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Technik des Hörspiels

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Die Lösung der Probleme, die durch den Einbruch der Technik in die künstlerische Arbeit entstanden, sind noch lange nicht abgeschlossen — ja es scheint, als ob sie eben erst und ständig verzögert und immer wieder neu begonnen worden sind. Diese Verzögerungen entstehen durch den rasanten technischen Fortschritt, der die Probleme, kaum daß man begonnen hat, sie zu lösen, erweitert und vertieft. Photographie und Film haben uns das deutlich gezeigt.

Eine ähnliche Entwicklung ist beim Rundfunk zu beobachten. Mit dem Ausbau eines Rundfunknetzes, das ein ständiges Programm notwendig machte, erkannte man, daß das Hörspiel anderen Gesetzen gehorcht; es ist neben der künstlerischen Reportage und dem Funkbrettl der einzige über das Kunsthandwerk der ausgewogenen Programmgestaltung, der Rundfunkbearbeitungen und der Zusammenstellungen wertvoller Sendungen aus vorhandenen Kunstwerken hinausgehende Ansatzpunkt eigenkünstlerischer Arbeit Die Entdeckung dieser Eigengesetze freilich hat erst begonnen. Auch hier steht die Kommerzialisierung hemmend im Wege, die wenig Experimente erlaubt und damit auch den Mut zum Experiment — und damit zum Mißerfolg — nicht aufkommen läßt und vielzuviel Bedacht auf die geneigte Zustimmung des zahlenden Hörere legt.

Wo steht nun das Hörspiel heute? Welche Ansätze sind da, welche Wege sollen gegangen werden? Das Hörspiel folgt im Rahmen der darstellenden (theatralischen) Kunst — ebenso wie der Film — epischen Gesetzen. Das heißt; im dramatischen Ablauf setzt die Handlung mit einer fertigen Situation ein, die so geartet ist, daß sie sich durch entsprechende Ereignisse zu einem Konflikt steigern kann; die Weiterführung zur Katastrophe oder zur Lösung vollzieht sich in einzelnen wenigen Handlungsstationen (meist Akte genannt) und erfolgt schlagartig. Im epischen Ablauf, der mehrere, ja viele Handlungsstationen gestattet, wird das Entstehen der oben erwähnten Situationen eingeschlossen und die Weiterführung auf viele Einzelmomente (Bilder, Filmszenen) aufgeteilt, erfolgt kontinuierlicher, weniger abrupt, variabler, ohne dadurch Spannung zu verlieren. Die rasch wechselnde Vielfältigkeit der Filmbilder und -einstellun- gen wie der akustisch im Rundfunk präzisierten ergibt schon rein äußerlich die epische Linie, ja zwingt dazu, will man die gegebenen Möglichkeiten ausnützen. Und so, wie man bald von der Verfilmung von Theaterstücken zu der von Romanen übergegangen war, erweist sich auch die Rundfunkbearbeitung von Romanen (Novellen, Erzählungen usw.) als zwar schwieriger, aber richtiger als die von Stücken, es sei denn, man benützt solche, die stark epischen Charakter haben (wie in den Bestrebungen de6 epischen Theaters, etwa bei Saroyan).

Die Rundfunkbearbeitung bestehender Werke ist freilich nur eine Notlösung, und ės dürfte auf allen Seiten die Schuld liegen, daß es nur sehr wenige brauchbare, rundfunkeigene Hörspiele gibt und aus Programmnot immer wieder auf Bearbeitungen zurückgegriffen werden muß. Doch auch hier wird bei der Auswahl der einzurichtenden Stücke viel zu sehr auf Bühnenerfolge gesehen. Oft auch werden überhaupt für den Rundfunk wenig geeignete Stücke herangezogen. Es ist eben die Hörspielgesetzlichkeit noch nicht klar erprobt — um so eher wäre es nötig, andere Wege als die der Bühnendramaturgie zu gehen, um auf den richtigen Weg zu kommen.

Dabei seien die eminent künstlerischen Aufgaben des Rundfunks nicht übersehen. Das akustische Hör„bild“ hat nie die Möglichkeit, die Natürlichkeit, den Naturalismus oder Verismus des Filmbildes zu erreichen. Es kann aber einen Grad der Intimität, der Irrealität, der Hintergründigkeit erzielen, der der Bühne und heute auch noch dem Film immöglich ist. Damit aber kann dem noch immer herumgeisternden, vordergründigen und simplifizierenden Naturalismus begegnet und die gesamte Theaterkunst befruchtet werden. Diese Möglichkeiten sind noch kaum erkannt und nicht annähernd ausgeschöpft. Damit hängt auch das Problem der Geräuschkulisse im Hörspiel zusammen; durch Türenklappern, Schritte, Nah- und Femeinstellungen und raffinierte Geräuschimitationen wird eine Theaterillusion gegeben, die im Rundfunk zwar oft notwendig ist und, richtig eingesetzt, sehr plastisch und anschaulich wirkt, aber erweitert werden muß. Der Film beginnt, die künstlerische Tiefenwirkung von Kleinigkeiten (Pfützen, Ruinen, Zäune, kleine Gegenstände und vieles andere) zu benützen; in dieser Richtung müßten auch die Geräusche eingesetzt werden, daß sie eine über die naturalistische Gegenständlichkeit hinausgehende Bedeutung bekommen — mehr, daß die Bedeutung aufgedeckt wird, die sie a priori haben. Damit wird der Weg in die Irrealität geöffnet und eine Richtung zum Transzendentalen eingeschlagen, in der sich ein großer Teil der modernen Kunst bewegt und iri der der Rundfunk Bedeutendes leisten könnte.

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