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Liebe ist Gesundheit

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DAS UNBEWUSSTE LEBEN. Von P.udolf von Urban. Amadeus-Verlar, Wien. 384 Selten. Ganslelnen. Preis 14.S0 DM.

„Wir erringen die Wahrheit nicht allein mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen.“ Weil wir es uns angewöhnt haben, von Altersweisheit wenig, vom Optimisten gar nichts zu halten, lesen wir nach dem vorangestellten Pascalschen Motto eher mißtrauisch in dem Buche des 1879 in Wien geborenen und daselbst jung zu Ruhm gelangten Arztes weiter. Bald aber zieht es uns immer mehr in seinen Bann und wir werden anderer Meinung: Ein Außerordentlicher muß dieser Autor sein, eine Persönlichkeit, in der Seelenstärke und forschender Geist beisammenwohnen. Was er mit seinem Buche bezweckt, sagt er in seinem Vorwort: „Einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Lebens in allen seinen Phasen von der anorganischen Materie bis zur Persönlichkeit des Menschen geben und klarmachen, daß wir dabei ebenso viele ungelöste Rätsel finden wie bei der Untersuchung der Mysterien paranormaler Phänomene oder in dem für uns unfaßbaren Wesen des Schöpfers.“ Seinen persönlichen Beobachtungen und Gedanken über Phänomene wie Telepathie, Hellsehen und Spiritismus widmet er einen Abschnitt und berichtet in einem weiteren über seltsame Ereignisse aus seinem Leben, um am Schluß von ihm selbst gestellte Fragen zu beantworten: Wie kann man Gott finden? Was erwartet uns nach dem Tode?

Der Optimismus dieses Buches ist keineswegs ein billiger. Er beruht auf einer außerordentlichen Anlage des Autors, der, sich als Teil des Universums fühlend, mit seinem Körper im Einklang lebt, ihn in sein Seelisches mit einbezieht. Man glaubt es ihm, daß er, der Erdbeben und das eigene Schicksal vorausfühlt, über das Somatische nicht hinwegzusteigen braucht, um zu sich

selbst zu kommen. Solche Lehrer und nur solche könnten uns durch ihr Beispiel veranlassen, uns um jene Änderung unseres aggressiven Charakters zu bemühen, ohne welche wir, nach Jaspers, dem Untergang geweiht sind.

Einige Sätze aus dem Buch mögen seine positive Grundstimmung fühlen lassen: Liebe ist Gesundheit, Haß Siechtum! — Nur Selbstlosigkeit hat heilende Kraft. — Eine Person, die bewußt an sich arbeitet, sitzt fest im Sattel. — Objektives Denken ist eine Quelle von Kraft und oft der einzige Weg, einen Neurotiker zu heilen. — Das menschliche Denkvermögen ist individuell, und ein Individuum kann von den andern Individuen durch sein Denkvermögen unterschieden werden.

Wer unsere hohe Einschätzung des beschriebenen Grundgefühls, das der Autor in seinem Buche uns mitteilt, nicht teilen kann, wird dennoch von der Fülle der Ideen und Probleme, denen er darin begegnet, angesprochen werden. So werden die Lehren “vörTTfeud, Adler und Jung~behan-delt, die Unterschiede von Hysterie, Neurose und Neurasthenie, und hundert andere. Nicht immer läßt man sich widerspruchslos belehren und ist dann und wann mit der Erklärung eines Phänomens nicht einverstanden. Warum zum Beispiel die Massensuggestion, welche zwanzig tanzende Derwische verursachen, auf Gehirnstörunigen zurückgeführt werden, begreift man nicht, da einem die weniger mystische Erklärung genügen würde, die Massen seien vom bloßen Zusehen, also allein durch das Medium ihrer Augen, zum Mitschwingen ihrer Körper angeregt worden. Wenn der Autor aber gar sein fünfjähriges Töchterchen durch einen, in trefflichen Worten gesetzten, metaphorischen Gottesbeweis für immer von der Existenz Gottes überzeugt zu haben glaubt, staunt man über so viel Naivität eines so intuitiven und aufgeschlossenen Geistes. An ein anderes vom Verfasser genanntes Mittel, Gott in uns zu finden, können wir dagegen glauben: Den Körper zu voller Entspannung zu bringen. Der schönste Weg, sagt er uns, dies zu erreichen, sei die Liebe. Um ganz zu verstehen, wie das gemeint ist, wird man das Buch lesen müssen und wollen.

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