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David Greenpeace gegen Multi-Goliath

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Als Protest gegen die unterirdischen Atombombenversuche der USA auf der vor Alaska liegenden Aleuten-Insel Amchitka wurde 1970 vom ehemaligen Raketenkonstrukteur Jim Bohlen, dem Quaker Irving Stowe und dem Studenten Paul Cote im westkanadischen Vancouver das „Don't make a wave committee" gegründet: „Mach' keine Wellen" sollte daran erinnern, daß die Insel in einem der höchstaktiven Erdbebengebiete der Erde liegt und daß Alaska schon mehrfach nach Beben verheerende Flutkatstrophen erlitten hatte. Bereits 1969 hatten die USA eine Ein-Megatonnen-Bombe im Boden der Insel gezündet. Es gab zwar keine Flut, aber als die Zündung einer weiteren, der „Cannikin-Bom-be" mit einer Sprengkraft von 385 Hiroshima-Bomben, für 1971 angekündigt wurde, entstand der Plan, dieses Projekt zu verhindern. In einer der vorbereitenden Diskussionen sagte der kanadische Sozialarbeiter Bill Darneil: „Make it a green peace!". Damit war ein verbales Logo geboren, das man heute nicht mehr vorstellen muß. Greenpeace ist heute die größte Umweltschutz-Organisation der Welt. Ihre Geschichte und Struktur haben C. Altmann und M. Fritzler in einem instruktiven kleinen Band zusammengestellt.

Die geistigen Wurzeln sind dieselben, aus denen in den sechziger Jahren in den USA und Kanada auch die Ökologie- und Hippiebewegung entstanden. Der Traum von einem Leben im Einklang mit der Natur, die Enttäuschung über eine Welt, die außer materiellem Überfluß, Rüstungswahnsinn, Vietnamkrieg und Umweltzerstörung wenig anzubieten hatte und schließlich die unmenschlichen Seiten eines Systems, das auf Geld und Verschwendung aufgebaut ist: All dies führte zu einer diffusen Reaktion des Protestes.

Zeitlich und räumlich ferne Religionen und verschiedenste esoterische Strömungen hielt man für einen Ausweg aus der „Time-is-money-Gesell-

schaft". Von den Quäkern übernahm man die Überzeugung, daß man die Welt nicht nur im negativen, sondern auch im positiven Sinne verändern kann, und vor allem die Verpflichtung jedes Menschen, von Mißständen und Vergehen, die ihm bekannt sind, Zeugnis abzulegen und zu protestieren. Man besann sich auch der alten Weisheiten der Indianer, der legendäre Brief des Häuptlings Seattle an US-Präsident Pierce von 1854 wurde zum Beleg für das hochentwickelte Umweltbewußtsein der Ureinwohner Amerikas.

Im Gegensatz zu den „Blumenkindern", die sich als Protest gegen die Welt in mystischer Selbstverliebtheit mit freiem Sex und LSD selbst betäubten, begann Greenpeace von Anfang an praktische Probleme in Angriff zu nehmen. Die Aktionen gegen die Atombombenversuche auf Amchitka, gegen die Tests auf dem Mururoa-Atoll, gegen den Walfang, die Aktionen der „Rainbow-Warri-er", die 1985 vom französischen Geheimdienst versenkt wurde, die Ein-färbung der Robbenkinder (wodurch deren Fell für die Pelzjäger unbrauchbar wurde) und zuletzt der Kampf gegen den Multi Shell sind dank Medienpräsenz allgemein bekannt.

Auch wenn Greenpeace inzwischen selbst ein großer Konzern geworden ist, kämpft dieser immer noch wie David gegen Goliath. Was schon David wußte, stimmt nach wie vor: einen Goliath besiegt man nicht mit Gewalt, sondern mit Intelligenz und dem Wissen um jene Schwachstellen, die auch Riesen zu Fall bringen. Wie leicht verwundbar die Multis sind, hat der Fall Shell gezeigt, als zahlreiche Konsumenten den Shell-Tankstellen fernblieben. Üben viele Konsumenten Kaufenthaltung, wird es für die Firma gefährlich. Greenpeace entwickelte Strategien, mit denen manches bewirkt werden kann.

GREENPEACE Ist die Welt noch zu retten? Von Christian Altmann und Marc Fritzler

Econ Verlag, Düsseldorf 1995 160 Seiten, Tb., viele Bilder, öS 95,-

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