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FRITZ P. MOLDEN ABSCHIED VON DER „PRESSE”

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Am vergangenen Dienstag hielt Chruschtschow seine mit Spannung erwartete Rede auf dem 22. Parteitag der KPdSU. In Wien raufte man sich zur selben Zeit über das Zustandekommen des Budgets. Aber weder das eine noch das andere bildete an diesem Tag das Hauptgesprächsthema in der österreichischen Hauptstadt. Das Interesse politisch interessierter Österreicher konzentrierte sich auf eine kleine Notiz auf der dritten Seite der bürgerlichen Tageszeitung „Die Presse”, wo in lapidaren Worten mitgeteilt wurde, daß ihr bisheriger Herausgeber und zuletzt auch Chefredakteur Fritz Molden diese Funktionen niedergelegt, das Blatt, das mit dem Namen seiner Familie untrennbar verbunden war, an den Geschäftsführer der Internationalen Werbegesellschaft Fred Ungart verkauft habe. “Verkaufen mußte.

Am Anfang steht die Osterleiten- gasse Nr. 7. Hier wächst der am 8 April 1924 geborene zweite Sohn des stellvertretenden Chefredakteurs der „Neuen Freien Presse” und nam haften Historikers Ernst Molden auf. Die Atmosphäre des gediegenen Hauses in der stillen Gasse in Döbling umgibt seine Jugend. Hier wirkt auch die Mutter Paula von Prerado- vič. Hier entstehen die Romane dieser vornehmen katholischen Dichterin. Hier wird sie auch den Text der österreichischen Bundeshymne zu Papier bringen. Doch die Zeit ist der Beschaulichkeit abhold. Der junge Gymnasiast Fritz Molden gerät in den Strahlungskreis einer äußerst aktiven vaterländisch-österreichischen Jugendgruppe, der auch sein Bruder als einer der Führer angehört, ln den Märztagen des Jahres 1938 schlägt sich der vierzehnjährige Mittelschüler mit Gleichaltrigen für Rot-Weiß-Rot. Und auch hernach gehört er nicht zu den Stillen und Braven. Die Gestapo ist im Hause Osterleitengasse Nr. 7 ein ständiger Gast. 1942 wird Fritz Molden zur Deutschen Wehrmacht eingezogen. 1944 spricht ein Feldgericht in seiner Abwesenheit die Todesstrafe gegen ihn aus. Der in den Untergrund gegangene Zwanzigjährige kann auf den abenteuerlichen Kurierfahrten, die er für die Österreichische Widerstandsbewegung 0 5 unternimmt, auf den Bahnhöfen lesen, welche Prämie auf seinen Kopf gesetzt ist. Die Wiedergeburt Österreichs findet Fritz Molden in Tirol an der Seite des späteren Außenministers Gruber, den er zunächst als Sekretär auf den Ballhausplatz begleitet. Eine Volontärtätigkeit im Blatt des Vaters, der seit 1946 „Die Presse” vorerst als gediegenes Wochenblatt eines österreichischen Liberalismus, der frei ist von dem antikatholischen Affekt und der deutschnationalen Schlagseite vergangener Jahrzehnte, herausbringt, folgt als Zwischenspiel. Genau so wie eine Auslandsmission von 1948 49 in

New York. 1949 tritt Molden als Verlagsdirektor in die väterliche „Neue Wiener Presse”, Druck- und Verlagsgesellschaft m. b. H„ ein. Hier, auf dem Gebiet des Kommerzes, findet sein Tatendrang bald ein neues weites Betätigungsfeld. 1953 steht er an der Bahre des Vaters, der unerwartet der schon 1951 verstorbenen Mutter in den Tod folgt.

Fritz P. Molden ist über Nacht mit 27 Jahren Herausgeber der „Presse” und der „Wochenpresse”. Große Möglichkeiten, große Versuchungen. Selbstbescheidung ist nicht seine Sache. Er will die ersten voll und ganz ausschöpfen, er erliegt schließlich den zweiten. Bald wird es offenkundig, daß der stets von neuen Plänen erfüllte, im privaten und öffentlichen Leben stetig vorwärtsdrängende Mann, der allein als Herausgeber der „Presse” eine feste Position im österreichischen Journalismus innehat, das Ziel, eine Art „österreichischer Hearst” zu werden, nicht zu hoch gesteckt ansieht. Und das Glück scheint ihm und seinen Transaktionen hold zu sein. Die alte Steyrermühl-Druckerei am Fleischmarkt wird gepachtet. Aus dem „Wiener Pressekrieg” bringt Molden 1958 als stattliche Trophäe den „Express” heim. Das „Imperium Molden” wächst. Wäre jetzt nicht der Zeitpunkt, haltzumachen, um das Erreichte zu konsolidieren, die eigene Position zu überprüfen und Belastungen rechtzeitig abzustoßen? Nein: „Nur immer weiter geht das Treiben!” Pläne für ein Monsterdruckhaus am Donaukanal werden skizziert und in Auftrag gegeben. Es beginnt jener atemraubende politische und finanzielle Balanceakt, den viele mit hämischen Gesichtern, stille Freunde des Hauses Molden aber mit wachsender Be sorgnis verfolgen. Zunächst geht noch alles gut. Molden spottet der einen und stellt die Bedenken der anderen als grundlos hin. Mehr noch: Er engagiert sich zusehends an der zweiten Front: der Politik. Auch hier spielten ihm sein sprunghaftes Temperament, seine Lust am „Mitmischen” bei dieser und jener Partie, manchen bösen Streich. Aus einem Zusammenstoß mit Bundeskanzler Raab wird eine harte, tiefgehende Gegnerschaft. Von beiden Seiten.

Da springt der Wind um. Verschiedene Rechnungen — und nicht nur finanzielle — werden präsentiert. Blatt auf Blatt entgleitet seiner Hand. Der „Expreß” macht den Anfang, „Die Wochenpresse” folgt, die , Abendzeitung” schließt sich an. Schließlich setzt Fritz Molden die Unterschrift unter jenen Vertrag, der das Erbe seines Hauses, den Stolz der Familie, einem Käufer überantwortet, hinter dessen Rücken der Schatten des Altbundeskanzlers sichtbar ist. Dieser schwere Entschluß beendet — es ist nicht zu viel gesagt — ein Kapitel österreichischer Zeitungs- und Zeitgeschichte.

Fritz P. Molden aber zieht sich aus der österreichischen Presse zurück, um, wie es heißt, sich ganz seinen „industriellen Aufgaben” zu widmen. Mit 37 Jahren steht man nicht am Ende. Wohin führt der Weg? Eines ist sicher: Fritz Molden wird nicht als geruhsamer Druk- kereibesitzer am Donaukanal alt werden. Zu seiner neuen Wirkungsstätte mag ihn sein Weg vielleicht wieder gelegentlich durch die nahe Osterleitengasse führen. Es wäre zu hoffen, daß er öfter seine Schritte dorthin lenkt. Die Manen des Hauses Nr. 7 wären noch immer die besten Weggenossen für die Zukunft.

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