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Panzer für den Sozialismus

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Arn 14. Mai feierte man mit mehr oder weniger Begeisterung den 14. Jahrestag der Unterzeichnung des Warschauer Paktes in den Ländern des damaligen Sowjetblocks. In bezug auf die Militärorganisation des Warschauer Paktes wurden unlängst wichtige Beschlüsse ausgehandelt, die im Laufe mehrerer Stabsübungen in den letzten Wochen praktisch getestet worden seien. Es wurde vielfach über die Vollendung der Verteidigungsorganisation gesprochen. Um die neuen Maßnahmen schmackhafter zu würzen, wurde auf „die gesteigerte Aggressivität der NATO-Länder“ vielfach hingewiesen. Demnach wäre die vereinigte Warschauer-Pakt-Armee gezwungen, durch weitere Anstrengungen und erhebliche Ausgaben „aufzuholen“. Die Armee der osteuropäischen Militärkoalition darf nicht in Unbewegliehkeit erstarren — wurde vielfach hervorgehoben. Deshalb mußten entsprechende Beschlüsse gefaßt werden, die geeignet scheinen, das Niveau der Führung zu erhöhen und die Effektivität zu steigern... Wie erreicht man das? Militärideologische Floskeln, wie etwa: „Der Warschauer Militärpakt ist ein neuartiges Bündnis mit streng begrenzten Verteiddgungsaufgaben“, verhelfen und führen leider nicht zum Verständnis und klarem Überblick. Man muß schon konkreter werden und bei den Tatsachen der Organisation und der Führung bleiben.

Die Kollektivaufgaben des Paktes werden zu Friedenszeiten so gelöst, daß die nationalen Volksarmeen Sowjeteuropas unter nationalen Kommandos bleiben, wobei natürlich eine starke sowjetische Inspiration und Suprematie spürbar sind. Für eine zielbewußte sowjetische Lenkung gibt es einen breiten Spielraum bei der Koordinierung der Vorbereitungen und im Rahmen der Aufeinanderabstimmung der Verteidigungsmaßnahmen. Betreffend die Strategie, die Armeeorganisation, die einheitliche Führung und die Dauer der Ausbildung herrscht volle Übereinstimmung. In den einzelnen Volksarmeen der osteuropäischen Koalition sind derzeit nicht nur die Regel der Organisation, sondern auch die Waffensysteme und die Armierung die gleichen.

Die sowjetischen Generalstäbler waren schon seit längerer Zeit der Ansicht, daß der Mechanismus der Führungsorgane der raschen Entwicklung entsprechend vervollkommnet werden muß. So wurde das Ständige Komitee der Verteidigungsminister der Warschauer-Pakt-Mitgliedstaaten ins Leben gerufen. Da aber die Verteidigungsminister sich auch früher oft zu Beratungen versammelt hatten, handelt es sich eigentlich nur organisatorisch um eine neue Körperschaft. Eine längst geübte Praxis wurde damit institutionalisiert. Besagte Körperschaft ist momentan das höchste Organ des Militärpaktes. Das Ministerkomitee beobachtet alle Ereignisse, die mit der Tätigkeit der Organisation in Verbindung stehen, sorgt für einen konstanten Erfahrungsaustausch der Volksarmeen, koordiniert die Zukunftsaufgaben und arbeitet Vorschläge im Hinblick auf gemeinsame Aufgaben aus. Das Ständige Komitee der Verteidigungsminister verfertigt bloß Vorschläge und unterbreitet diese.

