte nichts von Ausgrenzen, sondern ich bin für ein Engagement. Die Beschäftigung mit dem Chinesischen halte ich für einen sehr wertvollen Beitrag der internationalen Verständigung.

die furche: Was bedeutet für Sie, der Chinesisch unterrichtet und einen sehr guten Zugang zur fernöstlichen Kultur hat, überhaupt Bildung im 21. Jahrhundert? Was verändert sich? Wie definieren Sie Bildung in der heutigen, westlichen Wissensgesellschaft?

Trappl: Unsere heutige Welt ist eine sehr verletzliche: ökologisch, ökonomisch, militärisch. Wir sind aber andererseits durch unsere Kommunikationsstrukturen in der Lage, wirklich synchron mitzuerleben, wo und wie die Probleme sind. Eigentlich wären wir in der Lage, die eigenen Barrieren zu überspringen und mit anderen Kulturen und ihren Vertretern in einen konstruktiven Dialog zu treten. Die Universitäten bieten die Möglichkeit dazu, sie unterrichten die Sprachen und ihre Denkstrukturen, sie vermitteln Problembewusstsein. Ich glaube, wir sollten nicht mehr an eine bipolare oder monopolare Welt denken, wo es ein oder zwei Supermächte gibt. Wir sollten eher in einen ethischen Dialog die Ebenbürtigkeit der einzelnen Regionen, Ethnien und Kulturkreise ins Treffen führen.

Ich glaube, ein Abschotten ins Nationalstaatliche sollte jetzt endgültig vorbei sein. Wir müssen einem globalen Bewusstsein entgegen kommen, indem wir Vertreter anderer Kulturen als ebenbürtig betrachten und wertschätzen. Die chinesische Kultur zeigt in ihrer Geschichte, wie andere Wertvorstellungen, andere linguistische Strukturen, andere bürokratische Strukturen entstanden sind, und aufgrund unserer globalisierten Möglichkeiten der Kommunikation können wir von einander wesentlich mehr lernen, in immer kürzeren Abständen. Ich persönlich kommuniziere mit China täglich, um nicht zu sagen stündlich. Etwa drei Mal im Jahr fahre ich nach China. Der persönliche Bezug ist dabei sehr wichtig.

die furche: Werden wir uns mit dieser Weltmacht von morgen intensiver auseinandersetzen müssen, um auch am Arbeitsmarkt mithalten zu können?

Trappl: China ist eine Weltmacht, zumindest eine Atommacht mit 1,3 Milliarden Menschen. Das ist ein Faktor, der wirtschaftlich sicher noch an Bedeutung gewinnen wird. Wir arbeiten im Verbund mit chinesischen Universitäten etwa auch über nachhaltige Entwicklung oder Risikoforschung, Gentechnologie und Ethik. Also die "heißen" Elemente, die die gesamte Menschheit betreffen. Da schließt sich China ja gar nicht aus.

die furche: Wie bewerten Sie Ihre Zusammenarbeit und die Beschäftigung mit China ?

Trappl: Wenn man auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts zurückblickt, zwei Weltkriege, Nationalsozialismus und auch das Leiden, das in vielen Gegenden auch im Kommunismus entstanden ist, so sollte es doch ein Ansporn für alle sein, am Aufbau einer friedlicheren und besseren Welt mitzuarbeiten. Einer Welt, die für den anderen und für die anderen Sorge trägt. Die Universitäten sollten das Rüstzeug dazu liefern. Gerade aus der Sicht des Westens ist die Beschäftigung mit einem so großen bedeutenden Kulturkreis wie dem chinesischen relevant, um das "andere" und den Wert des anderen kennen zu lernen. Ein Kulturkreis lernt vom anderen ja auch seine positiven Seiten. Und das sollte zum Aufbau einer verständnisvolleren Weltgemeinschaft beitragen.

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