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IM STREIFLICHT

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WlE überall, gibt es auch in der Musik eine Lebensart, die im Repekt vor der Freiheit des andern wurzelt — und eine Unart, die alles den eigenen Absichten unterzwingen will. Die entschiedene Ablehnung, die der von gewisser Seite, geforderte „Musikbeirat" in der Presse erfuhr, läßt seinen Wortführer in eiferndem Besserwisserton über diese Presse herfallen; in einem Ton, der überzeugend auf die Diktatur hindeutet, die uns von diesem „Musikbeirat" zu erwarten stünde. Wir überhören diesen Ton, so laut und lärmend er auch ist, stellen zum Inhalt jedoch unmißverständlich fest: Wir lehnen die genormte Musik als eine Uniform ab, auch wenn sie von „erstrangigen Fachleuten" geschneidert wird. Wir lehnen es ab, den schöpferischen Impetus des Künstlers an die Longe legen, gleichsam den Wert (oder Unwert) eines Kunstwerkes nach der Schule, aus der es kommt, bestimmen zu lassen. Wir lehnen es ferner ab, der freien Entfaltung eines Talents eine Zensurbehörde zu setzen und uns ein Urteil vorkauen zu lassen, das immer subjektiv sein wird, auch bei „erstrangigen Fachleuten". Be-'urteilung ist und bleibt Sache der Kritik, deren Aufgeschlossenheit oder Engstirnigkeit ihren eigenen Befähigungsnachweis darstellt. Es gibt „erstrangige Fachleute", die, das nicht wissen, da sie alles, was nach ihrer Promotion geschrieben wurde, als Dissonanzenorgie zu bezeichnen geneigt sind und die Entwicklung zu ihrem eigenen Stil zurückdrehen möchten. Wir lehnen es außerdem ab, etwa zweitrangige Komponisten der Heimat erstrangigen Ausländern voranzustellen. Erstrangige Inländer aber haben sich — von Haydn bis Bruckner und von Schubert bis Schönberg — ohne „Beirat" durchzusetzen gewußt. Es blieb ihnen allerdings erspart, sich gegen ihn durchzusetzen, weil es ihn nicht gab. Die „erstrangigen Fachleute"’ waren dennoch zum großen Teil ihre Widersacher, damals wie heute.

VOR Jahr und Tag beschäftigte die „österrei- v chische Filmkrise" ausführlich die verschiedenen Blätter. Heute wird höchstens noch in Fachkreisen von ihr gesprochen. Denn eigentlich gibt es keine österreichische Filmkrise mehr. Es gibt nämlich keinen österreichischen Film mehr. Der Patient ist sanft verstorben. Ein einziger Film wird derzeit in Oesterreich gedreht. Und dieser eine dürfte sich auch nicht „österreichischer Film" nennen, denn das, was gedreht wird, bestimmt vorwiegend der deutsche Markt, der deutsche Verleiher. Oesterreich ist auf kaltem Wege an Deutschland „angeschlossen” worden. Es ist gleichgeschaltet worden, und gleichgeschaltet bedeutet im Film wie in der Politik: ausgeschaltet.

KAUM hat man richtig Zeit gehabt, sich über die Restaurierung des Palais Auersperg durch eine Wiener Firma einigermaßen zu freuen, verkehrt sich schon die Freude in Aerger: der an sich schon sehr problematische Durchbruch der Front zu einem dritten Tor (zwei genügen allem Anschein für den Andrang der Geschäftsfreunde nicht) hat eine hypermoderne Glastüre aufgenommen. Wie diese, die einem Espresso Ehre machen könnte, sich an der Stirnseite eines Barockpalais ausnimmt, bedarf keiner weiteren Erklärung. Sollten denn Geld und Kultur wirklich zwei unvereinbare Dinge sein? Oder hätte nicht das Bundesdenkmalamt, so das Geld nun einmal da ist, darüber wachen können, daß die Kultur nicht verschwindet ?

SEIT Monaten findet der Ausstellungsbesucher ein Schild an der Albertina, das ihm erzählt, die Albertina bleibe wegen Umbauarbeiten geschlossen. Es wird für ihn schwer sein, den Fortschritt dieser Arbeiten durch eigenen Augenschein zu überprüfen, verwehrt ihm das genannte Schild doch den Eintritt. Nun hört man immer häufiger, daß der „Umbau" eigentlich mehr oder weniger juridischer Natur sei und vor dem Bezirksgericht Innere Stadt ausgetragen wird. Kompetenzkonflikte verschiedener Behörden ließen es zu. daß die Wohnung im Hause der Albertina an Privatpersonen vergeben wurde, was die Direktion des Kunstinstituts veranlaßte, die Ausstellungstätigkeit Tu beenden. Wie wär’s, wenn ganz unbürokratisch eine der streitenden Parteien nachgäbe und die Umbauarbeiten so zu einem günstigen Abschluß kommen könnten. Es würde sich lohnen, diese Akten abzulegen …

ZWEI Filme über die Weltreise der Königin Elizabeth, die derzeit in Wiener Kinos laufen, bieten der Bevölkerung Gelegenheit, ein und dieselbe Szene von der einen und von der anderen Seite, von nah und fern und in verschiedenen Farbverfahren photographiert zu sehen. „Weltreise einer Königin" kontra „Eine Königin reist um die Welt". Erbitterter Krieg auf den Wiener Plakatwänden. „Der wunderbare Farbfilm … nur im … Kino …" —- „Der einzig authentische Film . . . nur im … Kino …" Welchen man sich anschauen soll? An Qualität sind beide einander nahezu gleichwertig. Der eine zeigt mehr offizielle, der andere mehr Landschaftsaufnahmen. Der eine (offizielle) präsentiert dementsprechend ein paar „exklusive" Schnappschüsse, die dem Kameramann des anderen verwehrt waren. Dieser wiederum erzählt dafür mehr über die Länder, durch die die Königin gereist ist. Bei der einen Premiere ging’s still zu, während bei der anderen Militärmusik spielte. Im Publikum herrscht eitel Harmonie. Es strömt in beide und beschließt den Plakatkrieg friedlich mit vollen Kassen. Brauchtum statt an die überlebten Dämonen und Zauberkräfte wieder an die eine Schöpfungsmacht selber bände. Als gottgebundenes und gottbezogenes Schau-Opfer und Schau-Spiel, als gesungenen, geschrittenen, getanzten oder wovon immer bewegten Lobeshymnus auf den Erhalter der Welt, als Gestalt und Handlung gewordenes Sinnbild des Ewigen in Mensch und Natur könnte das versehrte Brauchtum seine Weihe und Würde, seinen Sinn und sein inneres Leben wieder zurückerhalten. Eine Akzentverschiebung vom Säkularisierten und Profanen zum Religiösen an sich, die durchaus keine Utopie zu bleiben braucht, wie viele ermutigende Beispiele des letzten Jahrzehnts der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte erhärten! Diese Aufgabe kann man allerdings der Volkskunde nicht anlasten. Ihr obliegt nur die Diagnosestellung. Aber für die Volksbildung und -erziehung eröffnet sich da ein weites Feld.

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