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Vereinsamte Soldaten

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„Wenn sie dich schmähen,* laß. s- geschehen, einstens wird man dich besser verstehen.“ Mit diesem Wort des Feldmarschalls Conrad von Hötzen-dorf könnte man am besten die Stimmung wiedergeben, die im Verteidigungsministerium am Wiener Franz-Josefs-Kai nach der Ankündigung der Einbringung eines Volksbegehrens zum Zwecke der Abschaffung des Bundesheeres vorherrscht. Dieses resignierende Achselzucken der für unser Bundesheer Verantwortlichen könnte jedoch sehr gefährlich werden. Denn dieses Volksbegehren — nicht die erste, aber die

bisher wohl schlimmste Verirrung im Denken einiger sogenannter „Links-Intellektueller“ hat ja tatsächlich Chancen, eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Unterschriften zu erhalten.

Mit einer Gedankenschizophrenie läßt sich dieses Phänomen nicht erklären. Es ist vielmehr ein tiefes Unbehagen über die gegenwärtige wehrgeistige Atmosphäre in Österreich zu versprüren; ein Unbehagen, das auf beiden Seiten, nämlich im Bundesheer selbst (hier wiederum insbesondere im Offizierskorps) und auf der Seite der zivilen Öffentlichkeit, feststellbar ist und das offensichtlich ein derartiges Ausmaß angenommen hat, daß ein solcher Vor-

schlag allen Ernstes vorgebracht werden kann.

Enttäuschung der Offiziere

Was das Bundesheer und insbesondere das Offizierskorps anlangt, so können weder Paraden, Großer Zapfenstreich, Ausstellungen und noch so publikumswirksame militärische Schauspiele nicht über die bestehenden geistigen und materiellen Mängel hinwegtäuschen. Dabei begann es so verheißungsvoll; nach 1955 machten sich mit Idealen versehene Offiziere und Unteroffiziere daran, die militärischen Voraussetzungen für

ein schlagkräftiges Heer zur Verteidigung unseres neutralen Staates zu schaffen. Doch nach einer 10jährigen Auf bauzeit, in der viel geschehen ist, mußten sie zu ihrer tiefen Enttäuschung erkennen, daß sich die für den Staat verantwortlichen Kräfte noch immer nicht hundertprozentig zu einer überzeugten und überzeugenden Wehrpolitik bekennen. Diese „geistige Vereinsamung“ dürfte in der Tat bereits so groß sein, daß unseren Offizieren tatsächlich bereits jene notwendige Überzeugungskraft fehlt, die nun einmal unbedingt erforderlich ist, um einen jungen Menschen von der Notwendigkeit und von der Möglichkeit einer wirksamen Landesverteidigung zu überzeu-

gen. Denn sonst wäre es nicht mög- lieh, daß tausende junge Österreicher — auch solche, die mit einer durchaus positiven Einstellung der Einberufung folgten — enttäuscht und über die — ihrer Meinung nach — „verlorene Zeit“ verärgert ins Zivilleben zurückkehren und dort genau zum Gegenteil dessen werden, was sie eigentlich werden sollten: statt Propagandisten für die Idee der Landesverteidigung, werden sie großteils zu scharfen Gegnern und Kritikern der Armee. Zu viele Versäumnisse und Ungeschicklichkeiten sind geschehen. Zunächst wurde die wehrgeistige Aufklärungsarbeit, trotz vielversprechender Ansätze, vernachlässigt. Sternstunden unseres Bundesheeres, die Ungarnkrise im Jahre 1956 und die CSSR-Krise im Jahre 1968, wurden propagandistisch nicht genützt, was dazu führte, daß die durch diese Ereignisse aus ihrer Ruhe aufgescheuchte Öffentlichkeit sehr bald wieder in dieselbe Lethargie, wie wir sie vor diesen Krisensituationen feststellen mußten, zurückgefallen ist. Und das in einer Situation, in der man sich nicht scheuen dürfte, die modernsten Mittel der psychologischen Massenbeeinflussung für die militärische Aufklärungsarbeit genauso intensiv und genauso gezielt einzusetzen, wie in der Werbung für die Konsumgüterindustrie. Dazu kommen einige Ungeschicklichkeiten wie die „Glacehandschuhtechnik“ in der Ausbildung der Jungmänner sowie fragwürdige Reformen in Richtung einer sogenannten Demokratisierung des Wehrdienstes, mit denen man sich die Wohlmeinung der Bevölkerung einhandeln zu können glaubt. Dabei wird vollkommen übersehen, daß der junge Präsenzdiener selbst eine allzu laxe Handhabung der Dienstvorschriften und zuwenig „Zund“ in der Ausbildung gar nicht schätzt. Vielmehr wird eine harte und kompromißlose — allerdings auch gerechte und nicht schikanöse — Ausbildung respektiert

Schließlich und endlich ist — insbesondere in den hohen und höchsten Kommandostellen unseres Heeres — ein bedauerlicher Mangel an Zivilcourage festzustellen.

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