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„Gebt uns Brot…

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DER HUNGER IN DER WELT. Solidarität oder Klassenkampf zwischen den Völkern. Von Werner Pank. Herder-Bücherei, Band 38. 198 Seiten

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DER HUNGER IN DER WELT. Solidarität oder Klassenkampf zwischen den Völkern. Von Werner Pank. Herder-Bücherei, Band 38. 198 Seiten

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Nahrungsmittelbedarf und Nahrungsmittelproduktion fallen — in weltweitem Umfang gemessen — auseinander. Scheinbar, wenn man die Diskussionen um die Probleme in der EWG verfolgt, geht es in der Welt nicht mehr um die Fragen der Bewältigung des Ueberflusses. Das gilt aber nur für die reifen Volkswirtschaften, während selbst jene Länder, die heute den europäischen Markt mit Textilien überschwemmen, bei sich daheim mit den elementarsten Mangelerscheinungen zu kämpfen haben und Dumping oft nur als eine Flucht nach vorn betrachten. Die Mehrheit der Menschen auf unserer Welt ist jedenfalls mit dem Problem des Hungerns und des Verhungerns befaßt. Aus verschiedenen Gründen.

BevölJtfKHngs nflachf. weit die Rate des Zuwachses der Nahrungsmittelproduktion und auch der Gewinnung von neuem Wohnraum übersteigt.

Das vorliegende Buch, eine ungewöhnlich dichte und mit Zahlenmaterial gesättigte Darstellung, befaßt sich nun mit der Frage einer „Geographie des Hungers“ und mit den unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten, die sich darbieten.

Die Räume, in denen die Menschen hungern, sind im Wesen die Welt der Farbigen. Wohl sinkt die Sterblichkeitsrate unter den farbigen Völkern, aber nicht weil die Menschen sich nunmehr sattessen können, sondern weil eben die Medizin und die Aufklärung neue Chancen zur Verlängerung der durchschnittlichen Lebenswahrscheinlichkeiten bieten. Von sich aus kann jedenfalls der Farbige nicht viel dazutun, um durch gesteigerte Produktion die erheblich mehr ansteigende Bevölkerung zu vermehren (in Ceylon allein sank die Sterblichkeitsrate in kurzer Frist von 22 auf 12). Man kann also leichter Medikamente liefern als Nahrungsmittel.

Sicher sinken die Geburtsraten ab, aber die Zahl derer, die am Leben bleibt, wächst dafür. Auch dann, wenn etwa im Sinn des Malthus Maßnahmen durchgesetzt werden, welche die Geburtenhäufigkeit reduzieren helfen sollen. Wie in Indien das Verbot der Kinderheirat. Noch immer aber gibt es in Indien die Groteske, daß 66.000 Witwer und 134.000 Witwen im Alter von 5 bis 14 Jahren stehen.

Der Westen tut vieles, um den Hunger in den unterentwickelten Ländern zur ausnahmsweisen Erscheinung zu machen. Die Tatsache, daß noch immer so etwas wie eine Korrelation zwischen Hautfarbe und Armut (S. 111) als Folge der merkantilistischen kolonialen Ausbeutung besteht, kann weder durch fremde, also westliche Hilfe in jenem Maß beseitigt werden, in dem die Bevölkerungszahlen wachsen, wie es auch nicht möglich ist, die Farbigen aus der Verklammerung in Lebens- und vor allem in Produktionsformen zu lösen, die eine geringe Produktionsrate geradezu fixieren.

Weithin ist das Problem des Mangels ein solches unzureichender Agrarproduktion. Dazu kommt die Verteilung des landwirtschaftlichen Bodens, der immer noch in einem, der Produktion abträglichen Umfang in den Händen Weniger ist. Die vegetarische Lebensweise beispielsweise in Indien trägt dazu bei, die Versorgung, die nur auf wenige Produkte, die aufgenommen werden, konzentriert ist, zu behindern.

Die Industrialisierung wiederum läßt ein Proletariat entstehen, das von seinen neuen Herren oft mehr als ehedem von den Weißen ausgebeutet wird. Der stammhafte Zusammenhalt ist gelockert. Die Menschen strömen, angesichts der neuen Freiheiten, die ihnen in Fabrik und Stadt geboten werden, aus den Dörfern., Eine Verringerung der arbeitsfähigen Kräfte in der Landwirtschaft ist die Folge. Der Autor scheut sich nicht, darauf hinzuweisen, daß unter anderem eine „Entschärfung des Bevölkerungsproblems auf eine sittlich einwandfreie Weise“ (S. 160) notwendig ist, freilich ohne zu sagen, wie diese „Weise“ angesichts des Bildungsstandes der Farbigen aussieht.

Angemessene Regulierung des Bevölkerungsstandes und Erhöhung der Je-Kopf-Versorgung der Menschen in den Hungergebieten sind jedenfalls die einzige Chance, des Hungers in absehbarer Zeit Herr zu werden.

Mit dem Buch und der Darbietung von Material in einer imponierenden Fülle wird die Soziale Frage als eine weltweite gesehen und aus der Sicht auf die Binnenprobleme und aus der Sorge nur um den Nachbarn herausgelöst. Den Christen aber ist wieder eine globale Aufgabe gestellt. Neben der Missionierung: nicht allein zu verkünden, sondern auch Brot zu geben. Den Hungernden also das „Brot des Leibes und das Brot des Geistes, Gerechtigkeit und Frieden“ zu bieten.

Im Anhang legt der Verfasser eine Reihe von Tabellen vor, die ungemein fesselnde Einblicke in das Versorgungsgefälle der Welt bieten. Den Abschluß bildet eine umfassende Bibliographie.

Ein grundlegendes Büch, das Theologen, Sozialwissenschafter, Geographen, aber auch alle, die in Sorge um den Mitmenschen sind, lesen sollen.

Prof. Dr. Anton Burghardt

SULTAN IN OMAN. Von James Morris. Aus dem Englischen übertragen von Peter Stadel- mayer. Süddeutscher Verlag, München. 183 Seiten, 16 Photos und 2 Landkarten. Preis 9.80 DM.

Als der Sultan von Maskat und Oman um die Jahreswende 1955 56 nach der Vertreibung des aufständischen Imams Ghalib bin Ali seinen Herrschaftsbereich bereiste, wurde er von dem damaligen Nahostkorrespondenten der Londoner „Times“, J. Morris, begleitet. Der vorliegende Reisebericht enthält nicht nur interessante Einzelheiten über Land und Leute der „leeren Ecke“ im Südosten der arabischen Halbinsel, sondern Morris schildert zugleich auch mit einer für einen „beteiligten“ Engländer erstaunlichen Offenheit den im Hintergrund des Aufstandes ausgetragenen Konkurrenzkampf der britischen und der amerikanischen Oelgesellschaften. Gerade die Betonung der wirtschaftspolitischen Probleme des Sultanats gibt diesem Buch eine besondere, über einen bloßen Reisebericht hinausliegende Aktualität.

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