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Bank und Publizistik

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Das Bestreben, die Öffentlichkeit über die Vorgänge in einer Bank zu informieren, sie über das wirtschaftliche Geschehen zu unterrichten und Kontakt mit den Nachrichtenübermittlern zu halten, ist in Österreich erst jüngeren Datums. Während im angelsächsische^ Raum und in Westeuropa die Economic und Intelligence Departments schon lange vor dem Krieg zu entscheidenden Führungsabteilungen der Bankinstitute wurden, hatte man in Österreich immer eine gewisse Abneigung, Bank und Publizistik in einem Atem zu nennen. Vielleicht war der Grund darin zu suchen, weil in Österreich seit jeher — und dies hat sich erst in der neuesten Zeit geändert — die .Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit über das Medium der Nachrichtenträger als etwas Zweitrangiges angesehen wurde. Man dachte als Bank mehr in vornehmer Zurückhaltung als in der Notwendigkeit, einen möglichst großen Kreis von Menschen über die Tätigkeit einer Bank zu informieren.

Das Ende des zweiten Weltkrieges und das Heraufkommen eines noch viel intensiveren technischen Zeitalters hat praktisch alle Institutionen, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, gezwungen, sich diesen Problemen im wesentlich stärkeren Maße zu widmen. Das Zusammenrücken der Grenzen, das Zurückdrängen des Analphabetismus und die starke Verflechtung der Welt durch Wirtschafts- und Integrationsgedanken haben es notwendig gemacht, aktiv aus Gründen der Werbung und passiv, um der eigenen Meinung Gehör zu verschaffen, die Arbeit in der Publizistik zu erweitern.

Dazu kommt noch, daß ohne Zweifel heute die Volkswirtschaft der ganzen Welt in einem großen und gewaltigen Umbruch begriffen ist. Sie wird nicht mehr wie früher nur von den Problemen des Soll und Habens beherrscht, sondern die öffentlichen Aufgaben der Massengesellschaften und die allgemeine Verpolitisierung ich meine hier keine Partfeipolitik — der gesamten Welt zwingen“ flazu, riefte Leitbilder zu entwerfen.

Es ist also endgültig damit vorbei, daß eine Bank und vor allem die großen Kommerzbanken in vornehmer Zurückhaltung als Verwalter selektierter eingelegter Kapitalien trachten muß, zwischen sich und der Öffentlichkeit ein Niemandsland zu schaffen. Überschreitet die Bank nicht dieses Niemandsland und informiert nicht von sich aus, so wird von der anderen Seite, nämlich von der neugierigen Öffentlichkeit, der Graben übersprungen, was dann meistens zu Fehlmeinungen und Fehlanschauungen Anlaß gibt.

Man darf nicht vergessen, daß die Bank heute noch im Bild des kleinen Mannes als eine Hortungsstelle des Kapitals und als eine der letzten Bastionen eines unverstandenen Kapitalismus gilt. Optisch wird dieser Eindruck meistens noch durch die Büropaläste der Banken unterstrichen, die an sich schon dem normalen Beschauer etwas Geheimnisvolles vermitteln. Immer mehr wird aber auf der Welt die Interdependenz zwischen Staat, Institution und öffentlicher Meinung kon-turierter und muß daher ständig beobachtet, bearbeitet und mit einer eigenen Etikette versehen werden. Kurz nochmals zum Umbruch der Volkswirtschaft. Österreich ist ein beachtlich „unvolkswirtschaftliohes“ Land geworden und die Menschen, die sich mit Volkswirtschaft befassen und sie publizistisch auswerten können, werden immer weniger. Die Zeit der großen volkswirtschaftlichen Schule, die einmal den Ruf Österreichs als Mittelpunkt wirtschaftlicher Kristallisation in alle Welt getragen hat, ist zu Ende gegangen.

Das volkswirtschaftliche Denken eines Menschen auch in gehobener Position in Österreich ist eben nur durchschnittlich. Das ist eine große Schwierigkeit, weil das Vokabular der Volkswirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg eine entscheidende Änderung erfahren hat und weil die Register, die früher genügt haben, um Vorgänge, die nicht rein technischer Natur waren, zu beherrschen, heute nicht mehr ausreichen.

Nehmen wir nur alle jene Fragen,die heute für das Geschäft einer Bank wichtig sind. Muß man nicht bei allen Problemen, die an eine Bank herangetragen weiden, Fragen der Konjunkturpolitik, der Währungspolitik, der wirtschaftlichen Integrationspolitik und der Industrie- und Handelspolitik berücksichtigen, und ist es nicht notwendig, daß man alle diese Probleme von Seiten der Bank auch dem Kunden-und Freundeskreis begreiflich macht und ihn darüber aufklärt? Erfolgt diese Aufklärung nicht, so wird bei dem noch größeren Unverständnis der meisten Menschen außerhalb einer Bank füT volkswirtschaftliche und finanzpolitische Vorgänge das Geschäft einer Bank beeinträchtigt. Wir stehen heute vor der zwingenden Notwendigkeit, als Bank uns einen Apparat aufzubauen, der nicht nur die Möglichkeit hat, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und über die zur Verfügung stehenden Nachrichtenmittel die eigene unterschwellige Werbung durch Veröffentlichung und durch Steuerung der außerhalb der Veröffentlichungsbasis liegenden Nachrichtenmittel zu betreiben, sondern wir müssen auch unseren Kunden- und Freundeskreis ständig informiert halten.

Damit sei das zweite grundsätzliche Problem gestreift. Nicht nur die Stellung der Bank in deir modernen Wirtschaft hat sich geändert, sondern auch die Werbemittel und -Vermittlung. Ein Beispiel zum Vergleich: Wenn früher ein Ereignis Platz gegriffen hat, so hat es einen bestimmten Kreis von Menschen interessiert und keine Rückwirkungen auf die eigene Gemeinschaft gehabt, wenn sie nicht gerade von diesem Ereignis betroffen war.

Heute durch die Schnelligkeit der Nachrichtengebung, durch die Vielfalt der Nachrichtenmedien ist jeder Mensch persönlich durch jedes Ereignis betroffen. Damit in Zusammenhang steht eine gewisse auf den Moment fixierte psychologische Nervosität. Das heißt also, wenn zum Beispiel der Präsident der Vereinigten Staaten sich einer Operation unterzieht, fuhrt das dazu, daß an der Züricher Börse — ausgelöst durch die Nervosität der amerikanischen Geschäftswelt — eine Baisse auftritt, die wahrscheinlich keine mit Geld- und Kreditwesen verbundene Institution gleichgültig lassen kann.

Jedes Ereignis also, das sich auf der Welt abspielt, muß vom werbe-, presse-und nachrichtenmäßigen Standpunkt durchleuchtet und auf seinen Wert für die eigene Institution geprüft werden. Auf der anderen Seite hat die Einflußnahme über die gehörte und visuelle Publizistik Formen angenommen, die zu einer einflußreicheren und größeren Leistung anspornen. Auch hier ist es notwendig, genau abzuwägen zwischen dem, was in der aktiven Werbung geschehen kann, und zwischen dem, was eben für eine Bank nicht vertretbar ist. Die Bilanz einer Großbank wurde früher in vornehmer Weise in den einschlägigen Blättern besprochen. Sie wird heute mit mehr oder minder zugkräftigen Zeitungstiteln aufgemacht, im Fernsehen optisch dargestellt und im Radio jedem Zuhörer nahegebracht.

Betrachtet man vor dieser größeren Kulisse die Arbeit einer Abteilung, die von der Leitung der Bank beauftragt ist, die Probleme der Presse und Publizistik wahrzunehmen, so muß man für diese Abteilung drei Aufgaben festlegen.

