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Viele brauchen Hilfe gegen die Teuerung. Doch ein Staat, der nur willkürlich Steuersätze vermindert, hat sich völlig aufgegeben.

Werner Faymann, lächelnder Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, ist drauf und dran, in eine selbst gestellte Falle zu laufen. Und er ist dabei, den Staat, so man ihn gewähren lässt, mitzureißen. Wer wie er die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel halbieren will, um die Teuerung für Einkommensschwache zu mildern, der hat die Lektion aus dem Ederer-Tausender nicht gelernt: Er wiederholt Fehler und macht neue dazu.

Unstrittig ist, dass die Kosten für das tägliche Leben den Löhnen und Pensionen davon laufen. Das gilt für Gebühren und Tarife, Steuern und Abgaben, Preise und Beiträge aller Art. Die Entwicklung der realen Einkommen kann nicht mithalten, es läuft andersrum: Jeglicher durch Bildung oder Leistung erreichte Zuwachs beim Arbeitseinkommen wird durch Eintritt in die nächsthöhere Steuerstufe aufgezehrt. Gegen diesen Dämpfer der Arbeitsmoral hätte die große Koalition längst etwas unternehmen können, hätte sie es nur gewollt. Und sie hätte früher und mehr tun können gegen die Armut, die hier trotz Frieden und Wohlstand neu um sich greift.

Jetzt, in der Hitze des Wahlkampfes, soll auf dringende Empfehlung der Sozialdemokraten die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel halbiert werden, um so die Teuerung zu bekämpfen. Dieser systemwidrige und nicht zu Ende gedachte Vorschlag übersieht alles, was man zu berücksichtigen hätte, ehe von Staats wegen eine so weitreichende Entscheidung getroffen wird.

Die Preise, auch jene für Lebensmittel, erklären sich nur beschränkt aus den Kosten. Sie sind eher strategisch-taktische Maßeinheiten in einem harten Konkurrenzkampf des Handels und der Produktion.

So blöd kann ein Mann gar nicht sein, um nicht zu erkennen, dass mit dem Vielen günstig und gratis nur sein Geiz angeregt werden soll. Das sagt einem doch der Hausverstand, oder? Bei meiner Ehr'.

In dieses Getümmel aus Preistreiberei nach oben und nach unten wollen Faymann und einige andere Chefstrategen des Populären mit dem Staat eingreifen.

Diese Herren verzichten auf alle politischen Mittel, die ihnen zur Verfügung stünden: Keine Preiskontrolle, keine Offenlegungen, kein Kartellrecht - nichts wird in die Hand genommen, um die Preislawine zu stoppen. Keine Förderungen, keine Beihilfen - nichts wird getan, um sinnvoll individuell gegen neue Armut zu helfen. Nein, der Lebensmittelhandel soll das politische Geschenk niedriger Mehrwertsteuer erhalten. Alleine die Idee löst Begehrlichkeiten und Folgewirkungen aus: Energie stehe vor einem Schub an Teuerung, müsse billiger werden, verlangen erste Kommentatoren. Tja, wie wär's mit einer Steuersenkung bei Strom, Öl und Gas? Für die Pendler und gegen kalte Zimmer. Und die Folge? Österreich wäre ein Land für Spekulanten: Treiben Sie Ihre Preise, die Regierung senkt die Steuer!

Wohin anders als in ein Chaos aus Kosten, Spannen und Steuern führt denn dieser Vorschlag? Und was wird der Staat tun, so er Geld braucht? Werden dann die Lebensmittel erst recht wieder teurer?

Ein Staat, dem bei sinkenden Haushaltsbudgets vieler Menschen und bei steigenden Preisen für Güter des täglichen Bedarfs nicht mehr einfällt, als die Mehrwertsteuer willkürlich in einigen Produktgruppen zu senken, kapituliert. Ein solcher Staat unterwirft sich den Umständen, anstatt sie zu ändern. Das ist, gerade für eine linke Partei wie die Sozialdemokraten, ein totales Versagen. Das wird das Vertrauen in die Politik nicht wiederherstellen, sondern weiter schwächen. Denn selbst bei etwas geringerer Mehrwertsteuer werden Preise subjektiv meist als zu hoch empfunden. Keiner wird einen Rückgang der Teuerung verspüren. Auch den Ederer-Tausender - eine in Schilling versprochene Verbilligung aller Güter durch den EU-Beitritt - hat ja kaum jemand in seinem Geldbörsel gefunden.

In der grotesken Gemengelage aus Wahlkampfhitze und Populismus bleibt nur die Hoffnung auf Abkühlung der Gemüter und auf Absage des Vorhabens, im Wahlkampf dessen Themen zum Gegenstand von Gesetzen zu machen. Dann erst lässt sich über akzeptable Preise, faire Gehälter, angemessene Steuern und soziale Hilfe neu entscheiden. claus.reitan@furche.at

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