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Johnsons „Große Gesellschaft“

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In seinem diesjährigen Bericht über den Zustand der Union umriß Präsident Lyndon B. Johnson seine Vorstellung einer „Großen Gesellschaft“. Während der nächsten Wochen wird der Präsident, in detaillierten Vorschlägen, an den Kongreß das Bild dieser Gesellschaft klar herausarbeiten. Aus dem einleitenden Bericht geht hervor, daß Mr. Johnson das Ideal einer Gesellschaft vorschwebt, die so gerecht ist, wie auf dieser unvollkommenen Welt möglich.

Er selbst beschreibt das folgendermaßen:

„Wir streben die Einheit des Menschen mit der Welt an, die er aufgebaut hat; mit dem Wissen, das ihn retten oder zerstören kann; mit den Städten, die ihn anfeuern oder ersticken können; mit dem Wohlstand und den Maschinen, die sein geistiges Leben bereichern oder bedrohen können. Wir versuchen, die Harmonie zwischen dem Menschen und der Gesellschaft, die es jedem von uns ermöglicht, die Bedeutung seines Lebens zu erhöhen, und uns allen die Qualität unserer Zivilisation zu verbessern, herzustellen.“

Diese Ausdrücke mögen banal klingen. Das darf uns aber nicht zu dem Glauben verführen, dies Programm sei nichts anderes als Stimmenfängerei. In seiner texanisch-rustikalen Art ist Präsident Johnson ein Philosoph, der die Schwächen unserer Gesellschaft erkennt und sich bemüht, sie zu verbessern. Schon 1958 hatte er, als Senator, in einem Artikel in einer texanischen Zeitschrift die ersten Hinweise auf diese Philosophie gegeben. Übrigens knüpft er an die Konzeption von Graham Wallis an, die dieser, vor rund 50 Jahren, unter dem Titel „The great society“ veröffentlichte.

Von seiner Wiederwahl überzeugt, begann der Präsident im Juli des vorigen Jahres mit dem Entwurf der notwendigen Pläne. Er setzte Studiengruppen für die verschiedenen Gebiete ein und ordnete an, sie sollten, ohne Bücksicht auf Kosten und politische Erwägungen, das empfehlen, was, ihrer Meinung nach, in der Periode zwischen 1965 und 2000 getan werden müsse. Diese Terminsetzung beweist, daß es nicht um kleine Verbesserungen, sondern um einen Umbau geht.

Selbst nach sorgfältiger Siebung und Kondensierung der Empfehlungen der verschiedenen Gruppen

kamen diese noch immer auf 1200 Druckseiten. Die Kosten wurden mit 300 Milliarden Dollar veranschlagt, wogegen sich der Präsident bemüht, sein Gesamtbudget auf 100 Milliarden zu beschränken. An eine völlige Durchführung dieser Vorschläge ist daher nicht zu denken.

In den Aufgabenbereich der „Großen Gesellschaft“ fallen: ein erweitertes und verbessertes Erziehungssystem (man darf dies als einen Eckpfeiler der Gesellschaft betrachten), ein weitreichender Gesundheitsschutz, eine größere Anstrengung, um gelernte Arbeiter aus ungelernten zu machen, sowie bessere Arbeitslosenfürsorge, die Förderung der wirtschaftlich rückständigen Regionen, die Verschönerung der Städte, wie überhaupt die Wiederherstellung der arg beeinträchtigten Schönheit des Landes, worin auch der Kampf gegen die Verunreinigung der Luft und des Wassers inbegriffen ist, und schließlich die Beseitigung der rassischen Ungleichheit.

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