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Der Vergleich macht sicher (oder deprimiert): Während in Deutschland CDU/CSU und SPD einen Koalitionspakt unter Dach und Fach haben, erleben wir eine bloße Farce.

Die Sozialdemokraten seien "immer noch sehr stark fixiert auf Sozialmilieus oder ein Gesellschaftsbild, das dem Pluralismus und Individualismus des 21. Jahrhunderts und dem wirtschaftlich-technischen Wandel nicht genügend Rechnung trägt“. Nein, zu dieser Erkenntnis ist nicht Werner Faymann gelangt, und es geht auch nicht um die SPÖ. Also sprach vielmehr Peer Steinbrück, zuletzt Kanzlerkandidat der SPD, im Gespräch mit der Zeit. Die hiesige Sozialdemkratie setzt indes unverdrossen auf Klientelpolitik, Medienbestechung und die periodische Verabreichung von Sedativa ans Wahlvolk ("Schauen wir einmal …“; © Sozialminister Hundstorfer), wobei in der politisch nicht ganz unbedeutenden Bundeshauptstadt der Fiakerschmäh des Bürgermeisters diesem Amalgam zusätzlich eine spezifische Note verleiht.

Nun könnte man einwenden, Steinbrück habe leicht reden, hat er doch, wie er es ausdrückt, "den Deckel auf (seine) politische Laufbahn gelegt“. Freilich hat Steinbrück auch zu seiner aktiven Zeit, als der Topf ungedeckelt ordentlich dampfte, immer wieder Positionen abseits des Parteimainstreams vertreten, etwa gegen den früheren Umweltminister und amtierenden SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel.

Deutliche SPD-Handschrift

Dieser hat nun mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, der die SPD-Handschrift recht deutlich erkennen lässt: Mindestlohn, Entschärfung bei der "Rente mit 67“, doppelte Staatsbürgerschaft. Dazu passt die im erwähnten Interview geäußerte Einschätzung Steinbrücks, dass "ein Großteil der Bevölkerung durchaus sozialdemokratische Politik haben will, aber mit Frau Merkel an der Spitze“. Das ist eine so boshafte wie gelungene Pointe mit einem durchaus wahren Kern, die freilich die Differenzen zwischen Union und SPD der letzten Jahre (allerdings mit der SPD als Oppositionspartei) ebenso übersehen lässt, wie die Punkte, bei denen sich die Unionsparteien durchgesetzt haben (was Steinbrück noch nicht wissen konnte): keine neuen Steuern, keine neuen Schulden.

Bemerkenswert ist das Ergebnis der deutschen Regierungsverhandlungen dennoch, insbesondere im Vergleich mit Österreich. In Deutschland liegen die Christdemokraten/Christlichsozialen fast 16 Prozentpunkte vor den Sozialdemokraten, der Abstand zwischen beiden hat sich gegenüber den letzten Wahlen noch vergrößert (wobei beide gewonnen haben); in Österreich kommen die Sozialdemokraten auf nur 2,8 Prozentpunkte mehr als die Volkspartei, die Differenz gegenüber den letzten Wahlen hat sich verringert (wobei beide verloren haben). Aus dem Blick auf diese Zahlen müsste jeder unvoreingenommene Beobachter den Schluss ziehen, dass die hiesige Nr. 2 ÖVP deutlich bessere Karten für Regierungsverhandlungen habe als die deutsche Nr. 2 SPD.

ÖVP-Theaterdonner

Sagen wir so: Es wäre eine echte Überraschung, wenn diese an sich für die ÖVP relativ günstige Ausgangslage auch im Koalitionspakt ihren Niederschlag finden würde. Es wäre eine echte Überraschung, wenn die ÖVP auch nur annähernd so viel wie die SPD erreichen könnte; eigentlich - siehe oben - müsste sie ja mehr durchsetzen können. Es wäre eine echte Überraschung, sollte sich das zuletzt stärkere Auftreten der ÖVP nicht nur als Theaterdonner entpuppen, ließe die Partei erkennen, dass sie politisch etwas will und nicht nur weiter (mit)spielen.

Bis dahin delektieren wir uns an Feinheiten wie dem Unterschied zwischen "Reform-“ und "Sparpaket“ und nehmen dankbar Ablenkungen wie die Privatfehde des FP-Chefs mit dem Kurier-Herausgeber und dessen beim ORF tätiger Frau zur Kenntnis. Und Neos-Frontman Strolz darf noch ein paar Mal brav seinen Satz von "jedem Kind die Flügel heben“ aufsagen. So viel aus heutiger Sicht - schauen wir einmal …

rudolf.mitloehner@furche.at

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