Fairness gegenüber den Künstlern

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die furche: Haben Sie sich schon einmal Musik aus dem Internet via Napster heruntergeladen?

Andy baum: Noch nicht. Wenn ich im Radio, in einem Lokal im Netz oder bei Freunden Musik höre, die mir wirklich gut gefällt, dann möchte ich mir die CD kaufen und sie mir nicht aus dem Netz herunterladen oder brennen lassen. Damit stehe ich sicher nicht allein. Ich glaube, das Bedürfnis, das Ding auch greifbar und vorzeigbar zu Hause zu haben, wird nicht so schnell verschwinden.

Es kann durchaus Einzelschicksale geben, die das Herunterladen von MP3-Files aus dem Internet finanziell trifft, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass zum Beispiel die Existenzgrundlage von Metallica, die besonders laut schreien, in Gefahr ist.

die furche: Von einem Vorstandsmitglied der Verwertungsgesellschaft für Autoren, Komponisten und Musiker (AKM) würde man eigentlich eine andere Antwort erwarten - nämlich eine rigorose Ablehnung.

baum: Natürlich mache ich in mir einen Spagat: Aus meiner rebellischen Sicht finde ich das super und mehr als legitim. Aus meiner nach Gerechtigkeit suchenden Sicht nicht.

Als Kreativer finde ich es auf der einen Seite toll, dass es ein Medium gibt, das sehr autonom nutzbar ist. Ein ganzer Haufen der tradierten Verbreitungswege funktionieren nicht mehr oder nur mit viel höherem Zeitaufwand. Im Internet hingegen kann man sofort präsent sein, da sehe ich eine Riesenchance für Musiker.

Auf der anderen Seite kann ich den Ärger und den Unmut jener Leute verstehen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dass sie Musik produzieren, vervielfältigen und verkaufen.

die furche: Viele österreichische Künstler teilen offenbar diesen Ärger. Von DJ Ötzi bis zu den Wiener Philharmonikern befinden sich 103 österreichische Unterschriften unter einer Petition an das Europaparlament, in der eine Stärkung des Copyrights gefordert wurde. Sie haben diese Petition nicht unterzeichnet.

baum: Ich habe einen anderen Brief an Brüssel unterzeichnet, wo ich meiner Sorge Ausdruck verliehen habe, dass das Urheberrecht Gefahr läuft, wieder ein Stück geschwächt zu werden.

Für jeden, der ein Produkt zu Verkaufszwecken hergestellt hat, für alle Beteiligten innerhalb dieser Kette - die Kreativen, die Financiers - sollte gewährleistet sein, dass mit diesem Produkt nicht widerrechtlich umgegangen wird. Auch im Internet sollte die Nutzung nach gewissen Regeln erfolgen.

In mir gibt es aber nichts, was lauthals nach einem starren Regulativ schreit. Die anarchisch-autonome Dynamik des Netzes muss für alle nutzbar sein, es müssen nur Mittel gefunden werden, dass diese Nutzung auch innerhalb eines fairen Rahmens erfolgt.

die furche: Entspricht ein Abonnement-Modell, wie es nun Napster und Bertelsmann vorschwebt - Urheberrechte werden pauschal aus der monatlichen Nutzungsgebühr abgegolten - dieser Idee eines fairen Rahmens?

baum: Wenn Größenordnung und Relation stimmen, dann ist das ein gangbarer Weg. Aber ich habe kein Verständnis dafür, dass man im Namen der Künstler Geld macht und dann die, deren Betroffenheit man vorschiebt, keinen Groschen davon sehen.

die furche: Kann ein Künstler eigentlich vom Erlös aus seinen Urheberrechten leben?

baum: Ich glaube, dass unterschätzt wird, wieviel Geld das Urheberrecht bewegt. Nicht umsonst spricht man von Copyright Industries. Merchandising, Konzerte und Plattenverkauf machen natürlich ein großes Eck des Kuchens aus. Aber Michael Jackson hat die Verlagssrechte an den Beatles nicht deshalb gekauft, weil er sie gerne bei sich hat, sondern weil er damit wahnsinnig viel Kohle macht. Jedesmal, wenn das irgendwo gespielt wird oder irgendwoüber den Ladentisch geht, laufen die Prozente. Ich glaube, dass in Summe das Urheberrecht aus der direkten Nutzung weitaus mehr Geld bringt als der Verkauf.

Das Gespräch führte Michael Kraßnitzer bevor das Gerichtsurteil gegen Napsterbekannt wurde.

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