6741788-1966_44_06.jpg
Digital In Arbeit

Hochfinanz und Diplomatie

Werbung
Werbung
Werbung

„Die Welt starrt hypnotisiert auf den Indochinakrieg und vergißt, daß im Nahen Osten an einer Nahtstelle der Einflußsphäre der Weltmächte Zonen existieren, in denen jederzeit ein Ausbruch den Frieden ernstlich gefährden kann“. Einer der besten Pariser Kenner der internationalen Politik stellte kürzlich in) kleinsten Kreise diese Diagnostik auf. Als am Samstag, dem 15. Oktober, die mächtigste Bankgruppe des Nahen Ostens, die Intra-Bank, ihre Zahlungsunfähigkeit bekanntgeben mußte, strich ein eisiger Hauch durch Redaktionszimmer, beunruhigte Generaldirektoren von gewaltigen Finanzinstituten, und störte den Schlaf einflußreicher Börsenmakler.

Gleichzeitig stieg ein fürchterliches Gespenst auf, der Zusammenbruch der Wiener Kreditanstalt hatte die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre eingeleitet und die Vernichtung des bürgerlichen Europas von Versailles vorbereitet. Handelt es sich also bei dem Krach der Intra- Bank nur um einen geschäftlichen Vorgang, zerbrach ein zu schnell aufgebautes Finanzimperium, das durch den genialen Dynamismus einer Persönlichkeit diese unwahrscheinlich schnelle Ausdehnung erlangen konnte? Zeichnen sich eher die Konturen großer politischer wirtschaftlichen Krisen ab, welche die westliche Schäre bedrohen?

entgegensetzte, ja sogar als erster arabischer Politiker einen Ausgleich mit Israel predigte. Die Spannungen zwischen Ägypten und Tunesien stiegen kürzlich in den Abbruch der diplomatischen Beziehungen der beiden Staaten zu einem dramatischen Höhepunkt auf, In den letzten Monaten fanden jedoch die Gegner Nassers in der Gestalt des schweigsamen und willensstarken König Faisal von Saudi-Arabien einen ebenso fähigen, wie zähen Führer. König Faisal gilt als einer der geduldigsten Politiker der arabischen Welt und mit den Künsten feinster orientalischer Diplomatie vertraut. Im Kampf um die Vorherrschaft der Araber drängte er Nasser in sehr unbequeme Positionen. Ägypten hat sich im Bürgerkrieg des Jemens außergewöhnlich gebunden und mußte politische und militärische Schlappen verschiedenster Natur hinnehmen.

König Faisal von Saudi-Arabien unterstützt von den sogenannten „Ölscheichs“ und dem flnanzgewal- tigen Oberhauptes des Emirates von Kuwait sucht eine Liga der konservativen arabischen Staaten zu schaffen, die unter seiner geistigen Führung als orthodoxen Mohammedaner Marokko, Jordanien, Kuwait und die Gebiete der Ölscheichs umfaßt.

Da» Gleichgewicht in Bewegung

Zwischen den nasserischen Exnan- sionswünsohen und den konservativen Forderungen Faisals steht das unruhige Syrien, wo die Baas-Partei ein stark links gerichtetes Regime mit kommunistischen Tendenzen errichtet , einmal mit Nasser alliiert, dann wieder gegen den Herrn des Nilreichs auftretend, aber am stärksten chinesischen Einflüssen ausgesetzt. Syrien schwankt ununterbrochen von einer innenpolitischen Krise zur anderen. Um diesen Schwierigkeiten auszuweichen und sie teilweise zu überdecken, wurde der bequeme Weg außenpolitischer Abenteuer beschritten. Die Terroristengruppe Fath verstärkte den Druck auf die Grenzen Israels. Falls Syrien nicht in der letzten Minute dieses gefährliche Spiel beendet, ist mit dem Ausbruch eines Krieges zwischen Israel und Syrien zu rechnen. Damit droht jedoch das ganze Gleichgewicht im Nahen Osten in Bewegung zu geraten.

Der kleine Staat Libanon versuchte sich in den letzten Jahren in eine Art Schweiz zu verwandeln, wünschte unabhängig zu bleiben und schuf aus der Hauptstadt Beirut ein Zentrum des internationalen Geldverkehrs, das beinahe der Rolle von Genf und Zürich gleichkam. Durch die Kreditbeschränkungen in der Schweiz 1965 wurde der Platz von Beirut zu einem der wichtigsten Finanzzentren der Welt. Die libanesischen Banken schienen sehr wohlfundiert, schützten augenfällig das Bankgeheimnis, und die Empfänger der riesigen Gewinne aus der Ölproduktion verwendeten die absolut liberale Gesetzgebung im Libanon, um über diesien Weg zu lukrativen Anlagen in der westlichen Welt zu gelangen. Allerdings vermochte der Libanon dem politischen Druck Ägyptens und Syriens nur ungenügend auszuweichen. Fast die gesamte libanesische Landwirtschaft befindet sich in der Hand von Syriern. Die zahlreichen Palästina-Flüchtlinge schaffen ein besonderes innenpolitisches, sehr delikates Problem. Der Druck Syriens auf den Libanon nahm in den letzten Wochen deutlich zu. Geheime Emissäre des Königs von Saudi-Arabien warnten die verantwortlichen Minister des Libanons von einer zu einseitigen Orientierung. Die Presse des Libanons ist mit der von Kairo vielfach verflochten und übernahm zahlreiche Thesen der nasserischen Außenpolitik, aber auch die Partei Baas wurdte entsprechend unterstützt

Die Geschichte der Bank

Die Emire der ölkönigtümer hatten ihre Gelder größtenteils in '‘der Intra-Bank deponiert, die als erste Bank des Libanons weitverzweigte Verbindungen in Frankreich, der Bundesrepublik, der Schweiz und den angelsächsischen Ländern unterhielt und ein Netz von Zweigstellen im Nahen Osten gegründet hatte.

