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Die Wahrheit hat viele Gesichter

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DIE AGGRESSOREN. Von Ladislav Mnacko. Von der Schuld und Unschuld der Schwachen. Nach dem slowakischen Manuskript übersetzt von Erich Bertleff. Verlag Fritz Molden, Wien-München. 272 Seiten, Leinen. DM 19.80/S 124. — .

Es stebt zu befürchten, daß der Kommunist Mnacko mit den an ihm gerühmten Eigenschaften politischer Anständigkeit und rechtlichen Denkens dem Westen nur deshalb sympathisch ist, weil er durch seine journalistische Tätigkeit und sein Verhalten der angestammten Ideologie scheinbar geschadet hat. Scheinbar, denn auf die Dauer können Anständigkeit und Rechtlichkeit gar nicht schaden. Wenn daher Mnacko 1968 von derselben Tschechoslowakei wieder eingeholt wird, die ihn 1967 ausgebürgert hat, dann könnte das auch als Beweis für die Möglichkeit der Selbstreinigung und Toleranz des Kommunismus angesehen, also zu dessen Nutzen ausgelegt werden. Aber vielleicht geht man am wenigsten fehl, wenn man darin nur das alte „panta rbei” erblickt.

Was Sartre von der Revolution sagt, deren Begriff mit jeder neuen Revolution seine Bedeutung ändere, das gilt eben auch für den Kapitalismus wie für den Kommunismus. Dieser ist daher nicht nur in jedem Land, sondern auch in jedem Jahr ein anderer. Kein Wunder also, daß sich auch die Kritik am Kommunismus ändert. So hätte man noch vor wenigen Jahren die Bezeichnung „sozialistisch” für in Wahrheit kommunistisch regierte Länder nur unter Anführungszeichen lesen mögen. Inzwischen hat man sich geübt, zwischen politischen Vokabeln und politischer Wirklichkeit zu unterscheiden wie zwischen der . schönen blauen Donau” und dem so genannten Fluß. Wenn jedoch Mnacko auf Seite 204 seines Buches die Entstalinisderung als etwas hinstellen möchte, „das in der Geschichte völlig unbekannt und alleindastehend ist”, denn: „nie hat irgendein System, das an der Macht war, eingestanden, daß es auf falschen Fundamenten steht, daß es unerlaubte Taten zuläßt, Schweinereien, Verbrechen, daß es auf den Weg der Grausaipkeiit, der Anti- humanität abgeglitten ist, daß es sich bewußt ist, daß so ein Weg zum Untergang führt” …, wenn er uns also sagen will, daß es Sich bei diesem „Versuch der kommunistischen Parteien und Regime, die antimarxistischen, antiwissenschaftlichein, antigesellschaftlichen Ablagerungen des Stalinismus zu beseitigen” um ein Insidhgehen, wie bei einem menschlichen Wesen, handelt, dann sind wir leider nicht imstande, so reine Töne im garstigen Lied der Politik mitzuhören, so froh wir auch sind, zu vernehmen, daß die Augen des kommuni stischen Tieres nun nicht mehr größer sind als sein Bauch.

Doch zum konkreten Inhalt zurück: Die Aggressoren. Das ist ironisch gemeint, wenn man es auf Israel und Nordvietnam beziehen will, gar nicht ironisch aber, wenn man die USA oder Ägypten darunter versteht. Über Israel stimmt man hier zu Lande ohnedies gewöhnlich mit dem Autor überein, dessen Prestige und Überredungskunst wohl imstande sein könnten, unsere diesbezügliche Ansicht, betreffend Nord- vietnam, zu beeinflussen, wenn nicht zu verändern. Übrigens ist der Westen, ja Amerika selbst, in diesem Punkt nicht mehr nur einer Meinung. Doch geht es hier vor allem um die Haltung der Tschechoslowakei, die vom Verfasser eines offiziellen und von der Führung der kommunistischen Partei genährten Antisemitismus bezichtigt wird. Denn nur auf diese Weise vermag er sich und uns zu erklären, weshalb dieses Land, das vor 20 Jahren nicht wenig zur Erhaltung des neu gegründeten Staates Israel beitrug, diesen heute gegen besseres Wissen als Aggressor bezeichnet und damit beweist, daß es ihm feindlich gesinnt ist. Das kommt davon, wenn man die Politik einer Satellitenregierung ernst nimmt.

Es ist ein lesenswertes Buch für jeden, auch wenn der Verfasser zugibt, er sei voreingenommen und tendenziös. Er sagt dennoch, das spürt man, auf jeder Seite die Wahrheit Die hat eben verschiedene Gesichter.

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