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Torpedo

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Die nüchterne Betrachtung, die In zunehmendem Maße der Integrationsfrage in Österreich zuteil wird, will manchen Leuten nicht gefallen. „Alles oder nichts“ ist ihr Feldgeschrei, und Angriff erscheint ihnen die beste Verteidigung ihrer brüchig gewordenen Bastion. Ziel dieses Angriffs aber ist im Moment vornehmlich die Person des verantwortlichen Leiters unserer Außenpolitik. Gegen Bundesminister Dr. Toncic wird daher so manches journalistische Torpedo losgelassen. Entkleidet man diese Attacken ihres aus vielen Worten fein gewobenen Mäntelchens, so lautet der nackte Kern des Vorwurfe: „Dr. Toncic stört die Integrationsverhandlungen in Brüssel (wie wir sie meinen), da er es mit der österreichischen Neutralität zu ernst meint.“

Aber nicht nur Bundesminister Dr. Toncic wird aufs Korn genommen, auch der hohen Beamtenschaft des Außenministeriums wird am Zeug geflickt. Wie tut man das am besten? Fachlich kann gegen sie nichts eingewendet werden. Also heißt es hurtig ihren politischen Ruf in den Augen der Repräsentanten der Regierungspartei untergraben. Auch das ist gar nicht einfach. Befinden sich doch unter den Spitzenreitern unseres Corp\s diplomatique nur sehr wenige parteipolitische Gefolgsleute der Opposition. Aber umgekehrt ist auch gefahren. Wie wäre es, wenn man Dr. Kreisky die Geschicklichkeit attestierte, die Beamten des einmal von ihm geleiteten Ressorts auch heute noch für seine Gedanken und Vorstellungen aufnahmebereit zu machen? Ja, so wird es gemacht... Und es wurde auchi so gemacht — als ob es den federführenden Beamten unseres Außenministeriums nicht vor allem darum gehen muß, Schaden von unserem Gemeinwesen abzuhalten. Daß sie freilich ein bißchen mehr weltpolitischen Weitblick und Einsicht in das internationale Recht besitzen als so mancher österreichische Kirchturmspolitiker und sein journalistischer Schildknappe, ist eine andere Frage.

Alle fruten Dinge sind drei. Nach dem Außenminister und seinen Beamten stört auch noch „die Wiener völkerrechtliche Schule“ die Kreise der Integrations-Maximalisten. Vor allem das von Univ.-Prof. und Botschafter a. D. Dr. Stephan Verosta dem Wiener Juristentag in der vergangenen Woche vorgelegte Gutachten hat es ihnen angetan. Dabei hatte der namhafte katholische Gelehrte gar nichts anderes getan als in einer instruktiven Zusammenschau festgehalten, was schon der Altmeister des Völkerrechts, Verdroß, gesagt und sein Kollege Zemanek sowie die internationale Völkerrechtswissenschaft bestätigen. Es gibt eben nur ein positives Völkerrecht und kein Wunschvölkerrecht. Mit dieser Tatsache werden sich noch manche Leute in Österreich abfinden müssen. Einem kleinen Land würde es schlecht anstehen, internationale Normen zu ignorieren.

Maske herunter! Das Torpedo, das gegen Bundesminister Toncic losgelassen wurde, die Attacken gegen namhafte Beamte und Männer der Wissenschaft: sie gelten niemand anderem als der Neutralität selbst.

Deswegen wird es sich auch die Regierungspartei nicht erlauben können, vornehm zu den Attacken gegen ein Kabinettsmitglied zu schweigen. Auch die „Aktion 20“, die doch vornehmlich dem politischen Engagement von Fachleuten und Wissenschaftlern dienen soll, muß fragwürdig werden, wenn der Eindruck entstünde, daß solche auf politische Rufschädigung angesehener Bürger zielende Attacken in dem oder jenem Hinterzimmer der Partei ausgeheckt oder zumindest dort applaudiert werden.

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