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Schwimmen gegen den Strom

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Wo immer in vergangenen Epochen Frauen eine bedeutende Rolle spielten, taten sie es meist hinter den Kulissen, und sie haben mit dem Mann, nicht gegen ihn gewirkt. Zudem erweist die Geschichte, daß sie in chaotischen Zeiten — unbewußt und bewußt — ihre Aufgabe in der Wiederherstellung des Maßes, der Ordnung, einer neuen Mitte begriffen, an der sich dann auch der Mann wieder gültig zu orientieren vermochte. Kein Wunder also, daß in unserer aus den Fugen geratenen Welt sich Stimmen au allen Lagern mehren, die über weibliches Sein und Wesen sinnieren und die Frau auf ihre Verantwortung in der Zeit, auf ihre rettende Mission hinweisen.

Einen solchen Versuch macht E. R. Maexie in dem uns vorliegenden Buch. Sie geht bei ihren Bemühungen, die weibliche Wesensart und Berufung zu ergründen, vom biblischen Schöpfungsbericht aus, der die Frau eindeutig al Gehilfin des Mannes zeigt und sie in seine „Gewalt und Herrschaft“ stellt. Von diesem jüdischchristlichen Blickpunkt aus kritisiert die Autorin an der emanzipierten Frau die Abwendung von ihrer gottgewollten Rolle, eine Abwendung, die das Verhältnis zwischen den Geschlechtern in Unordnung brachte und die Mißstände unserer heutigen Existenz entscheidend mityerursaehte. Ja, Maexie mißt dieser Entgleisung der Frau die gleiche negative Bedeutung zu wie den vermessenen Eingriffen des sich autonom gebärdenden Mannes in das Naturgeschehen. Inzwischen nun, mit der Entwicklung der Atombombe, stellt Maxie fest, sei die Technik der menschlichen Kontrolle entschlüpft, das „post-modeme Zeitalter“ hatte begonnen, und wir stünden vor der Entscheidung: „One World or none“, Einigung oder Vernichtung. Es gilt in dieser Situation, verlorengegangene geistige und menschliche Werte wieder herzustellen und die dem Menschen gesetzten Grenzen zu achten, um die Menschheit vor Untergang und Selbstaufgabe zu bewahren. „Metanoia“ sei notwendig, ein radikaler Gesinnungswechsel des Einzelnen.

Hier nun zeichnet sich die große Aufgabe der Frau in unserer Zeit ab. Sie „muß

versuchen, dem Mann zu helfen, ,der Wirklichkeit ins Auge zu sehen', damit er etwas unternehmen kann, solange der Geist der Automation noch nicht jene totalitäre Tyrannei ausübt, auf welche er zurückstrebt als die anonyme Macht, die alle menschliche Freiheit und alle politischen Systeme überwuchert...“ — „Aber selbst in diesem kritischen Augenblick“, fährt Maexie fort, „muß die Frau die bloße Gehilfin des Mannes bleiben.“ Immer wieder kommt sie darauf zurück, daß Eva einzig und allein „um des Mannes willen gemacht wurde“, und daß ihre Berufung war, „dem Mann instrumental zu sein... instrumental im Fall wie im Erlösungswerk“. Denn auch das gehört, in Befolgung des großen Vorbildes Mariens, der zweiten Eva, zur Aufgabe der Frau: des Mannes „Führerin in Gott zu sein: das Ewig-Weibliche, das ihn hinanzieht...“

Solche Feststellungen klingen unbequem, ja absurd, in den Ohren des modernen Menschen, auch vieler Christen, die sich, dieser alten jüdisch-christlichen Auffassung über die Rolle der Frau gar nicht mehr bewußt sind oder sie als überholt ablehnen. Aber auch wenn man die Emanzipation als widernatürliche Entwicklungsphase ansieht und die Hingebung als ureigenste weibliche Haltung bejaht, wenn-man sich also auf den Boden von Maexies Voraussetzungen stellt, wird man doch viele ihrer Folgerungen nicht vorbehalt-lo anerkennen. So die strikte Ablehnung jeder Geburtenkontrolle, auch der von der Kirche erlaubten, die die Autorin als „Untreue“, „Traditionsbruch“, „Trick zur Vereitelung des natürlichen Ablaufes“ brandmarkt. Auch die Eindämmung der Kindersterblichkeit ist für Maexie ein fragwürdiger Erfolg, und die schmerzlose Geburt bezeichnet sie als „Emanzipation vom göttlichen Gesetz“, womit sie sich wieder päpstlicher als der Papst gebärdet.

Wenn die Autorin solche Angriffe immerhin mit biblischen Zitaten stützen kann, erscheint ihr Einwand gegen technische Erleichterungen der Hausarbeit nun wirklich in keiner Weise stichhaltig. Einmal steht durchaus nicht fest, daß die geringeren „praktischen Bemühungen“ die Frau „in widernatürlicher Weise egoistisch machen“ und es zwangsläufig mit sich bringen, daß sie sich bei solcher praktischen Entlastung auch geistig weniger um ihre Familie sorgen wird, was Maexie behauptet. Eher ist das Gegenteil anzunehmen! Nicht jede Mutter verbringt die durch technische Hilfe gewonnene Zeit vor dem Fernsehschirm oder im Kino — ich kenne viele, die sie ihren Männern und Kindern widmen, oder sonst etwas Sinnvolles unternehmen. Schließlich muß man bei dem hier angeführten Beispiel doch auch die veränderten Zeitumstände berücksichtigen. Dort, wo eine Frau früher selbstverständlich Hilfe im Haus und in der Kinderstube hatte, muß sie jetzt alles allein bewältigen. Und das geht nicht ohne die „Heinzelmännchen der Technik“, die Maexie so beunruhigen.

Unsere Beispiele zeigen, daß die Autorin, angesichts der Vergötzung des modernen Fortschrittes in breiten Kreisen, sich dazu hinreißen läßt, auch die positiven Errungenschaften der Technik abzulehnen. Trotzdem, auch da, wo sie den Leser zum Widerspruch reizt, sollte man ihre Argumente bedenken. Wesentlich ist vor allem ihre treffende Zeitkritik, die besonders der westlichen Form des Materialismus gilt, deren Gefahren wir so gern übersehen. Das Beste, was man über das Buch sagen kann: Es fordert zur Stellungnahme heraus und kann, wenn wir uns ihm stellen, zu jenem notwendigen Gesinnungswandel beitragen, ohne den die Menschheit im Zeitalter der Atombombe verloren ist.

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