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Ohne Sichel unter dem Hammer

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Der Hilferuf Jugoslawiens ist an den Westen ergangen. Noch mehr, noch dringlicher um Nahrungsmittel als um Geld. Denn der Hunger würgt am Halse eines unglücklichen Volkes. Nicht erst seit gestern, sondern mit unerbittlicher Grausamkeit sich steigernd, schon seit zwei Jahren, immer ärger, je stärker der Mißerfolg des kommunistischen Experiments, das, nach russischem Muster unternommen, sich an der einst blühenden Landwirtschaft vergriff und über Nacht mit einem kühnen Aufgebot der Kräfte einen modernen Industriestaat aufzurichten versuchte. Wo ist das Land, das einst mit seiner ansehnlichen Ausfuhr an Fleisch, Geflügel, Eiern, Früchten und Fischen ?ur Ernährung Mitteleuropas beitrug, und an dessen Stelle heute eine Himmelsgegend sich breitet, in deT ein unvorstellbarer Nahrungsmittelmangel namentlich die Küstengegenden versehrt!

Wie ist das gekommen? Ohne Zweifel: in drei Etappen hat die kommunistische Führung Jugoslawiens eine Meisterhand gezeigt. Zunächst in der Organisation und Führung des Aufstandes gegen die deutsche Besetzung im Namen einer allgemeinen nationalen Erhebung und Schaffung der Partisanenarmee aus dem Nichts; die zweite Leistung war die politische Organisation des neuen Jugoslawien durch die vom Königtum versäumte Zusammenfassung verschiedenartiger Volks- und Gebietsteile in einem echten Föderalismus unter Beibehaltung der Führung und Ausschaltung aller anderen politischen Elemente; die dritte Bewährung bildete das Durchhalten im Nervenkriege mit der Kominform. Nun aber droht ein Scheitern an wirtschaftlichen Problemen.

Das Unglück begann mit der Austreibung von einigen hunderttausend deutschen Siedlern. Die Welle nationalen Hasses, den die Kriegsverheerungen hervorgerufen hatten, spülte die besten Landwirte, deren Väter in jahrhundertelanger fleißiger Arbeit das Sumpfgebiet der Donau- und Theißhiederung zur europäischen Kornkammer gewandelt hatten, mit blinder Gewalt hinweg. Die deutschen Siedler Nordbosniens, selbst die um die Agrikultur hochverdienten, für ihre Umwelt beispielgebenden weißen Mönche von Mariastern bei Banja-luka erreichte das gleiche Schicksal. Auch die Aussiedlung der arbeitsamen tschechischen Kolonisten aus Slawonien hatte die Regierung betrieben.

Durch diese Maßnahmen kam erstklassiger Boden in die Hände von Neubesitzern, die, meist aus gebirgigen Landesteilen stammend, der Bewirtschaftung nicht gewachsen und zufrieden waren, den eigenen Bedarf zu decken. Dann kam die sogenannte Agrarreform. Sie ergriff den Mittelbesitz; nach der Parole „Niemand soll in der Landwirtschaft fremde Arbeitskraft ausbeuten sollte jeder nur so viel Boden besitzen dürfen, als er und seine Familie mit e'genen Händen bearbeiten konnte.

Größere Bauernhöfe, die zunächst diese Reform überdauerten, kamen dann an die Reihe. Ihre Besitzer sollten Grund und Boden abgeben oder in die Kolchosen eintreten, in denen die Verteilung des Ertrages ohne Rücksicht auf den eingebrachten Boden nach der von den einzelnen Mitgliedern geleisteten Arbeit erfolgen sollte. Drei Maßnahmen sollten dazu treiben: Vorschreibung untragbarer Steuern, erhöhte zwangsweise Ablieferungen von Ernte und Viehstand und Entzug entlohnter Arbeitskräfte. Landwirtschaftliche Hilfsarbeiter wurden deshalb von den Bezugscheinen für Kleider, Schuhe, für Zucker, Petroleum, Rauchutensilien und ähnlichem ausgeschlossen. Versprechen höherer Löhne, deren Irrealität sie erst später erkennen konnten, lockten sie systematisch zu den neu zu schaffenden Industrien. Auf einmal begann jetzt der stärkste Träger der jugoslawischen Wirtschaftskultur, die Landwirtschaft, zu wanken. Bergbau,

Forstwirtschaft, Industrie hatten vor dem Kriege nur sekundäre Bedeutung in der Güterproduktion gehabt und die neugeschaffenen Industrien, die ihre Kinderkrankheiten noch lange nicht überwunden haben, vermochten nicht den neuen Pfeiler des Budgets zu bilden. Das sehr weitgesteckte Industrialisierungsprogramm beschränkt sich auch nicht darauf, die natürlichen Gegebenheiten der Rohstofflage und die voraussichtlichen Absatzmöglichkeiten zu nützen, sondern nahm in ihr Programm auch solche Erzeugungszweige auf, für die auf einem beschränkten Markte keine Massenproduktion und schon deshalb keine billige Herstellung erfolgen kann, wie die Erzeugung von Automobilen, Motorrädern, photographischem und Radiomaterial usw.

Je mehr sich in diesem ,., .

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