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Vorsicht, Glas!

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Es ist ein offenes Geheimnis, daß gewisse Kreise, sehr links und sehr rechts stehend, an der österreichischen Neutralität keine reine Freude haben und dementsprechend sich auch verhalten. Eine gewisse Unsicherheit, ein geringes Wissen um den positiven Sinn und hohen verpflichtenden Wert der österreichischen Neutralität auch in breiten Kreisen der Bevölkerung, die sonst nicht ohne weiteres anfällig sind für zersetzende Propaganda, kommen unbewußt und unfreiwillig dieser Tendenz entgegen. Wir halten es deshalb für wichtig, als dokumentarischen Beleg für den unerschütterlichen Willen unserer verantwortlichen Politiker, Oesterreichs Neutralität zu verteidigen, zwei Stimmen hier wiederzugeben, die aus aktuellem Anlaß laut wurden. Staatssekretär Franz Grubhofer setzt sich mit einer parlamentarischen Anfrage der FPOe auseinander, Staatssekretär Bruno Kreisky nahm beim Europagespräch im Wiener Rathaus Stellung zu den Chancen, aber auch Grenzen wirtschaftlicher Bindungen. Wir geben einen Auszug wieder. Die „Furche“

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Es ist ein offenes Geheimnis, daß gewisse Kreise, sehr links und sehr rechts stehend, an der österreichischen Neutralität keine reine Freude haben und dementsprechend sich auch verhalten. Eine gewisse Unsicherheit, ein geringes Wissen um den positiven Sinn und hohen verpflichtenden Wert der österreichischen Neutralität auch in breiten Kreisen der Bevölkerung, die sonst nicht ohne weiteres anfällig sind für zersetzende Propaganda, kommen unbewußt und unfreiwillig dieser Tendenz entgegen. Wir halten es deshalb für wichtig, als dokumentarischen Beleg für den unerschütterlichen Willen unserer verantwortlichen Politiker, Oesterreichs Neutralität zu verteidigen, zwei Stimmen hier wiederzugeben, die aus aktuellem Anlaß laut wurden. Staatssekretär Franz Grubhofer setzt sich mit einer parlamentarischen Anfrage der FPOe auseinander, Staatssekretär Bruno Kreisky nahm beim Europagespräch im Wiener Rathaus Stellung zu den Chancen, aber auch Grenzen wirtschaftlicher Bindungen. Wir geben einen Auszug wieder. Die „Furche“

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Eine Antwort

Es ist mehr als bezeichnend, wenn gewisse Kreise, denen die Neutralität nicht recht behagt, ausgerechnet ungarische kommunistische Zeitungen zur Grundlage einer parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung nehmen.

Diese Anfrage beschäftigt sich mit meiner Stellungnahme zur Neutralität Oesterreichs und zu Aeußerungen, die ich über die Möglichkeit von Verhandlungen zwischen Oesterreich und Ungarn machte.

Um es diesen Herren zu erleichtern, damit sie nicht ausländische kommunistische Zeitungen, die meine Aeußerungen völlig entstellt wiedergegeben haben, zum Beweis meiner Darlegungen in einer Versammlungsrede in Hohenems am 15. März 1958 übernehmen müssen, wiederhole ich heute vor aller Oeffentlichkeit das, was ich damals und auch-heute noch meine:

Die Neutralität Oesterreichs ist mit Bundesverfassungsgesetz verankert. Ich halte mich streng an dieses Verfassungsgesetz. Die Neutralität soll eine immerwährende sein und sie ist mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen. Eines dieser Mittel — und zwar ein hauptsächliches - ist die militärische Neutralität; militärische Neutralität erprobt sich im Kriege. Um in einem Krieg neutral sein zu können, sind schon im Frieden gewisse Bedingungen einzuhalten. Also keinen Militärpakten beitreten und keine ausländischen militärischen Stützpunkte auf österreichischem Territorium zulassen.

Neutralität kann aber .immerwährend' — also sowohl im Kriege als auch im Frieden - nur gewahrt werden, wenn man zu jeder Zeit die Außenpolitik so gestaltet, daß aus ihr der neutrale Charakter des Staates einwandfrei hervorgeht.

Diese meine Auffassung finde ich bestätigt durch Darlegungen hervorragender Völkerrechtslehrer des In- und Auslandes. Aber nicht nur diese sind mir Beweis, sondern breite Schichten der österreichischen Bevölkerung, die wohl verstehen, um was es geht und eine klare Sicht an den Tag legen.

Es hat dies nichts zu tun mit .Neutralisierung' der Weltanschauung und der Politik. Der Staatsbürger ist völlig frei in seiner Meinungsbildung und Aeußerung.

Wer aber der Regierung in ihren Bemühungen, die Neutralität Oesterreichs immerwährend zu wahren, dazu ist sie völkerrechtlich verpflichtet, Schwierigkeiten bereitet, sei es durch Hetze oder Verleumdung, durch Irreführung oder durch Absichten, die zum Ziele haben, die staatliche Neutralität zu untergraben, muß gefaßt werden können.

Daher verlange ich ein Staatsschutzgesetz. Das Parlament und die Regierung haben es in der Hand, die Bestimmungen eines solchen Gesetzes zu fassen.

Was die Verhandlungen mit Ungarn betrifft, so sind ja indessen solche eingeleitet worden. Natürlich wirken Vorkommnisse der letzten Wochen nicht fördernd. In uns allen bäumt sich Zorn und Abscheu auf, wenn wir an die Hinrichtung Nagys und Maleters und Gefährten denken. Sicher möchten wir lieber mit einer anderen Regierung verhandeln. Aber es liegt nicht in der Macht Oesterreichs, die regierenden Leute in Ungarn zu bestimmen. Im Interesse der Grenzbevölkerung liegt es aber, möglichst bald zu einem Verhandlungsergebnis über Zurücknahme des Eisernen Vorhanges, über ungefährdete Feldbestellung, über Vermögensregelungen, über Wasserrechtsfragen usw. zu gelangen.

Ueber solche Dinge zu reden, ist jedes Politikers Recht. Bestimmen wird die Regierung.

Eines sei noch gesagt: die Kreise, die die parlamentarische Anfrage veranlaßt haben, reden viel von Europa. Ich zweifle an ihrer Ehrlichkeit. Sie sagen Europa und meinen etwas anderes. Ihnen ist ein „Hoch Oesterreich“ wenig geläufig.

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