6747968-1967_16_01.jpg
Digital In Arbeit

Südtirol sucht Magier

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn zwei Partner darüber reden, wie sie mit einem dritten reden sollten, ohne zu wissen, ob dieser dritte Partner überhaupt gewillt ist, mit ihnen zu reden, ist die Gesprächssituation einigermaßen paradox. In Sachen Südtirol hat man sich freilich an Paradoxa wohl oder übel gewöhnt. So vermerkten es Beobachter auch nur am Rand, daß die Innsbrucker Südtirolkonferenz vom vergangenen Wochenende gleichsam im luftleeren Raum agierte: Bis zu 36 in dieser Frage höchst qualifizierte Repräsentanten Nord- und Südtirols einerseits, der Bundesregierung und ihres Stabes anderseits diskutierten zwei Tage lang über Möglichkeiten der Verankerung des „Pakets“ italienischer Zugeständnisse, obwohl Fanfani zuvor hatte wissen lassen, Österreich könne zum Paket nur noch ja oder nein sagen.

Auch am Rand wollen wir angesichts dieser Sachlage vermerken, daß man — so drückte sich, eher vorsichtig, ein Teilnehmer aus — von einem Ergebnis der Konferenz „nur schwer“ sprechen kann. Deutlicher wurden die „Radikalen“ aus Südtirol, Dietl, Brugger und Benedikter:Man habe die „magische Formel“ (Vgl. „Die Furche“ vom 18. März 1967) nicht gefunden; es sei nichts entschieden worden; die Experten müßten sich die Köpfe weiter zerbrechen. Selbst Landeshauptmann Doktor Magnago, wie Österreichs Bundeskanzler Dr. Klau* am positiven Abschluß der Gespräche über das Paket sehr interessiert, gab sich skeptisch: Ob der Weg zur internationalen Verankerung des Pakets, über den sich die Konferenz seines Erachtens einig geworden sei, auch zum Erfolg führen werde, könne man noch nicht sagen.

Einen Mann gibt es freilich, der Aufschluß darüber geben könnte, wie die Chancen einer österreichischen Initiative dieser Art zu beurteilen sind: Amintore Fanfani, Herr der Farnesina, des italienischen Außenamtes in Rom. Hat dieser sich nicht bereits festgelegt? Festgelegt im Gespräch mit Österreichs Botschafter Loewenthal-Chlumecky am 18. März, über das nur Indiskretionen durchgesickert sind, festgelegt aber auch — und dies expressis ver-bis — in einem Artikel des „Messag-gero“, der unverkennbar die Handschrift des Ministers trug. „Wenn es“, schrieb Fanfani selbst oder eine voa ihm inspirierte Feder in dem Blatt, „wieder eine österreichisch-italienische Begegnung geben wird, so nur zu dem Zweck, um die zustimmende oder ablehnende Antwort Wiens auf Italiens Angebote vom vergangenen Juli zu registrieren.“ Sollte es dem Chef der italienischen Außenpolitik mit diesem Standpunkt ernst sein, bliebe den Experten allerdings nur dies zu registrieren: Die Bemühungen um eine Beilegung der Südtirolfrage sind wieder auf dem toten Punkt angelangt.

Denn auch Wien hat sich zumindest dahingehend festgelegt, daß es keine Entscheidung gegen den Willen der Südtiroler fällen werde. Auch nicht gegen den Willen der Nordtiroler, wie Toncic nach dem Innsbrucker Treffen vorsichtshalber ergänzte. Südtirol aber hat Wien durch die Entschließung des Landesausschusses der SVP eine klare Verpflichtung auferlegt. In der .Karwoche, also schon nach der Unterredung Fanfanis mit Loewenthal-Chlumecky und darüber im wesentlichen wohl informiert, hat sich dieses 55 der politisch profiliertesten Köpfe des Landes zählende Gremium mit denkbar knapper Mehrheit (29:24 bei zwei Stimmenthaltungen) für die Annahme des „Paket':“ ausgesprochen — unter der Bedingung, daß Wien und Rom in neuerlichen Verhandlungen den Inhalt des Pakets, eine Summe von etwa 120 Maßnahmen zur Übertragung autonomer Verwaltungsfunktionen auf die Provinz Bozen, rechtlich durch internationale Garantien verankern. Toncic hat Fanfani solche Verhandlungen — zunächst auf Expertenebene — vorgeschlagen. Und Fanfani hat, so scheint's, gesprochen ...

Im „Messaggero“ jedenfalls ist die alte Walze nachzulesen, die Zusicherungen des Pakets seien ein „autonomer, souveräner Entschluß der Regierung“, seien also „nicht durch internationale Organe, Stellen oder Kommissionen zu beurteilen“. Die Tatsache, daß es eines wiederholten Auftrags seitens der Vereinten Nationen und jahrelanger bilateraler Verhandlungen mit Österreich bedurfte, um Italien zu diesem „autonomen, souveränen“ Akt, zu den vorerst ganz und gar unverbindlichen Zusagen des Pakets zu nötigen, wird konsequent verschwiegen. Nach wie vor scheint Rom äußerstenfalls zu der im vergangenen Sommer ventilierten Form einer „Verankerung“ bereit zu sein: Das Pariser Abkommen ist beim Internationalen Gerichtshof appellabel (was auch bisher niemand bezweifelt hat); Wien gibt die Erklärung, der Streit sei beigelegt, erst nach Durchführung der im Paket vorgesehenen Maßnahmen (was ohnehin das äußerste an Zu-mutbarkeit darstellt).

Wer — mit dem Schreiber dieser Zeilen — die Südtirolfrage primär als politisches Problem sieht, das primär auch einer politischen Lösung harrt, für den läßt die Kunde aus Innsbruck einen Hoffnungsschimmer. In der nun von Experten endgültig 7u formulierenden Fassung, heißt es, müsse das Paket auch politisch — nicht nur rechtlich — verankert werden. Soll das nicht nur auf die vage Absicherung hinauslaufen, daß Wien seine „Streit-Ende-Erklärung“ erst nach Durchführung der Maßnahmen des Pakets abgeben werde (was uns weder vor Rückziehern Roms unter anderen politischen Konstellationen schützt noch vor Problemen, die aus neuen Situationen erwachsen), soll — rundheraus gesagt — der Weg zur UNO und Österreichs Chance, die Rechte Südtirols durch Interventionen auf bilateraler oder internationaler Ebene zu wahren, offen bleiben, wird es eines Magiers der Diplomatie bedürfen, um die magische Formel zu finden.

Und sie gegen den Hexenmeister der Farnesina auch durchzusetzen!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung