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Chesterton, Haecker, Kierkegaard

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VERTEIDIGUNG DES UNSINNS UND ANDERER MISSACHTETER DINGE. Von K. G. Chesterton. Mit einer Verteidigung des Verteidigers von Peter Schifferl i. Aus dem Englischen. 2. Auflage. Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau. 175 Seiten. Preis 9.15 sfr.

Um die Jahrhundertwende erschien das kleine Buch, und man spürt es ihm auch an. Es ist nicht alles lesenswert geblieben, und öfter bekommt man es hier mit einem Mann zu tun, der sich offenbar verpflichtet fühlt, etwas allzuoft und um jeden geistreich sein zu müssen und Humor zu haben'»der was er eben dafür hält. Er rudert dann mit seinen Sätzen auf dem Papier herum, kreuz und quer und ins Kuriose hinaus, und die Verteidigung des Unsinns wird hin und wieder auch zum Unsinn der Verteidigung. Es herrscht ein apologetischer Furor, der keine rechte Gemütlichkeit aufkommen läßt, und es sind zu viele Drücker im Spiel. Die Dil ion hat etwas Aufgeblubbertes, und manchmal geht ein wildes Gestikulieren an. Die Lektüre kann sehr amüsant sein, aber dann fängt der Mann an, mit seinen Paradoxien zu manipulieren, und das ist dann meistens sehr ermüdend. Einst war das „le dernier cri“, aber heute eben nicht mehr, und ich ziehe es, offen gestanden, vor, die blitzgescheiten und sauber geschriebenen Feuilletons von Sigismund von Radecki zu lesen. Womit ich nicht gesagt haben will, daß nicht dieses und jenes der kleinen Kapitel frisch geblieben ist, etwa die „Verteidigung des Schundromans“ oder die „Verteidigung der einfachen Volkssprache“. Es ist aber so, daß die Engländer in Sachen Schundroman eine andere Auffassung haben dürften als wir und daß es beispielsweise in Oesterreich oder in der Schweiz, ziemlich überflüssig ist, die Volkssprache verteidigen zu müssen, was in England eben nicht der Fall zu sein scheint. Die Verteidigung des Verteidigers bringt manches, was man zwar schon wußte, aber inzwischen vergessen hat, denn Chesterton ist immerhin 1936 gestorben, und sein parodistisches Talent ist leider schon etwas von gestern. Besonders dekorative Blumen haben die Neigung, rascher zu verblühen als andere . . . Bert Herzog

THEODOR HAECKER: TAG- UND NACHT- BÜCHER (1939 bis 1945). Kösel-Verlag, München.

THEODOR HAECKER: FSSAtS. Kösel-Verlag, München. 634 Seiten.

Achtzehn Essays, zwischen 1917 und 1944 entstanden, findet sich zu einer Einheit zusammen: Der Eros des sauberen Denkens hat sie entstehen lassen, und diesen Eros strahlen sie aus. Die meisten sind den Lesern Haeckers bekannt und seit Jahren lieb geworden. Der Meister der Sprache und klaren Formulierung spricht über die Sprache ebenso wie über das Wunder und über die Werke anderer Autoren — immer mit der Leidenschaft zum christlichen Denken: Alles steht in Beziehung zu Christus, zu Offenbarung und Theologie-

Schriftsteller und solche, die es werden wollen, abef auch Denker, die klar denken lernen wollen, müssen diese Essays gelesen haben: Wir müssen immer wieder „versuchen“, die Wahrheit rundheraus zu formulieren — durch „Unterscheidungen", nicht durch „Simplifikationen“- (wie Haecker selbst sagt). Dafür sind diese „Versuche“ Vorbilder.

In dritter Auflage sind auch die „Tag- und Nachtbücher“ neu erschienen. Zu diesen aufregenden Gedanken aus schweren Jahren kann man nur sagen, daß das für Haecker nicht stimmt, was er, unter dem 4. Oktober 1940 schrieb: „Es ist nicht selten, daß Philosophen, wenn sie ihr Hauptwerk geschrieben haben, nur noch ihre eigenen Schüler sind.“

SÖREN KIERKEGAARD: ABSCHLIESSENDE UNWISSENSCHAFTLICHE NACHSCHRIFT ZU DEN PHILOSOPHISCHEN BRÜCKEN. II. Teil. Uebersetzt von Hans Martin J u n g h a n s. Diederichs-Verlag, Düsseldorf. XI und 419 Seiten. Preis 23 DM.

„Die Subjektivität ist die Wahrheit“ war das Resultat des ersten Teils der „Nachschrift“. Diese

Subjektivität des Aesthetischen wird nun auf die des Religiösen gewendet. Der religiöse Mensch, der zugleich so existiert und auch über seine Existenz nachzudenken befähigt ist, erhellt sich und hält sich am „Leiden“ und an der „Schuld“. In beiden kann er nicht sich selbst entfliehen, und nur objektive Betrachtungen und Spekulationen nützen nichts; der Religiöse ist selbst in Leid und Schuld verstrickt und wird denkend sein eigener Denkgegenstand. Dieses Werk aus der Mitte der Entwicklung Kierkegaards gruppiert die drei Existenzsphären des Aesthetischen, Ethischen und Religiösen — die Grundlage aller künftigen Werke des Meisters, die in der Neuzeit zu einem neuen Verständnis des Menschen und vor allem des religiösen Menschen führte.

PLOTIN. Auswahl und Einleitung von Richard Harder. Fischer-Bücherei, Nr. 203. 173 Seiten. Preis 1.90 DM.

Philosophische Systeme sind Anschauungsformen vom Denker her, der in das Lebendige Ordnung bringen will. Denkbewegungen, die zu Systemen führen, sind abhängig vom psychischen, charakterlichen Typ des Denkers sowie von der „Soziologie des Denkens". Man kann sich sein System nicht wählen, man wird von ihm gewählt. Man wird nicht Aristoteliker, sondern man ist es immer schon, bevor man zu philosophieren begann. So ist es mit allen Systemformen, T

die wir in der Geschichte der Philosophie vorfinden, wie immer man diese Systeme — sie ihrerseits ordnend — benennen mag.

Plotin gehört zu den Mystikern. Der griechische Logos ist nicht nur Ratio-Wort, sondern auch Mythos-Wort und darüber hinaus auch Mysterion- Wort. Plotin lehrt und belehrt als Mystiker. Erkenntnis endet bei ihm nicht in der intelligibeln Welt, sondern in der Unio mystica: Schau und Leben, Sinn und Sinnmächtigkeit fallen zusammen. Solche Geistphilosophie bleibt Philosophie und ist doch vom religiösen Ursprung wie vom religiösen Ziele nicht zu trennen. In Plotin steht das griechische Denken zwischen abendländischer und morgenlandischer Denkform. Wer hier nachdenkt (in lesendem Mifdenken), kann berührt werden von der Gnosis, die das Ganze und Eine meint — kann eine Ahnung davon bekommen, was ein (zwar niemals erreichbares) philosophisches Allsystem sein könnte ...

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