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Wolken über dem Weißen Haus

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Die Demokraten beginnen bei den Kongreßwahlen im November des Jahres beträchtliche Verluste zu befürchten. Die Hoffnungen der Republikaner sind natürlich noch größer. Häufig gewinnt die Opposition Stimmen in jenen Wahlen, die zwischen den Wahlen für die Präsi dentschaft liegen. Da die Republikaner noch immer jeden Elan vermissen lassen, müßte das dieses Jahr nicht zutreffen. Es kommt hinzu, daß auch innerhalb der Republikanischen Partei große Meinungsverschiedenheiten über den Krieg in Vietnam bestehen. Die Mehrzahl befürwortet einen rücksichtslosen uneingeschränkten Krieg.

Krieg und Inflation ß öaß. Republikaner u.lrfttedem gute Aussichten haben, ist-eine Folge besonderer Umstände, die mit dem Krieg Zusammenhängen. Noch ist der Krieg an sich nicht der enscheidende Faktor. Verglichen mit anderen Kriegen sind die Menschenverluste bisher bescheiden, so hohnvoll dies auch den Angehörigen der Gefallenen klingen mag. Wirtschaftlich aber bringt der Krieg die Inflation mit sich, politisch eine zunehmende Entfremdung zwischen der Führung der Demokratischen Partei und ihrem liberalen Flügel.

Soeben verlautete, daß der Lebens index im Februar um ein halbes Prozent angestiegen ist. Dies ist der stärkste Preisanstieg in 15 Jahren. Insgesamt sind die Nahrungs-

kosten sechs Prozent höher als im Vorjahr.

Zeitschriften, die früher unter Gewissensqualen ihre Leser um Verständnis für Preiserhöhungen baten,

erhöhen jetzt die Preise stillschweigend. Zum Beispiel kostete „Newsweek“ noch vor vier Wochen 30 Cent. Eines Tages stand statt dessen 40 Cent auf dem Titelblatt. Die Verkäuferin war ebenso überrascht wie der Kunde. Die „Saturday Evening Post“, die bis zum zweiten Weltkrieg um fünf Cent zu haben war, vor einem Monat 20 Cent kostete, kostet plötzlich 35 Cent.

Bei dem alten Preis war es frag-

lich, ob die „Saturday Evening Post“ sich über Wasser halten könnte, denn die Kosten der Zeitungen steigen rapid. Soeben haben sich in New York drei Zeitungen zusammengeschlossen, darunter der berühmte „Herald Tribüne“. Die drei Zeitungen, die gemeinsam eine Morgen-,

eine Nachmittags- und eine Sonntagsausgabe herausbringen werden, haben im letzten Jahr zusammen zehn Millionen Dollar verloren. Nach der Fusionierung wird New York nur noch drei Zeitungen haben, verglichen mit 15 im Jahr 1900.

Eine der Unsachen der Inflation ist die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote, die vor 2 Jahren 5,7 Prozent betrug, ist auf 3,7 gefallen. Bei Facharbeitern ist sie jedoch auf' unter 2 Prozent heruntergegangen. Nachdem anderseits die Industrie mit 91 Prozent ihren Kapazität arbeitet, sind die Arbeiter in der Lage, die Löhne anzukurbeln.

Unpopuläre Steuererhöhungen

Infolgedessen hat sich der Präsi-

dent zu der in einem Wahljahr höchst peinlichen Maßnahme der Steuererhöhungen gezwungen gesehen. Schon wurden neue Steuern gefunden, die dieses Jahr mehr als eine Milliarde einbringen sollen und nächstes Jahr beinahe fünf Milliarden. Jedoch hat der Präsident bereits angedeutet, daß weitere Erhöhungen notwendig werden könnten. Dagegen nehmen die Republikaner scharf Stellung. Sie meinen, erst sollen die Nichtverteidigungsausgaben beschnitten werden.

Bei den politischen Auswirkungen des Krieges ist zu verzeichnen, daß die Kriegsgegner in den Reihen der Demokratischen Partei konservative Republikaner, seien sie auch noch so kriegshetzerisch, den Kandidaten vorziehen, die, obwohl sonst liberal, die Kriegspolitik der Administration unterstützen. Die Kriegsgegner rechnen damit, daß Lyndon Johnson nach einigen solchen republikanischen Siegen schnell begreifen wird, daß er mit seiner Kriegspolitik seine verläßlichsten Anhänger vergrämt.

Es sollte der Administration nicht schwerfallen, den Kriegsgegnern kleine Zugeständnisse zu machen. Eine von Professoren der Stamford- Universität veranstaltete Umfrage hat gezeigt, daß das Publikum der Regierung große Bewegungsfreiheit in bezug auf Vietnam einräumt. 1474 Personen wurden befragt 80 Prozent befürworteten Verhandlungen mit den Vietkong. 52 Prozent würden eine südvietnamesische Regierung mit Einschluß des Vietkong akzeptieren. Anderseits wurde ein sofortiger Rückzug mit 81:15 Prozent abgelehnt, und selbst ein etappenweiser Rückzug erhielt nur 39 Prozent der Stimmen. Zwar sprachen sich 49 Prozent für eine Beibehaltung des gegenwärtigen Niveaus der Kriegsführung aus, aber im Falle,

daß dies unmöglich würde, forderten 60 Prozent einen größeren Krieg.

Robert Kennedy meldet sich

Nicht unerwarteterweise hat die übergroße Mehrheit der Demokratischen Partei ihren Zusammenhalt geschwächt. Nach und nach scheint sie sich in einen Johnson- Humphrey-Flügel und in einen Kennedy-Flügel zu spalten. Mit großem Geschick hat Robert Kennedy es, verstanden, seinen Stand- punkt von dem der Administration abzugrenzen, ohne sich in extreme Positionen verlocken zu lassen. Dies wird sich allerdings noch nicht direkt auf die nächsten Wahlen auswirken. Aber es leistet der Malaise innerhalb der Partei Vorschub.

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