6761050-1968_16_04.jpg
Digital In Arbeit

LUDVIK SV0BŪDA / WÄHLEN SIE DIE FREIHEIT?

Werbung
Werbung
Werbung

Der alte Schlachtruf der mazedonischen Freiheitskämpfer lautete Freiheit oder den Tod”. Über den letzten tschechoslowakischen Präsidentschaftswahlen, die nach dem Rücktritt Antonin Novotnys folgten, stand der Schlachtruf „Freiheit oder den Kaiser”. Denn zwei Kandidaten standen in der engeren Auswahl, der frühere tschechoslowakische General Ludvik Svoboda, dessen

Name auf deutsch Freiheit bedeutet, und der frühere Kultusminister Cisar, welcher Name auf deutsch Kaiser lautet. Die Nationalversammlung wählte Svoboda. Wählten sie damit auch die Freiheit?

Eines ist sicher: Mit Svoboda wurde ein Mann gewählt, dem sich viele Tschechen und Slowaken verbunden fühlen. Vor allem hat er das Flair des abgeklärten alten Mannes, ein Flair, das die Tschechen und Slowaken unbedingt von ihrem Präsidenten verlangen und das in besonderer Weise die Präsidenten Masaryk und Hächa trugen. Dr. Benes fehlte diese Art völlig, und dies war vielleicht mit ein Grund, daß er zum Unterschied von Masaryk nie populär in seiner Republik wurde.

Ludvik Svoboda spiegelt andererseits wieder in seinem Leben das Leben vieler Tschechen wider. Er wurde 1895 als Sohn kleiner tschechischer Bauern geboren. Während des ersten Weltkrieges diente er neben einer Million Tschechen und Slowaken in der alten k. u. k. Armee. Er war einer der hunderttausend Tschechen, die sich noch während des Krieges zur tschechoslowakischen

Legion meldeten und auf russischer Seite gegen Österreich kämpften. Nach dem Krieg wurde Svoboda Offizier der neuen tschechoslowakischen Armee und lehrte unter anderem an der Militärakademie. Kurz vor der deutschen Okkupation 1939 begann er Einheiten für die Untergrundbewegung vorzubereiten und ging später mit ihnen über Polen in die Sowjetunion, wo er das erste selbständige tschechoslowakische Bataillon aufstellte. Unmittelbar nach der Wieder- erstehung der Tschechoslowakei wurde er Verteidigungsminister des Landes.

Viele Sudetendeutsche werden mit seinem Namen böse Erinnerungen verknüpfen. Denn seine Ar mee, die sogenannte Svoboda- Armee, war es, die vielfach die Austreibungen in den nordböhmischen Gebieten durchführten.

Ohne seine Mitwirkung oder Duldung im Februar 1948 wäre die Umwandlung der Tschechoslowakei in eine Volksdemokratie wohl kaum gelungen. Damals, im Februar 1948, traten alle nichtkommunistischen Minister der Regierung zurück, um Präsident Benes die Möglichkeit zu geben, eine neue Regierung zu bilden.

Hätte sich Svoboda und seine Armee damals hinter Dr. Beneš gestellt, wäre die Mobilisierung der Straße durch die Kommunisten vielleicht im Sande verlaufen.

Nach dem kommunistischen Putsch trat auch er der Partei bei. Der bisherige Höhepunkt seiner Karriere war im Jahr 1950 die Nominierung zum Vizepremier. Kurze Zeit danach schied er jedoch aus dem politischen Leben aus. Eine der Säuberungswellen der stalinistischen Ära erfaßte auch ihn, er wurde sogar aus der Partei ausgeschlossen und mußte als Buchhalter einer Kolchose sein Leben fristen.

Erst die jüngsten Ereignisse ließen ihn wieder ins Licht der Öffentlichkeit treten. Er wird kein politischer Präsident sein wie Novotny. Auch ist es ungewiß, wie lange er Präsident bleiben wird, ob eine ganze Periode oder nur jene Zeit, die die angeblich vorbereitete Verfassung festsetzen wird. Es war ein guter Schachzug, ihn zu wählen. Denn sein abgeklärtes Wesen wird viele Gemüter beruhigen und sie glauben lassen, daß sie mit ihm die Freiheit wählten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung