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Drei Berufe, drei verschiedene Tätigkeiten: Eine Publizistin, eine Künstlerin und ein Winzer diskutieren über ihre Arbeitsweise und die Zukunft der Arbeit. Das Gespräch führten Regine Bogensberger und Oliver Tanzer * Fotos: Roman Fuhrich

Die Arbeit: Pflicht oder Leidenschaft, Hobby oder Sinn? Darüber diskutieren die Publizistin Karin Kneissl, die Strickdesignerin Veronika Persché und der Winzer Richard Zahel in dessen Heurigem im 23. Bezirk in Wien. So unterschiedlich die jeweilige Tätigkeit, so ähnlich ist ihre Ausgangssituation: Sie sind alle selbstständig und sozusagen frei von Chefs und strikter Arbeitszeit. Aber wie frei sind sie wirklich?

Die Furche: Arbeiten Sie in Ihrem Traumberuf oder ist es eher eine Lebensabschnittstätigkeit?

Karin Kneissl: Traumberuf würde ich nicht sagen. Ich habe aber das Gefühl, in den letzten Jahren eine Berufung gefunden zu haben. Es ist für mich keine reine Erwerbstätigkeit: Ich unterrichte, schreibe, analysiere. Das Wort Traum scheint mir fehl am Platz. Ob es ein Lebensabschnitt ist oder mehr, kann ich heute nicht sagen.

Veronika Persché: Traumberuf: So würde ich das auch nicht formulieren, es ist aber auf jeden Fall das, was mir am meisten Spaß macht. Ich kann mir vorstellen, dass ich das bis ins hohe Alter weitermache. Das ist echt mein Ding, das habe ich gemerkt, als ich versucht habe, etwas anderes zu studieren. Da habe ich nicht einmal für das Studium die Kraft gehabt. Aber Textildesign - das mache ich ganz automatisch.

Richard Zahel: Ein Traum kann bald zum Albtraum werden. Es hat jeder Beruf Vor- und Nachteile. Das Spannende an meinem Job ist, dass er sich ständig ändert. Man muss einfach offen sein, dann ändert sich jeder Beruf und zeigt neue Seiten.

Die Furche: Ist die Arbeit auch manchmal Qual und Pflicht oder Ihre Leidenschaft?

Zahel: Wir arbeiten mit der Natur, manchmal haben wir großen Druck. Natürlich ist eine Leidenschaft dabei, aber es ist auch Druck. Ein Druck gehört zu jedem Beruf. Ob du Straßenkehrer bist im Herbst oder Politiker im Wahljahr - man muss zufrieden sein, nicht immer gleich so negativ denken, wenn mehr Arbeit ist oder etwas danebengeht.

Die Furche: Der Straßenkehrer arbeitet im Schichtdienst acht Stunden am Tag. Für den trifft vermutlich der klassische Begriff "Arbeit" zu, für Sie ist es wohl mehr, Ihr Leben?

Zahel: Ja, ich lebe meine Arbeit. Mit der Stechuhr kann man als Selbstständiger nicht herumlaufen.

Die Furche: Sie, Frau Kneissl, hatten einmal eine Tätigkeit im Büro, Sie hatten also einen 9-bis-17-Uhr-Job, den Sie aufgegeben haben. Fühlten Sie sich eingesperrt?

Kneissl: Ich bin aus dem diplomatischen Dienst aus vielen Gründen ausgeschieden. Einer war sicher, dass ich mich eingesperrt gefühlt habe, besonders bei Sitzungen im Frühherbst, wenn man wusste, dass die Sonne nicht mehr lange scheint. Ich bereue es heute nicht, in die völlige Selbstständigkeit gegangen zu sein. Dazwischen waren einmal harte Jahre. Und sie haben seit Oktober letzten Jahres wieder angefangen. Es ist manchmal ein Strampeln und Luftholen. Das Problem ist aber nicht die Arbeit als solche, sondern diese an Land zu ziehen und teilweise den Honoraren hinterherzulaufen. Das ist eher arbeitsaufwändig.

