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Ist guter Stil lehrbar?

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Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. Von Ludwig Reiners. C. H. Beckshe Verlagsbuchhandlung, München. 653 Seiten

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Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. Von Ludwig Reiners. C. H. Beckshe Verlagsbuchhandlung, München. 653 Seiten

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Weder durch jahrelanges Studium der Grammatik noh durch gewissenhafteste Stilübungen wird man Schriftsteller oder gar Dichter. Aber man kann lernen, alles, was man zu sagen hat, einfach und genau, klar und treffend auszudrücken. Diese gute Prosa, die — nah einem Wort G. Lansons — „sih auszudrücken weiß“, ist lehrbar. Freilich weniger durch große Vorbilder und niht durch Nachahmung stilistischer oder poetisher „Schönheiten“, sondern durch Vermeidung von Stilfehlern. Hier gilt uneingeschränkt die Sentenz Wilhelm Bushs: „Das Gute, dieser Satz steht fest,

Ist stete das Böse, das man läßt."

Daher besteht der beste Stilunterriht in dem unermüdlichen Vergleichen von Falsch und Richtig. Freilich darf man sih, auh wenn man alle grammatischen, syntaktischen und stilistischen Fehler zu meiden gelernt hat, niht der Illusion h,ingeben, ein bedeutender Stilist zu sein. Der Verfasser des vorliegenden Werkes läßt darüber keinen Zweifel: „Den richtigen Ausdruck findet, wer die Welt kennt. Die allgemeinen Phrasen entstammen einer Wirklichkeitsverdünnung, einer Blindheit für das Gegenständliche, einem Mangel an Erfahrung, einer Unwissenheit, die durch Unbestimmtheit des Ausdrucks verhüllt werden soll.“

In seinem Buh über Stilkunst hat Reiners ein reiches Material zusammengetragen und vorbildlich verarbeitet. Der Autor gibt zum Beispiel treffliche Ratschläge zur Technik des Satzbaues, begründet ausführlich die Vorrangstellung des Tatwortes, das seit der Inthronisation des „Hauptwortes" durh Gottsched an die zweite Stelle verdrängt wurde, und kämpft gegen das Beiwort, das nur berechtigt ist, wenn es etwas leistet, das heißt, wenn dem Satz etwas Neues beigefügt wird. Als häufigste Sprahkrankheiten behandelt Reinere: Formeldeuteh und Shablonenstil, Modewort und verbrauhte Wortgruppen, Phrase und Plattheit, Schlamperei und Kitsch. In den „18 Regeln des Papierstils“ werden die häufigsten Unarten zusammengefaßt. Doh auh vor dem anderen Extrem: der Wortgeckerei, der Gespreiztheit und der Preziosität, sind Warnungstafeln aufgestellt, denn „guter Stil ist unauffällig wie gute Kleidung“. Witz, Wortspiel und Ironie werden nur kurz behandelt, aber der Verfasser, selbst ein Meister des Stils und in allen sprahlichen Künsten bewandert, gibt davon in seinem eigenen Text viele einprägsame Beispiele. So etwa, wenn er nah einem Zitat aus Wedekind trocken bemerkt: „Dieser Dämon, dessen Sinnlichkeit in papierenen Wogen brandete, war ein Milchtage!.“ Wie genau Reinere seine Materie kennt und wie virtuos er eine bestimmte Manier nachzuahmen versteht, erweist zum Beispiel auch die Analyse der Stilmittel von Thomas Mann (Seite 554 bis 562). — Das Kapitel „Sache — Autor — Leser“ behandelt ein weitschichtiges und sehr subtiles Thema, über das freilich auch mit besonderem Bezug auf die Sachprosa noch manches zu sagen wäre. Die persönliche Neigung und den Geschmack des Autors kennzeichnen die am häufigsten als vorbildlich zitierten Autoren:. Bismarck, Goethe, Lessing, Luther, Nietzsche, Schiller und Schopenhauer.

Reiners ist nicht nur ein Kenner, sondern auch ein eifervoller Liebhaber der deutschen Sprache, der nicht allein die Größe und den Reichtum, sondern auch die Schwächen seines Gegenstandes sieht. In Kanzleien groß geworden, durch Bücher verbreitet, der öffentlichen Rede fast entbehrend, durch das Modewort und fremde Einflüsse mehr bedroht als eine andere, bedarf unsere Muttersprache immer wieder der Reinigung und der Regenerierung. Das vom Verlag musterhaft ausgestattete Werk leistet hiezu einen wesentlichen Beitrag. Prof. Dr. H. A. Fiechtner

Wien in der Volksvertretung von 1848 und

1951. Von Oswald Knauer. Sonderabdruck aus dem Handbuch der Stadt Wien 1952.

Der Verfasser legt ein Verzeichnis der Männer und Frauen vor, die seit 1848 die Stadt Wien im Wechsel der politischen Ge staltungen als Mitglieder des Gemeinderates oder in den gesetzgebenden Körperschaften des Staates oder des Landes vertreten haben. Das Register umfaßt, nach Körperschaften und Wahlperioden geordnet, 2000 Namen, ergänzt durch Angaben über die Funktionsdauer und den Wahlkreis der Gewählten, und bezeichnet die Bürgermeister, Landmarschälle und ihre Stellvertreter Eine eigene Lisle vermerkt die Namen und die Amtsdauer der Magistratsdirektoren, dieser obersten Beamten der Stadt, welche die höchste Verantwortung trugen; unter ihnen waren Meister der Verwaltung. Die Sammelleistung Knauers setzte eine umfangreiche sorgsame Quellenerkundung. voraus. Die Frucht dieses Bemühens wird von jedem mit Dank begrüßt werden, der mit Wiens politischer Geschichte der letzten hundert Jahre befaßt ist und die Lückenhaftigkeit ihrer Biographie erfahren hat. Die Arbeit ruft der Gegenwart die verschollenen Namen so mancher verdienter Menschen und auch solcher ins Gedächtnis, die einst von der Volksgunst hoch emporgetragen wurden. Der arbeitet zumeist um schlechten Lohn, der 6ein Begehren a.uf den Ruhm der Nachwelt 6tellt. — Der vorliegende Sonderdruck 6tammt aus dem Rahmen des neuesten Jahrbuches der Stadt Wien. — Nebenbei bemerkt: Hat es die Gemeinde Wien nötig, eine ernsthafte, im stadtgeschichtlichen Buchwesen wertvolle Publikation zwischen einem Massenaufgebot privater Geschäftsreklamen zu verbauen? Dr. Friedrich Funder

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