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Bombenleger auf der Alpenroute

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In Beiruter politischen Kreisen knüpft man sorgenvolle Kommentare an zwei Pressemeldungen, die darauf schließen lassen, daß der Nahostkonflikt künftig noch mehr als bisher nach Europa ausgreifen dürfte. Aus Amman verlautete, daß eine mehrköpfige Delegation der linksradikalen „Volksdemokratischen Befreiungsfront für Palästina“ (PDFLP) unter anderem in London, Paris, Frankfurt und Born vertrauliche Besprechungen mit europäischen Linkskreisen führte. Die sogenannte „neue Linke“ soll sich verpflichtet haben, in Großbritannien, Frankreich,. Belgien, der Bundesrepublik, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Luxemburg und Italien Komitees zur propagandistischen, finanziellen und taktischen Unterstützung der palästinensischen Guerillas zu bilden. — Aus Hamburg wurde gemeldet, Beamte der Bonner Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes hätten den früheren nationalsozialistischen Großadmiral und letzten „Reichspräsidenten“ Karl Dömitz über die Fluchtroute vernommen, die Hitlers bis heute unauffindbarer Stellvertre-

ter Martin Bormann 1945 aus der umzingelten Berliner Reichskanzlei gewählt habe.

Dieses Verhör stützt die im Nahen Osten schon seit längerem umlaufenden Informationen, wonach sich im arabischen Exil lebende alte Nazis und neonazistische Kreise der Bundesrepublik wieder aktiv in die arabische Politik, diesmal in die der palästinensischen Terroristen, eingeschaltet zu haben scheinen. Ostblock-Journalisten, deren Seriosität ebenso unbezweifelbar ist wie ihre Sympathie für die Guerillas, spielten westlichen Kollegen wiederholt präzise Angaben über arabisch sprechende ältere Europäer zu, die sie in den geheimen Ausbildungslagern der Freischärlergruppen angetroffen haben wollen. Den gleichen Quellen zufolge handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich um früher in ägyptischen und syrischen Diensten stehende ehemalige SS-Führer. Sie sollen sich angeblich nicht nur mit der Terroristenausbildung begnügen, sondern in letzter Zeit ihre Verbindungen zu den alten Gesinnungsgenossen in Deutschland wiederbelebt haben.

Ziel dieser Kontaktaufnahmen war, nach Ansicht westlicher Geheimdienstbeamten im Nahen Osten, unter anderem die Wiederherstellung der mysteriösen „Alpenroute“, auf der sich nach 1945 zahllose steckbrieflich gesuchte Nazis in die arabischen Länder absetzten. Dieser Weg soll seitdem ständig für etwaige Notfälle offengehalten worden sein (etwa für die Absetzbewegung des neonazistischen Studienrates Zind und des ehemaligen SS-Offiziers Zech-Nenntwich nach Ägypten) und jetzt nicht nur für die Flucht arabischer Attentäter, sondern auch für ihre Einschleusung in die Attentats-

orte zur Verfügung stehen. Die Recherchen des deutschen Bundeskriminalamtes ergaben im Fall der beiden geflüchteten Frankfurter Flugzeugsaboteure bis jetzt nur, daß einer von ihnen mit einer regulären Flugkarte in einem Linienflugzeug der „United Arab Airlines“ nach Kairo entkam. Wie der zweite deutschen Boden verließ (nach Informationen aus Guerillakreisen befindet auch er sich längst in Sicherheit), ist bis jetzt ungeklärt. Er könnte also durchaus die erwähnte „Alpenroute“ genommen haben. (Beide waren übrigens, was diese Theorie weiter untermauert, ungefähr zwei Jahre

lang im Bundesgebiet anwesend.) In Kreisen gemäßigter arabischer Regierungen, in denen man lange, bittere Erfahrungen mit politischen Extremisten hat, hofft man, daß die europäischen Behörden frühzeitig die durch eine von den beiden zitierten Meldungen ableitbare unselige Bundesgenossenschaft der radikalen Linken mit der radikalen Rechten entstehenden Gefahren nicht nur für eine weitere Ausdehnung des Nahostkonfliktes auf neutralen Boden, sondern auch für die demokratischen Verhältnisse in den betroffenen Staaten erkennen und sich dagegen wehren.

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