Die Furche: Haben Sie so etwas wie einen Arbeitsrhythmus?

Kneissl: Ich habe versucht, mit einer gewissen Portion Disziplin einen Arbeitsrhythmus festzulegen. Ich habe gelernt, diese Disziplin zu dosieren und nicht zu streng mit mir selbst zu sein. Montag ist Montag und ich fange zwischen acht und neun zu arbeiten an. Als ich noch viel im Tagesjournalismus gearbeitet habe, waren Mittagspausen oft nicht möglich. Beim Festlegen der Arbeitszeit orientiere ich mich nach der Jahreszeit. Glücklicherweise komme ich durch das Unterrichten wieder mehr unter Menschen, das ist mir streckenweise abgegangen. Daher mein Mitgefühl mit all den Übersetzern und Autoren, die viel alleine arbeiten.

Die Furche: Ein Reglement ersetzte das andere …

Kneissl: Ja, ein freiwilliges, ohne das geht es nicht.

Die Furche: Denken Sie, Frau Persché, am Sonntag Abend: So, morgen ist Arbeit?

Persché: Obwohl ich selbstständig bin und mal längere, mal kürzere Pausen machen kann, ist es mir wichtig, einen Rhythmus zu haben. Ich tue mir phasenweise schwer damit, abzuschalten. Es gibt Stresszeiten, die orientieren sich witzigerweise auch nach Jahreszeiten. Ich arbeite viel mit Modedesignern zusammen und die meisten verwenden Strick für die Winterkollektion. Die wird immer ein Jahr vorausgemacht.

Die Furche: Arbeiten Sie alleine?

Persché: Ja, großteils. Mein Atelier ist in meiner Wohnung, was ziemlich übel für eine gute Work-Life-Balance ist. In Stresszeiten kann es sein, dass ich so in der Arbeit drinnen bin, dass ich um halb 6 aufwache und an die Arbeit denke. Da möchte ich dann sofort ins Atelier gehen und zu arbeiten anfangen, was ich aber meistens nicht mache, denn die Maschinen machen Lärm und ich wohne nicht allein.

Die Furche: Urlaub vom Weinberg ist kaum möglich. Ist das ein Problem?

Zahel: Ich bin nicht so urlaubsgierig. Ich habe einen Riesenvorteil, muss ich sagen: Das ist die Befriedigung bei der Ernte. Du arbeitest neun Monate und am Ende des Jahres kannst du die Ernte einfahren; du siehst das Produkt, und wenn das was Gescheites wird, ist das unheimlich befriedigend. Früher war der Winter die ruhige Zeit - das ist vorbei. Es gibt die Internationalisierung, im Winter ist man viel unterwegs. Aber ich hätte sowieso nicht die Muße, mich 14 Tage in die Sonne zu legen. Auch finanziell wäre es nicht leicht: Als Selbstständiger hast du keine Rücklagen. Es gibt die Bank, von der oder mit der man lebt.

Kneissl: Vor vier Jahren ging es mir gesundheitlich ziemlich schlecht. Da habe ich mir gewünscht, ich möchte so viel auf der Bank haben, dass ich ein Monat krank sein und trotzdem Miete und Sozialversicherung zahlen kann. Oder dass ich nicht jede Woche einen Auftrag an Land ziehen muss.

Die Furche: Der Winzer hat ja wenigstens noch sein Gut, das er der Bank als Sicherheit geben kann.

Zahel: Ich habe Angestellte, die am 15. des Monats ihren Lohn haben wollen. Ich bin klassischer Unternehmer, ich lebe immer das volle Risiko.

Die Furche: Können Sie abschalten?

Zahel: Es muss Zeit zum Schmähführen sein, dabei schalte ich ein bisschen ab.

Die Furche: Zeit für Hobbys?

Zahel: Ich habe keine Nerven für Hobbys. Es gibt Möglichkeiten, dass ich mir untertags Freizeit verschaffe, das reicht mir dann wieder, damit ich am Wochenende durcharbeite. Meine Kinder spielen eine wichtige Rolle. Für die möchte ich auch da sein und als Papa eine Rolle spielen. Es wird eh die Zeit kommen, wo ich ihnen lästig bin. Meine Frau spielt auch eine wichtige Rolle in der Firma. Wir sprechen uns ab, wer bei den Kindern ist. Das ist eine schwierige Sache, aber es funktioniert.

Persché: Ich habe eigentlich mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich investiere viel Zeit ins Netzwerken. Ich versuche auch jede Reise mit Gesprächen zu verbinden. Das mache ich gerne, es ist wie ein Hobby. Nur in der Werkstatt stehen, kann sehr inspirierend sein, da kommen mir Gedanken und Ideen. Aber irgendwann kommt der Punkt, da muss ich raus.

Die Furche: Gab es je den Fall, dass Ihnen Ideen ausgingen?

Persché: Bis jetzt Gott sei Dank nicht. Ich arbeite viel mit Künstlern zusammen und bekomme von außen viele Inputs. Um diese Tätigkeit bis zur Pension durchzuhalten, muss ich auf eines schauen: auf meinen Körper.

Kneissl: Apropos Abschalten. Ich bin aus vielen Gründen aufs Land gegangen. Ich bin in einem kleinen Dorf gelandet, mittlerweile bin ich dort im Gemeinderat und im Dorferneuerungsverein. Es sind so unterschiedliche Terrains, in denen ich lebe und arbeite. Ich unterrichte an der Webster University, eine amerikanische Universität in Wien. Man kommt auf den Campus in Kaisermühlen und fühlt sich wie in Missouri. Ich möchte zwar um nichts in der Welt im Mittleren Westen der USA leben, aber das US-amerikanische Arbeitsmilieu ist sehr angenehm, anders als an der Uni Wien. Dort ist es so: Wenn man ein bisschen in Funk und Fernsehen ist, kommt gleich der Futterneid.

Die Furche: Sie schätzen also mehr die angloamerikanische Arbeitswelt?

Kneissl: Ja, weil es wird gewürdigt und geschätzt, wenn man erfolgreich ist. Das habe ich an der Uni Wien, wo ich einige Jahre unterrichtet habe, anders wahrgenommen.

Zahel: Das mit dem Futterneid ist in Österreich ein spezielles Problem. Weil die Menschen aus kleinen Verhältnissen kommen und klein denken. Daher mein Rat etwa an meinen Neffen: Geh raus, schau die Welt an.

Die Furche: Vielleicht ist der Neid noch größer, wenn es um eine Frau geht ...

Kneissl: Ja, leider, ich habe diese Stutenbissigkeit erlebt. Ich halte auch nichts von Frauen-Netzwerken, die sich wechselseitig fördern wollen. Ich habe mir das angeschaut und eher das Gegenteil erfahren.

Persché: Ich arbeite meistens mit Frauen zusammen. In der Modebranche sind fast nur Frauen, fast alle selbstständig. Wir haben aber eher andere Probleme: das Thema Work-Life-Balance oder wie man Aufträge aquiriert.

Die Furche: Am Freitag ist der Tag der Arbeit: Glauben Sie, dass angesichts der Krise Arbeit wieder an Wert gewinnen und stärker umkämpft wird?

Kneissl: Ich fürchte, dass wir im dritten und vierten Quartal Massenentlassungen sehen werden. Ich würde nicht ausschließen, dass wir neuerlich einem Kapitel in unserer Gesellschaft entgegengehen, wo wir soziale Revolten und einen Kampf um Arbeit erleben. Im Akademikermilieu haben wir etwa die Situation, dass sich zahlreiche überqualifizierte Leute für einen Sekretariatsposten bewerben. Die meisten Praktika sind unbezahlt. Es wird zu einer sozialen Frage, ob man sich ein Praktikum leisten kann. Es findet eine unglaubliche Polarisierung statt, die Arbeitsmöglichkeiten einschränkt. Die Frage ist, was wird das für Konsequenzen haben, welchen Parteien wird man hinterherlaufen? Die Akademikerarbeitslosigkeit in Algerien in den 80er Jahren war 70 Prozent. Das war mit ein Grund für den Islamistenumschwung. Es ist immer der Mittelstand, der politisch etwas bewegt.