Die erste Aufgabe, die so eine Abteilung bewältigen muß, ist eine bankberatende. Stellt sie doch die Verbindung der Bank mit drei sich überschneidenden Kreisen dar. Der eine ist der Kreis der Kundschaft, der Kommittenten, der der Bank nahestehenden Betriebe. Der zweite ist die Öffentlichkeit, die obwohl nicht in diesem Sinn zum Kundenkreis der Bank gehörend, trotzdem Interesse nimmt an der Arbeit der Bank, und der dritte sind alle jene Stellen und Institutionen in dem mit der Bank in Verbindung stehenden Großraum, die ständig an die eigene Bank erinnert werden müssen.

Die Kunden werden durch die eigenen Publikationen informiert und erhalten dadurch auf die verschiedenste Weise einen Eindruck von der Bank-politik an sich und von den einzelnen Spezialproblemen, welche die Bank beschäftigen.

Die öffentliche Meinung wird hauptsächlich durch die Nachrichtenträger, also Presse, Rundfunk und Fernsehen, informiert, die praktisch einen Leiter darstellen — wenn man diesen Begriff aus dem Physikalischen nehmen darf — zwischen Bank und Masse.

Die dritte Gruppe verteilt sich bei der heutigen Verflechtung der Weltwirtschaft praktisch über die ganze Welt. Sie besteht aus der Kundschaft in anderen Ländern, zu der auch die anderen Banken gehören, aus den in anderen Ländern bestehenden Nachrichtenübermittlungsmedien und aus einer großen Masse von einzelnen Organisationen und Menschen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt für bestimmte Aufgaben und Probleme der die Informationen ausgebenden Bank interessieren.

Wegen dieser großen Streuung ist es wichtig, gerade die publizistische Arbeit eine Bank möglichst differenziert zu gestalten.

Die volkswirtschaftlichen Abteilungen der Banken in England, Deutschland und Belgien verfügen über eine große Kapazität. So beschäftigt die Midland Bank zwölf Beamte, die Deutsche Bank fünfundzwanzig Beamte in ihrer volkswirtschaftlichen Abteilung. Bei den belgischen Banken besteht das Prinzip, daß jeder junge Beamte, der sich durch einen vorhergegangenen Test für die mittlere und später höhere Führungslaufbahn als geeignet erwiesen hat, zwei bis drei Monate Dienst im Departement Eco-nomique machen muß, um sich hier publizistische Fähigkeiten, die auch in der Abwägung von Berichten und Notizen so wichtig sind, anzueignen.

Österreich hat den großen wirtschaftlichen Aufschwung der Welt erst in den letzten Jahren bewußt mitgemacht. Dieses Bewußtsein zwingt uns aber, auch allen jenen Formen in der Wirtschaftsordnung Rechnung zu tragen, die sich in besonders starkem Maße in evolutionärer Form in dieser neuen Welt entwickelt haben. Dazu gehört die große Bedeutung, die die Volkswirtschaft und VolkswiTtschaft-ler erlangt haben, dazu gehören die Medien der Meinungsbeeinflussung. Mögen sich viele noch an die herrlichen Zeiten erinnern, wo ein Volkswirtschaftler nicht als Wissenschaftler galt und ein Journalist gleichgesetzt wurde mit dem fahrenden Volk. Heute, so betrüblich es für manchen vielleicht sein mag, beherrschen diese beiden Gruppen mit die Welt und entscheiden darüber, ob eine Lebensform erhalten bleiben soll oder verlorengeht. Die Bank als immer entscheidenderer volkswirtschaftlicher Faktor kann sich daher weder dem einen noch dem anderen verschließen. In immer stärkerem Maße gliedern sich volkswirtschaftliches Denken, Publizistik und Beeinflussung der öffentlichen Meinung in die Stabsarbeit einer Bank ein. Wer daher zur höheren Führung in einer Bank berufen sein will, muß nicht nur Verständnis, sondern auch Kenntnis dieser Probleme mitbringen.

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