Abgesehen davon, daß rein theoretisch alle Vertreter jedes Mitgliedsstaates mit allen Führungsposten betraut werden könnten, delegiert jede Volksarmee einen Stellvertreter des Oberbefehlshabers zum Oberkommando, um die Koordinierung auf höchster Ebene leichter durchführen zu können. Außerdem werden zum gemeinsamen Warschauer-Pakt-Oberkornrnando in genügender Zahl Generäle und Generalstabsoffiziere der einzelnen Volksarmeen delegiert. Weil die Kooperation bisher nicht reibungslos und schnell genug war, wurden in dieser Beziehung kürzlich neue, wichtige Entscheidungen getroffen. Dabei kam die Einsicht weitgehend zur Wirkung: die rapide Steigerung der Schlagkräftigkeit wirft nicht nur militärtheoretische, organisatorische und Führungsaufgaben auf, sondern vor allem Probleme der Kriegs- und Waffentechnik. Vereinheitlichung und Zusammenballung der Nutzung der Möglichkeiten — lautet die neue Parole. Dies wurde bisher am deutlichsten und effektvollsten bei der Vereinheitlichung des Luftverteidigungssystems der osteuropäischen Länder verwirklicht. Die Einheiten des Luftschutzes sind vereinigt, koordiniert und befinden sich auch in Friedenszeiten auf voller Kriegsstärke! Ein Teil der Duftverteidigungsformatio-nen steht bereit, den Luftraum des Heimatlandes zu schützen, der andere Teil ist so organisiert und verteilt — vor allem die vereinigten Abfangjägereiniheiten —, daß er elastisch, in Raum und Zeit, schnell umgruppiert werden könne. Das neue vereinheitlichte Luftverteidigungssystem soll es ermöglichen und den Mitgliedsstaaten die Sicherheit liefern, daß im Notfall die Verteidigungskräfte vereinigt, koordiniert gegen die Hauptangriffslinien des Gegners verhältnismäßig rasch eingesetzt werden können. „Potenzierung durch Zusammenarbeit und Vereinheitlichung!“ — nennt man diese Idee. Beim Warschauer-Pakt-Oberkommando ist man überzeugt davon, daß das vereinigte Luftverteidigungssystem Sowjeteuropas auf der modernsten Technik basiert.

Auch ein Ständiges Kriegstechnisches Koordinierungskomitee wurde aufgestellt, dessen Aufgabe es ist, bessere, zeitmäßige Gedanken zu entfalten, Vorschläge auszuarbeiten, damit die grundlegenden kriegstechnischen Mittel, sozusagen das „Kriegswerkzeug“, sowie die Waffensysteme vervollkommnet und vereinheitlicht werden können. Die Kräfte, die in der jetzt noch mehr forcierten Kollektivität schlummern, sollen aktiviert werden.

Die Bemühungen zur Stärkung der osteuropäischen Militärorganisation verursachten verschiedene „kameradschaftliche Streitigkeiten unter den Genossen“ — gab Ungarns Verteidigungsminister, Generaloberst Läjos Czinege, zu. Die Standpunkte der Vertreter der einzelnen Volksarmeen waren im Hinblick auf die Modernisierung, Weiterentwicklung und die Grundbedingungen dieser nicht einheitlich. Sogar politische Gegensätze und Meinungsverschiedenheiten traten hervor, so daß das Politische Beratungskomitee als eine Schlichtungsorganisation auftreten mußte. Die Unterschrift unter die neuen „gemeinsamen Beschlüsse“ mußte mit starkem Sowjetdruck erzwungen werden, wobei man sich auf die Sicherheit der „sozialistischen Länder“ berief und mit der Notwendigkeit der Steigerung der Schlagfertigkeit der Warschauer-Pakt-Armee argumentierte. Eine einheitliche Führung kann nur durch Integration erzielt werden — war aus Moskau und Warschau zu vernehmen. Als Beruhigungspille wurde die These überreicht, daß die Militärintegration die Souveränität der Mitgliedsstaaten weder verletzen noch gefährden würde. Die Streitkräfte sollen in Zukunft gemeinsamen Zielen untergeordnet werden, wobei natürlich die sowjetischen eo ipso und stillschweigend als dominierend akzeptiert werden müssen Als Nahziele wurden angenommen: Günstigere Nutzung der finanziellen Mittel bei Erhöhung des Niveaus der Verteidigungsbereitschaft; bessere Truppenführung und -ausbildung sowie Verbesserung der Arbeit der militärischen Führungsorgane. Alles in allem: Erhöhung und umfassende Intensivierung der Kampf- und Kriegsbereitschaft!

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