Persché: Ich bin auch deshalb selbstständig geworden, weil ich keinen Posten bekommen habe. Ich wollte eigentlich in einer Firma arbeiten. Nur war es damals schon so, dass die Textilindustrie in Österreich am Boden lag. Ich bin jetzt froh, wie es ist, aber mir ist kein anderer Weg übriggeblieben. Ich mache mir auch Sorgen um den sozialen Frieden. In Frankreich gibt es schon Werktumulte, da ist die Vermögensverteilung noch ungerechter als bei uns.

Die Furche: Spüren Sie die Krise schon in der Modebranche?

Persché: Ich persönlich nicht. Meine Produkte sind sehr hochpreisig, diese Käuferschaft gibt es offenbar noch.

Zahel: Ich sehe das ganz anders: Vielleicht, weil ich ein einfacherer Mensch bin und manche Zusammenhänge nicht sehe. Ich denke, die Krise ist teilweise herbeigeredet und für manche Firmen auch ein guter Moment, Leute loszuwerden. Die privaten Haushalte haben noch Geld, wir sehen es in unserem Betrieb, wir haben noch keine Rückläufe. Dass die Jugend keine Arbeit hat, ist auch selbstgemacht. Ich kann mich erinnern, wie es geheißen hat, wir haben zu wenige Akademiker. In der Zwischenzeit ist es so: Wenn man einen Handwerker braucht, findet man keinen. Wir suchen ständig Leute, sowohl im Weinbau als auch für den Heurigen. Es finden sich aber keine Leute.

Die Furche: Wie wird sich Arbeit entwickeln? Werden wir weniger haben, wird es eine bessere Balance zwischen Arbeit und Freizeit geben, wovon schon lange die Rede ist?

Kneissl: Wir alle drei sind aus dem Dienstleistungssektor. Das Leben würde ohne unsere Dienste weitergehen. Das ist anders in der Industrie, in der Produktion. Auch in der Gesundheitsversorgung.

Zahel: Wir haben auch einen Produktionsbetrieb …

Kneissl: Es wäre etwas anderes, wenn Sie Weizenbauer wären. Ich sehe die unmittelbare Zukunft sehr skeptisch. Ich könnte mir vorstellen, dass bestimmte Bereiche der Lebensmittelproduktion in ein paar Jahren nicht mehr so reibungslos funktionieren wie heute. Es könnte der landwirtschaftliche Bereich à la longue wieder mehr an Bedeutung gewinnen. Die Frage der Verschiebung von Prioritäten wird sich in den nächsten Jahren stellen. Es kann sich rasch drehen. Und dann kann beispielsweise das, was ich heute mache, völlig irrelevant sein, wer interessiert sich dann für Nahostanalysen?

Die Furche: Sie stellen sich die Sinnfrage?

Kneissl: Ich finde sehr viel Sinnerfüllung im Unterricht. Ich habe mir die Sinnfrage gestellt, als ich noch Diplomatin war.

Die Furche: Haben Sie sich, Herr Zahel und Frau Persché, je die Sinnfrage gestellt?

Zahel: Fressen und Saufen, entschuldigen Sie, werden die Leute immer. Und je schlechter die Zeiten, umso gefragter ist ein Ausgleich. Irgendwo muss man den Frust ja loswerden. Der Zilk hat einmal gesagt: Seien wir froh, dass wir die Heurigen haben, sonst bräuchten wir mehr Irrenhäuser.

Persché: Ich habe den Sinn für mich nicht angezweifelt. Ich produziere auch, ich stehe vor der Maschine und produziere was Greifbares. In Krisenzeiten könnte ich umsatteln und Pullover für die frierende Bevölkerung machen. Außer, es geht mit der Klimaerwärmung so weiter und Pulloverfabrikanten sterben aus.

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