Der Schöpfer dieses Bankimperiums nennt sich Youssuf Beidas, von einem russischen Vater und einer arabischen Mutter abstammend, Katholik, wurde er 1912 in Jerusalem geboren und kam nach dem israelisch-arabischen Krieg 1948 als Flüchtling ohne einen Groschen nach Beirut. Er hatte sehr jung das Bankgeschäft in einer englischen Bank gelernt und vor dem jüdisch- arabischen Konflikt die sogenannte „arabische Bank“ zu besonderer Blüte gebracht. In einem Zimmer- chen in Beirut richtete er eine Wechselstube ein, die er „International Traders“ nannte. Die früheren Verbindungen der arabischen Bank gestatteten es Beidas, sehr schnell beachtliche Anfangskapitalien zu sammeln. Im Jahre 1953 gründete er die Intra-Bank, die sicfh darauf spezialisierte, die Gelder der Ölscheichs zu verwalten. So gewann er gewaltige Summen, die in die hunderte

Millionen US-Dollar gingen. Damit begann er einen Aufstieg, der in der modernen Finanzgeschichte nur Gegenstücke in der fiebrigen Epoche der Inflation nach dem ersten Weltkrieg aufzuweisen hat. Zweigbanken wurden in Genf, Frankfurt, Rom, Paris, London, New York gegründet.

Die Intra-Bank erwarb Anteile an libanesischen Großhotels und kontrollierte nach einem einzigen Telefonanruf die Fluggesellschaft MEA (Middle East Airlines), die 1963 aus einer Fusion mit der Air Liban entstanden war. 30 Prozent der neuen Gesellschaft blieben jedoch in der Hand der staatlichen französischen Fluggesellschaft Air Franoe, und Beidas wurde somit ein geachteter Geschäftspartner der französischen Regierung. Die Intra-Bank begann auch gewaltige Immobilienspekula tionen. Schweizerische Bankkreise wiesen darauf hin, daß dieses libanesische Institut zu schnell kurzfristige Depots in langfristige Verpflichtungen umwandelte, aber selbst scharfe Kritiker erkannten keine zu ungesunde Entwicklung.

Beidas hatte sich inzwischen ln Syrien erbitterte persönliche Gegner geschaffen, da er Gelder syrischer Kapitalisten aufnahm, die vor der sozialistischen Regierung nach dem Libanon flüchteten. Der Herr der Intra-Bank wurde mit 46 Jahren ein ungekrönter König der internationalen Finanzwelt. Er konnte es sich erlauben, in einer Nacht im Casino von Deauville 650.000 NFrs. ohne Wimperzucken zu verlieren. Mitte dieses Jahres belief sich der Geschäftsumfang der Intra-Bank auf die Traumsumme von 1300 Millionen US-Dollar! In Frankreich hatte sich Beidas vieles vorgenommen: Er wollte die Prachtstraße Champs Elysėes, den Stolz von Paris, in die Hand bekommen. Neben der Redaktion der angesehenen Zeitung „Le Figaro“ wurde ein riesiges Bürohaus geplant, halb Bankpalast, halb Einkaufszentrum, mit Kino, Schwimmbad, Konferenzsälen, also eine Stadt in der Stadt. Weiter hatte die Intra-Bank fast 80 Prozent der französischen Schiffswerft „La Cio- tat“ erworben und über Paris starke Beteiligungen in der belgischen Industrie untergebracht.

fügten einen weiteren persönlichen Akzent hinzu, um den Rückzug der Depotgelder so schnell und brutal durchzuführen.

Von diesen politischen Aspekten abgesehen, spielen auch wirtschaftliche Erwägungen eine gewisse Rolle. Die Banken in New York zahlen derzeit für mittelfristige und langfristige Depotgelder höhere Zinssätze, als die Intra-Bank in der Lage war, zu gewähren.

Die Zahlungsunfähigkeit der Intra-Bank verstärkt das sichtliche Unlustgefühl der internationalen Finanzmärkte und erzeugt ein psychologisch ungünstiges, ja gefährliches Klima. Die Hälfte des Geschäftsvolumens der libanesischen Bank liefen über Paris, und so wird dieser Krach beachtliche, noch nicht abzuschätzende Rückwirkungen in

Frankreich zeigen. Das Pariser Zweiginstitut scheint genügend abgesichert zu sein, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Die französische Bankkontrolle hat jedenfalls die Pariser Intra-Bank bis auf weiteres gesperrt und Spezialbeamte der Wirtschaftspol izei untersuchen zur Zeit die Geschäftsgebaren. Für die verschiedenen Zweigstellen in Europa soll das Amt eines

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung