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Bauer sein, heißt Dienst am Leben!

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Auf der Sechzig-Jahr-Feier des Niederösterreichischen Bauernbundes hielt Kardinal Dr. König eine bedeutsame Ansprache über die Wandlung und die Aufgaben des Bauernstandes in unseren Tagen, die wir nebenstehend im Auszug wiedergeben.

Als vor 60 Jahren der Niederösterreichische Bauernbund gegründet wurde, standen auch viele Geistliche an seiner Wiege, nicht, um sich Einfluß oder Macht zu sichern, sondern, um mitzulbelfen. Gerade sie, die Pfarrer auf dem Lande, sahen ja am deutlichsten damals die wirtschaftliche Verelendung einer ganzen Volksgruppe, sie sahen die materielle, aber auch die geistige Not auf dem Lande. Die Pfarrer sahen aber auch, daß nicht die Einsicht der Mächtigen und Reichen, nicht das Wohlwollen einer Regierung allein, diese Dinge ändern konnten, sondern nur die Selbsthilfe der Bauern, durch eine gemeinsame Organisation. Nur die Einigkeit konnte die Not wenden.

Eigene Not und eigene Sorgen hatten die Bauern zur Einheit verbunden. Sie hatten aber über ihre Sorgen nicht die Sorgen um das Volk und das Vaterland vergessen. Die Bauern halben immer gewußt, daß es nicht nur notwendig ist, über die Zäune des eigenen Hofes hinauszudenken, um mit den Nachbarn gemeinsam zu handeln, sie haben auch immer gewußt und es immer verstanden, üiber die Zäune des Berufstandes selbst hinauszusehen, hinauszudenken und binausziusorgen.

Bauer söin, heißt Dienst am Leben, Dienst am Leben in seinen vielfältigen Formen: Dienst ‘am Leben in der Natur, an der Frucht, die die Erde gibt und die der Bauer erntet, um sie weiterzugeben. Bauer sein, heißt Dienst auch am Leben des Volkes. Aus der Lebenskraft bäuerlicher Familien leben heute noch die Städte. Sie würden bald leer stehen, wenn der Kinderreichtum der bäuerlichen Familien versiegen würde. Bauer sein, heißt Dienst am Leben auch ln der Gemeinschaft, im Staate, Im Vaterland. Ohne die niederöster- reichdschen Bauern wäre dieses Land nicht, was es ist, ohne die nieder- österreichischen Bauern hätten wir die Freiheit nicht gewonnen und die Freiheit nicht bewahrt.

Die Grenzen der „Agrarfabrik"

In den 60 Jahren des Bestandes des Niederösterreichischen Bauernbundes ist unser Vaterland zweimal zugrunde gegangen, zweimal wieder auferstanden. Ohne die hervorragende Mitarbeit niederösterreichischer Bauern und Bauernsöhne hätte es keinen Aufbau, keinen Frieden, keine demokratische Republik gegeben. Das hat euch das Vaterland zu danken! Das danken wir alle euch!

Bauer sein, ist Dien st am Leben. Dienst am Leben aber heißt, Leben bewahren und Leben weitergeben. Dadurch, daß er das Leben bewahrt, ist der Bauer konservativ, dadurch, daß er das Leben weitergibt, ist er progressiv. Erhalten und wedter- geben, bewahren und fortschreiten, konservativ sein und fortschrittlich sein, das beißt, Bauer sein, gerade in unseren Tagen.

In den 60 Jahren, die seit der Gründung des Niederösterreichischen Bauernbundes vergangen sind, hat sich nicht nur die äußere Welt verändert, in diesen 60 Jahren hat sich auch in der Stellung der Bauern und der Landwirtschaft dm Gesamtent- wicklunigsprozeß der Welt ein entscheidender Wandel vollzogen, so durch die fortschreitende Technisierung und Automatisierung im landwirtschaftlichen Betrieb.

Aber der Bauer, und gerade der fortschrittliche Bauer, erkennt auch die Grenzen der Mechanisierung. Wias immer die Maschine dem Menschen als Arbeit abnehmen kann, das soll sie tun. Auch mit der Technik und in der Technik erfüllt der Mensch das göttliche Kulturgesetz „Macht euch die Erde untertan!“. Aber auch die Technik kann das andere göttliche Arbeitsgesetz nicht auiheben: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“ Wer weiß das besser, als der Bauer!

die Bauern heute nur eine Minderheit sind, und vor allem auch den Verantwortlichen im Land zuzurufen: Vergeßt nicht bei aller wirtschaftlichen Betrachtung der Landwirtschaft, daß der Bauer ¡nicht nur ein ökonomisches, sondern in erster Linie ein menschliches Problem ist! Laßt den Bauern nicht allein in seinen Nöten und Sorgen! Höher als Produktionsindex, Kontingente und

Subventionen, höher als alle materiellen Werte in der Landwirtschaft, stehen die wirtschaftlich nicht meßbaren Werte, die sittlichen und religiösen Werte!

Die Schaffung und Sicherung des bäuerlichen Familienbetriebes als Existenzgrundlage eines Bauerntums, das sehr wesentlich mithdlft, jene nicht materiell erfaßbaren Werte zu erhalten, an denen das ganze Gemeinwesen und das gesamte Volk in höchstem Maße interessiert sind, erfordert auch Opfer, Opfer nicht nur vom Bauern selbst. Der Bauer bringt diese Opfer reichlich!

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