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Bauerliche Welt

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Während sich so in der industriellen Arbeitswelt bedeutende Aenderungen vollzogen, blieb auch die Landwirtschaft nicht unberührt. Die Landwirtschaft, die bis vor kurzem auf Handarbeit beruhte, ist fast über Nacht zu einem Maschinenwerk geworden. Der junge Bauer braucht eine technische Ausbildung wie ein Facharbeiter. Maschine, Technik und Versicherung halten ihren Einzug im Dorf. Mit Maschine, Technik und Versicherung aber tritt auch auf dem Land die Erhöhung des Lebensstandards in den Vordergrund. Die Gesinnung, die Religion, die bäuerliche Volkskultur treten in den Hintergrund. Dazu kommt, daß Industrie und Fabriken auf das Land hinaus vordringen. Dadurch ergeben sich in den Dörfern vielfach die gleichen Probleme wie in den -Industrieorten.

In dieser Lage tritt eine Reihe von religiössittlichen Gefahren auf. Der Bauer w;rd manchmal zum bloßen Farmer, der nur an raschen Gewinn denkt und dem die Verkarstung oder Auslaugung des Bodens gleichgültig ist. Er hängt nicht mehr an seinem Haus und Hof und Gut, er verkauft es, wenn es keinen guten Ertrag bringt. Oder der Bauer wird zum Wochenendbauern, der unter der Woche in einer Fabrik tätig ist und nur a;n Wochenende seine Bauernarbeit tut. Und schließlich: Der Bauer wandert ab, in die Industrie, in die Stadt, in den Fremdenverkehr.

Selbstverständlich soll der Bauer den gerechten Preis für seine Erzeugnisse erhalten. Es soll mit modernen Mitteln der Ertrag der Landwirtschaft gesteigert werden. Aber heute geht es um viel mehr. Es geht um die tödliche Gefährdung, in die das Dorf und der ganze Bauernstand kommen, und zwar durch die Umwälzung des bäuerlichen Lebens überhaupt.

Man geht durchaus fehl, wenn man glaubt, dieses Problem einfach durch fachliche Ertüchtigung und Ertragssteigerung lösen zu können. Die Ertragsfähigkeit der Landwirtschaft erreicht aus inneren Gesetzen selten die der Industrie. Man hat mit den gegebenen Faktoren, mit dem Klima und dem Boden zu rechnen. Außerdem mit dem Arbeitsanfall, der 'auch am Sonntag nicht aussetzt. Es scheint also vom Standpunkt des Lebensstandards oft günstiger zu sein, zur Industrie überzugehen. Eben deswegen täuscht man sich, wenn man meint, einfach mit Ertragssteigerung das Problem lösen zu können. Gewiß, Ertragssteigerung ist anzustreben, aber es handelt sich noch viel mehr um ein G e s i n-nungsproblem. Nur wer das Gesinnungsproblem löst, kann die D o r f-k r i s e, in die wir gekommen sind, aufhalten. Hierbei geht es um folgende vier Stücke: Erstens um die sittliche Berufsauffassung des Bauern. Bei der Ausübung eines Berufes handelt es sich nie bloß um ein wirtschaftliches Interesse, es geht immer um mehr: Was wird man durch seine Berufstätigkeit für ein Mensch? Was für einen Charakter bekommt man? Der Beruf wird nur richtig ausgeübt, wenn man durch seine Berufstätigkeit ein besserer Mensch wird. Nun ist dem Bauern als Berufsideal aber dieses gegeben, daß er in besonderer Weise Gottes Hand auf Erden sein darf. Der Bauer sieht unmittelbarer, wie Gott wachsen läßt; er spürt unmittelbarer, wie der* Mensch aus der Hand Gottes lebt; er darf hierbei mitwirken. Denn Gott gibt das Korn, aber er sät nicht, er erntet nicht, der Bauer darf dies tun und so Gottes Tätigkeit weiterführen. Dadurch, durch diese seine Berufstätigkeit, wird der Bauer in eigener Weise Gottes Ebenbild.

Diese echte bäuerliche Berufsgesinnung zeigt zugleich, wie das Bauerntum auch heute mit Gläubigkeit und Religion verbunden ist. Der wirtschaftliche Ertrag ist heute dem äußeren Anschein nach nicht mehr so ausschließlich von Gott abhängig, die innere Entfaltung der sittlichen Berufsauffassung ist es um so mehr. Der Bauer muß religiös bleiben, wenn er Bauer bleiben will.

Hier ist im besonderen der Landarbeiterschaft zu gedenken: Auch sie muß dem Bauern ein echter Sozialpartner sein. Sonst verfällt die Landarbeiterschaft in zunehmendem Maße der Landflucht und verschärft dadurch die Dorfkrise. Es ist also für menschenwürdige Wohnung, für Heiratsmöglichkeit und soziale Sicherheit der Landarbeiter vorzusorgen. Bauerntum und Staat stehen hier vor gemeinsamen Aufgaben, die sittliche Verpflichtung bedeuten.

Zweitens, die Verantwortung der bäuerlichen Führungsgrup-p e n. In dieser Umänderung der bäuerlichen Wirtschaft bedarf es führender Männer, die die notwendigen Weichenstellungen vornehmen, so daß die Entwicklung die richtige Bahn nimmt. Auf diesen führenden Männern liegt eine besondere Verantwortung sittlicher Art. Nach ihren Entscheidungen wird sich das Dorf der Zukunft gestalten. Fehlentscheidungen können für Generationen zerstörende Folgen haben. Die lange Aufschiebung der Kinderunterstützung für die Bauern war ein Unglück. Mögen die führenden Männer des Bauernstandes auf der Höhe ihrer Aufgabe stehen.

Drittens, dem Bauern und den Bauernführern soll das richtige Leitbild vor Augen stehen: Aus dem Bauern soll kein bloßer Farmer werden; der Bauer soll bleiben, aber der zeitgerechte Bauer soll es sein. Der aber hat das Leitwort: Das Neue soll auch dem Ewigen dienen. Soweit es das tut, ist es gut und wird gebraucht, soweit es das verhindert, ist es schlecht und wird dem Bauerntum nicht dienen.

Viertens, die tätige Anteilnahme des Gesamtvolkes. Im Bauernstand gehen diese Veränderungen vor sich, ohne daß sich das Gesamtvolk darum kümmert. Man läßt den Bauernstand allein. Das ist schon einmal mit einem Stand geschehen, mit dem Arbeiterstand. Wie der Arbeiterstand in diese Vereinsamung und in dieses Maschinenwerk kam, verlor er weithin den Glauben. Das soll sich jetzt nicht mit dem Bauernstand wiederholen. Die tätige Anteilnahme und das verstehende Interesse des Gesamtvolkes tun also heute dem Bauernstand not. Dazu sind alle kraft der Nächstenliebe verpflichtet. Der katholischen Männerbewegung fällt dabei eine besondere Aufgabe zu.

Werden diese vier Punkte berücksichtigt, so läßt sich die Dorfkrise überwinden und die Zukunft des Bauernstandes sichern.

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