6559388-1948_40_04.jpg
Digital In Arbeit

Bernadottes Vermächtnis

Werbung
Werbung
Werbung

Th. f. M., Jerusalem, September

Bernadottes Feinde unter den Juden müssen jetzt seinen Vorschlag an die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit tiefster Betroffenheit zur Kenntnis genommen haben. Es ist ein Vorschlag, der die Forderungen der Juden in allem Wesentlichen erfüllt, urid selbst wenn er die Internationalisierung Jerusalems, des Flugplatzes Lydda und des Ölhafens Haifa fordert, von einsichtigen Zionisten als fair anerkannt werden muß. Er ist gewiß nicht der Vorschlag eines „englischen Agenten“, als den ihn die Propaganda jener jüdischen Extremisten bezeichnete, deren Interesse Krieg bis Zum Weißbluten ist.

Aber auch für jene sicherlich erdrückende Mehrheit des Judenstaates, denen die Person des. Unterhändlers als unverletzbar galt, wie immer auch seine Vorschläge ausfallen mochten, ist der Bericht Bernadottes eine Überraschung. Er unterscheidet sich wesentlich von den früheren Lösungsversuchen Bernadottes. Er ist wirklichkeitsnahe, während Bernadottes frühere Vorschläge der Zuteilung Jerusalems und des Negev an Abdullah, der Demilitarisierung Jerusalems, der Errichtung einer neutralen Zone undurchführbar waren.

Die erste Regierung des Israelstaates war die Erbin eines tragischen innenpolitischen Zwiespalts: die Juden Palästinas sind in ihrer erdrückenden Mehrzahl demokratisch eingestellt., Unter den Zionisten Amerikas aber, die auf absehbare Zeit den jungen Staat finanziell stützen müssen, sind ausgesprochene Rechtskreise sehr stark, reiche Leute von der gewissen Hugenberg-Mentalität. Derart fanden immer wieder Dollars den Weg in die Kassen des L Z. L. und des Sternganges, derart war der Regierung das entschiedene Einschreiten gegen den jüdischen Extremismus (der es im Lande nie zu einem Mandat gebracht hat) niederdrückend erschwert. Das ist nun anders geworden: der Mord an Bernadotte hat selbst das Gewissen jener jenseits des Ozeans aufgerüttelt, die für den Geiselmord an den englischen Unteroffizieren Verständnis hatten. Der, junge Judenstaat wird sein Haus reinigen, können.

Wie der Tod Bernadottes die Ausmerzung des Faschismus im jüdischen Palästina bedeutet, so gibt er auch seinem Bericht die Wucht eines mit Blut besiegelten Vermächtnisses. Ės ist klar, daß für die internationale Situation der Krieg in Palästina eine unerträgliche Belastung bedeutet. Es ist aber ebenso klar, daß zu Lebzeiten Bernadottes sein Bericht in der Generalversammlung der Vereinten Nationen nicht diese beispiellose Aufnahme gefunden hätte. Seine Annahme mit eindrucksvoller Mehrheit ist sicher, bevor er noch zur vollen Verlesung gelangt ist. Ebenso, daß „Israel" den Bernadotte-Plan im Prinzip annehmen wird und daß die Araber ihn zunächst ablehnen werden, mindestens Ägypten und Syrien. Es bedarf aber keiner weiteren Erläuterung, daß Ägypten und Syrien nicht einen Tag Krieg führen können, wenn England und Frankreich es ihnen endgültig ein für allemal verbieten.

Von der anderen Seite gar nicht' zu sprechen. Die Ägypter haben ihten Rückzug auch durch die Einsetzung einer Regierung für das arabische Palästina bereits vorbereitet. Wie Abdullah mit dieser Autonomie verfahren wird, sobald die Ägypter geräumt haben, ist weltpolitisch uninteressant.

Derart besteht berechtigte Hoffnung, daß Bernadottes Vermächtnis zur „Magna Charta“ des Friedens im Heiligen Lande wird. Die Schüsse, die Folke Bernadotte getroffen haben, mögen im tiefen Sinne die letzten des Krieges gewesen sein, den zu beenden ihn das höchste Gremium der Welt ausgesandt hat. — Bernadottes sterbliche Reste sind nach Stockholm heimgekehrt. Das Zenotaphium aber, das dem schwedischen Grafen einst in Jerusalem ersteht, wird unter den Ehrenplätzen der Stadt nicht der geringste sein …

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung