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ROBERT KRASSER / EIN LEBEN FÜR DIE AKADEMISCHE JUGEND

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Dem General, der seine Truppen zum Siege führt, wird der volle Ruhm des tapferen Heerführers zuteil. Zu gering geachtet aber wird häufig das Verdienst jener, die den Geist der Truppe geformt haben, ohne den auch der Mut und die Klugheit des Siegergenerals vor dem Feinde unwirksam geblieben wären.

Nur wenige Jahre seines Lebens stand Prof. Robert Krasser im Rampenlicht der Oeffentlichkeit, und auch da wurde sein Wirken Übertönt von faszinierenden historischen Ereignissen und ihren Hauptakteuren. Das war die Zeit vor der gewaltsamen Besetzung Oesterreichs, als ihm sein Freund Richard Schmitz als Bürgermeister von Wien die Leitung des Wiener Schulwesens übertrug, und jene andere Zeit nach dem Ende des Dritten Reiches, als er vom Wiener Oberhirten mit der Leitung der Katholischen Aktion betraut wurde. Aemter dieser Art bildeten wohl die sichtbaren Kulminationspunkte seiner Lebenskarriere, die Erfüllung seiner Lebensaufgabe aber bedeuten sie für ihn nicht, wenn sie sich auch logisch in die Zielrichtung seines Denkens und Handelns einfügten. Ihm war durch Gottes Fügung ein anderer Aufgabenkreis zugefallen, dem er sich mit einer Hingabe widmete, deren nur sittlich höchststehende Menschen fähig sind.

Der Beruf des Mittelschullehrers, den Krasser erwählt hatte, zeigt mit aller Deutlichkeit, daß er schon früh entschlossen war, der heranwachsenden akademischen Jugend Freund und Führer zu werden. Er lief! jedoch bald erkennen, daß er dieser Lebensaufgabe nicht nach dem Muster eines verschwommenen Humanitätsideals dienen wollte, sondern daß er sich darüber sehr konkrete Vorstellungen machte. Er schloß sich um die Jahrhundertwende der katholisch-akademischen Verbindung „Norica“ im Cartellver-band katholischer Hochschulverbindungen an, der damals eine schwache Minderheit an den Universitäten darstellte und von der Mehrheit aufs heftigste bekämpft wurde. Diese Mehrheit gehorchte einem aus schrankenlosem Individualismus geborenen Liberalismus nationaler Prägung. In den breiten Massen des einfachen Volkes hingegen brodelten die Ideen von Marx und Engels und formten sich zu einer gigantischen politischen Macht. Robert Krasser stieß also zur schwächsten Gruppe, welche die beiden anderen Strömungen als verschiedene Spielarten des gleichen Materialismus erkannte und sich ihnen in •Erkenntnis der von ihnen ausgehenden Bedrohung der abendländischen Kultur mutig entgegenstellte.

Unermüdlich suchte er in Wort, Schrift und Beispiel dem jungen Akademiker klarzumachen, daß der Zweck des Studiums nicht allein die Erwerbung des Berufsdiploms, sondern ebenso die Erlangung eines Maßes an sittlicher Reife sei, das ihn zur Uebernahme höchster Verantwortung fähig mache. Krasser hat auf diese Weise entscheidend dazu beigetragen, daß die ehemalige Atmosphäre romantischer Schwärmerei und Saufseligkeit an den Hochschulen einem Geiste wich, der, ohne puritanisch zu sein, den Problemen von Staat und Gesellschaft weitaus aufgeschlossener war als vordem.

Die Entwicklung heterogenster Kräfte war jedoch inzwischen so weit gediehen, daß ein Ausgleich der sozialen, politischen und ideologischen Spannungen auf friedlichem Wege

nicht mehr möglich war. Daran konnte auch die Besinnung auf die Werte des Christentums, die sich erfolgreich auf den Universitäten und in der Politik Bahn brach, nichts mehr ändern. Kriege, politische und wirtschaftliche Umwälzungen erschütterten den alten Kontinent aufs schwerste. Es war jedoch entscheidend, daß in diesen Auseinandersetzungen das christliche Element bereits durch eine numerisch zwar nicht sehr starke, aber geistig gefestigte Schicht von Akademikern vertreten war, die ihre Bewährung nicht nur glänzend bestand, sondern unter dem Druck von außen immer stärker wurde. Diesem Umstand ist es wesentlich zu danken, daß Oesterreich nach dem Zusammenbruch der Monarchie nicht der Anarchie anheimfiel und auch dem Hitlerschen Versuch einer gewaltsamen Wandlung seiner geistigen Struktur im Sinne eines Pangermanismus erfolgreich widerstand. Diese Feststellung bedeutet kein Auftrumpfen gegenüber den anderen konstruktiven Elementen der innerösterreichischen Entwicklung, sie appelliert lediglich an deren Loyalität, dem Oester-reicher Robert Krasser und seinem Werk —' wenn man den Oesterrefchischen CnrtellverJ band in einem gewissen Sinne so bezeichnen darf — die verdiente Ehre nicht vorzuenthalten. Krasser hat immer wieder betont, daß\ der CV niemals Selbstzweck werden dürfe, sondern im Beitrag zum Bestand Oesterreichs und der christlich-abendländischen Kultur seine höchste Aufgabe sehen müsse. Es konnte ihn daher nichts härter treffen, als wenn einer aus den Reihen des CV um eines persönlichen Vorteils willen den beschworenen Idealen und der Rechtschaffenheit untreu wurde. '

Robert Krasser war keine flexible Natur und schon gar kein Süßholzraspler. So klar wie seine Meinung war seine Rede, und hatte er eine Entscheidung getroffen, so blieb er dabei. Eine Auseinandersetzung mit ihm konnte sehr hart sein, ganz gleich, ob es sich um interne Differenzen oder um den Kampf auf weltanschaulicher Ebene handelte. Mag sein, daß ihm mehr äußere Erfolge beschieden gewesen wären, daß er sich größerer Beliebtheit erfreut hätte, wenn er etwas anpassungsfähiger gewesen wäre. Er konnte es nicht sein, schon deshalb nicht, weil er sich auch selbst keine Konzessionen gestattete. Er war keiner von denen, die Wasser predigen und Wein trinken. Er blieb bis ans Ende persönlich vollkommen anspruchslos, besaß keine irdischen Güter und hatte sie nie gesucht. In der Einsamkeit, in die ihn ein lang dauerndes Leiden verbannt hatte, verfolgte er mit wachem Interesse die Vorgänge des öffentlichen Lebens und erlebte die Genugtuung der Wiedergeburt Oesterreichs nach Krieg und Besetzung und einen neuen Aufstieg des Oesterreichischen Cartellverbandes, insbesondere seiner geliebten Urverbindung Norica.

Mit Hofrat Prof. Robert Krasser ist keiner von uns geschieden, der uns nichts mehr zu sagen hätte. Das Jugendproblem und die weitere Entwicklung Oesterreichs sind auch die wichtigsten Aufgaben der heutigen Generation. Zu ihrer Lösung braucht es nicht nur tüchtige Führer an der Spitze des Staates, sondern ebensosehr auch solcher Männer, die in Selbstverleugnung und Selbsthingabe den sittlichen Geist in allen Schichten des Volkes zu wecken und zu heben suchen, wie er es ein ganzes Leben lang getan hat.

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