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Das Wörterbuch der politischen Sprache in Österreich klärt auch diffuse Begriffe wie "Postenschacher".

Die Einführung des Wahlalters 16 erweitert die Allgemeinheit des Wahlrechts um eine durchaus beträchtliche Gruppe. Es ist eine Notwendigkeit, nicht nur aufgeklärter und aufklärerischer Optimismus, durch politische Bildung zu bewirken, dass kluge Rationalität Früchte tragen kann. Die Sprache der Politiker ist nicht nur Sprache der Politiker, Journalisten, sondern auch die des "common man".

Ein Wörterbuch der politischen Sprache in Österreich, von dem Sprachwissenschafter Oswald Panagl und dem Politikwissenschafter Peter Gerlich herausgegeben, dient diesem Zweck als eigenständiges Werk neben anderen Wörterbüchern, z.B. dem Österreichischen Wörterbuch. Das vorliegende Werk mit seinen 520 Seiten ist straff und gut lesbar, es enthält neben Vorwort und Einleitung übersichtliche Verzeichnisse der Literatur, der Autoren und der Abkürzungen sowie ein hochintelligentes Glossar. Personen-, Sach- und Stichwortregister schließen den Band.

Sprache dient der Demokratie, indem sie politische Verständigung ermöglicht und Gewalt bändigt, freilich kann sie, wie die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts gezeigt haben, auch Gewalt auslösen und steigern. Dem vorliegenden Werk liegt ein gleichbleibender Aufbau für jeden Terminus zugrunde: erstens ein linguistischer Vorspann jedes Stichwortes, es folgt dann zweitens der Haupttext. Den Schluss bilden drittens knappe Literaturhinweise.

Selbst ein ambitioniertes Werk wie das vorliegende kann nie frei von gewissen Einwänden bleiben, aber es ist ein wichtiges Unternehmen gegen die "Flachwurzelpolitologie" beiläufiger Interviews und Kommentare. Bei Gesamtbetrachtung ist eine Wien-Dominanz bemerkbar, die auch bei der Gewichtung der Themen Konsequenzen hat und auf diese Weise den leicht links von der Mitte liegenden Hauptstrom der Interpretation der Zweiten Republik intensiviert, also die extreme Rechte auf Kosten der gemäßigten Rechten stärker berücksichtigt. Auch das Schwanken in der Terminologie zwischen "Affäre" und "Skandal" hat seine wertende Wurzel.

Das Gewichtungsproblem zeigt sich etwa darin, dass Franz Kardinal König nur als jemand, der sich für die Freilassung des Kriegsverbrechers Walter Reder eingesetzt hat, vorkommt, wiewohl er doch eine überragende, bis heute fortwirkende Bedeutung für den österreichischen Katholizismus und weit darüber hinaus aufweist, sodass man immer wieder auch von einer Ära König spricht, so wie in dem vorliegenden Buch die Kreisky-Ära lexikalisch erfasst ist. Kreisky wird letztlich durch den Blick auf Wien zur außergewöhnlich glanzvollen Persönlichkeit, nur im Wiener Blickwinkel wird er zum "Sonnenkönig", obwohl er 1967 gerade von Bundesländersozialisten zum Parteivorsitzenden promoviert wurde.

Bei manchen lexikalischen Eintragungen kommt es zur Verdopplung ("Globalisierung", "Globalisierungskritiker"), andererseits wird die Weltwirtschaftsorganisation/WTO nicht in ihren Mechanismen vorgestellt, sondern sofort negativ besetzt bei Globalisierung angeführt. Die jüngste Parteifamilie kommt gleich dreimal vor: "grün", "Die Grünen" und "Grüner".

Es ist zu schmal gedacht, unter dem Stichwort "Präambel" nur die Präambel vor dem Regierungsprogramm 2000 anzuführen, während die in den letzten Jahren angeschwollene aktuelle Präambeldebatte in der EU und im Österreich-Konvent von Ewald Ehtreiber nicht berücksichtigt wird. Andererseits hat derselbe Autor unmittelbar darauf den besonders guten Beitrag "privat" geliefert.

Nun genug der Kritik, es muss auch das Lob seinen Platz finden: Der Mitherausgeber Peter Gerlich behandelt in nüchternen Beiträgen den juristisch-institutionellen Aspekt des politischen Systems Österreichs in professioneller Weise. Sehr gut sind die zwei Beiträge von Emil Brix ("Mitteleuropa", "Zivilgesellschaft").

Rentenklau und Rote Katze

Eine besonders wichtige, erfreuliche und dankenswerte Abrundung des Buches stellen die Beiträge von Oswald Panagl dar. Er erfasst nicht nur lebensweltlich bestimmte politische Ereignisse seiner Generation als "Kriegskind": "Evakuierung", "Heimkehrer", "Rentenklau", "Rote Katze", "Umbruch", "Volksfront", sondern behandelt mit linguistischer Sorgfalt, historischer Erfahrung, ausgewogener Sprachpragmatik und definitorischer Zweckmäßigkeit auch "Politikverdrossenheit", "Transparenz" etc. Panagl gelingt es nicht nur, sozialwissenschaftlich erschlossenes Gebiet straff zu präsentieren, wie etwa das von ihm verfasste Stichwort "Öffentlichkeit" zeigt, sondern er zieht in sein Begriffsnetz präzisierend und klärend diffusere Begriffe wie "Postenschacher" mit ein: "Postenschacher ist ein häufig gebrauchtes Stigmawort des Politjargons. Es dient in der Mediensprache als stehendes Vokabel für die undurchsichtige Besetzung von attraktiven Stellen, bei denen weniger besondere Qualifikationen als politische Machenschaften im Spiel waren. Auch in der Alltagspolemik politischer Parteien wird der jeweiligen Gegenseite immer wieder Postenschacher vorgeworfen."

Alles in allem ein bemerkenswertes Projekt. Dieses Buch empfiehlt sich besonders folgenden Zielgruppen: Schülern, Studenten und allen, die ihre politischen Rechte nützen wollen, Urteils- und Kritikfähigkeit mit Handlungsbereitschaft verbindend, also gerade auch Journalisten und Politikern.

Wörterbuch der politischen Sprache in Österreich

Hg. von Oswald Panagl und Peter Gerlich. Gesamtredaktion: Ewald Ehtreiber

Österreichischer Bundesverlag, Wien 2007. 520 Seiten, geb., € 39,90

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