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1951 und 1915

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Die Parallele zwischen den Motiven der gegenwärtigen Spaltung und denen jenes durch Mussolinis „Interventionismus“ 1915 herbeigeführten ersten Schismas im Lager der italienischen Linken ist ja überhaupt verblüffend.

Dazu kommt ein weiterer, nicht unwesentlicher Faktor. Die Emilia war nach dem Waffenstillstand vom September 1943 und besonders im letzten Kriegsjahr al unmittelbares' Hinterland der „Gothenlinie“ der Schauplatz des härtesten Partisanenkampfes. Beide ausgetretenen Abgeordneten und die Mehrzahl ihrer Anhänger haben in der Partisanenbewegung — in der doch ebenfalls der soziale und nationale Impuls Hand in Hand gingen — eine hervorragende Rolle gespielt. Cucchi ist Träger der höchsten Auszeichnung, der Goldmedaille, Magnani, der in Jugoslawien unter Tito kämpfte, der Bronzemedaille des Partisanenkampfes. Dieser Kampf, dessen Tradition mit der Entfernung von den Ereignissen keineswegs abklingt, hat aber ein Selbstbewußtsein geschaffen, das die völlige Unterordnung unter die Moskauer Zentrale nur schwer erträgt. Bei den Vorwürfen, welche die beiden Dissidenten gegen die Parteileitung erheben, spielt jener des mangelnden Vertrauens in die eigene revolutionäre Kraft i des italienischen Proletariats und der ausschließlichen Hoffnung auf ausländische Hilfe eine gewichtige Rolle. Nur in dieser Hinsicht stimmt das Schlagwort des „Titoismus“, das heute so gerne gebraucht wird und das in dem Fluch, den die Partei den Ausgetretenen nachschleuderte, auch an erster Stelle steht. Wenn dieses in alfer Eile verfertigte „Ausschließungsurteil“, das hier wie in allen ähnlichen Fällen den Austritt in einen Ausschluß umfälschen sollte, als Beweis für die Schlechtigkeit Magnanis seine Partisanentätigkeit unter Tito anführt, so ist das bis zur Lächerlichkeit abwegig. Die Parallele' besteht nur insoferne zurecht, als in Jugoslawien wie in der Emilia das aus der Tradition des Partisanenkampfes resultierende Vertrauen auf die eigene Kraft wesentlich zur

Auflehnung gegen die Kominform d i r e k t i ve n beitrug. Es ist auch bezeichnend, daß alle Sympathiekundgebungen für Magnani und Cucchi aus Partisanenkreisen und aus Gegenden stammen, in denen der Partisänenkampf besonders heftig war.

So sind es vor allem die Intellektuellen und die jungen Revolutionäre, in deren Kreisen der Schritt Magnanis und Cucchis Widerhall findet. Die nächtlichen Schlägereien zwischen Kominformisten und Dissidenten, die an die Haüswände von Correggio, Reggio und Bologna Inschriften malen: „Nieder mit den Verrätern!“ und „Die jungen Kommunisten sind mit Valdo Magnani“, kennzeichnen das politische Klima, in dem sich die Auseinandersetzung abspielt. Selbst der Satz in der Verurteilung der beiden „Verräter“ durch die provinziale , Parteileitung (daß sie ihren Schritt den „geliebten, zut Erholung in der Sowjetunion weilenden Führer Togliatti“, gekränkt haben) verrät die Geisteshaltung dieser Provinz, von der es immer schon hieß, daß sie dem Intellektuellen und. Volkstribunen Togliatti, dem legendenumwobenen „Ercole“ ,des Partisanenkampfes, mehr ergeben sei als dem absolut kominformtreuen Parteibürokraten Secchia., •.

Gewiß scheinen die Parteiorganisationen und die von ihnen beherrschten Organisationen der, allgemeinen Gewerkschaften und der Partisanenbewegung heute noch fest in der. Hand der kominformtreuen Parteileitung. Aber die Bestürzung in kommunistischen Parteikreisen zeigt doch, daß die Spaltung, gerade weil sie von dem Zentrum des revolutionären Schwungs und Selbstbewußtseins ausgeht, den Lebensnerv der Kommunistischen Partei Italiens berührt hat. Das volle Ausmaß der Abfallbewegung werden allerdings erst die Kommunal- und Provinzial-wahlen des kommenden Frühjahrs offenbaren.

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