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Zwei Dichter, zwei Charaktere
Was haben Franz Richter und Oskar Pausch als Dichter gemein und was trennt sie? Ihre von Gerhard Winkler in der Literaturedition Niederösterreich hervorragend betreuten Bücher sind fast gleichzeitig in St. Pölten erschienen. Beide Autoren bringen recht unterschiedliche Weltbilder ein: für den einen weitgehend von der Chemie bestimmt, der Mathematik auch und der Physik, für den anderen vom Umgang mit der älteren deutschen Literatur, vor allem aber von einem Geschichtsbewußtsein, das tief in der Volksseele wurzelt. Beide sind um eine diesen ihren Wissens- und Erfahrungsgebieten gemäße poetische Aussage bemüht.
Während aber der Naturwissenschaftler Franz Richter die Realitäten, welche die Welt bewegen, gewissermaßen durch ein Elektronenmikroskop sieht und beim Leser ein hohes Maß auch an fachlicher Rildung voraussetzt, verlangt Dozent Pausch profunde Kenntnisse der jeweils lokalen Geschichte, da es doch gilt, einem geistreichen und humorvollen „Spiel mit Ruchstaben, Eigennamen und Kulturbegriffen” zu folgen, in welchem es vorwiegend um das sich in den Ruchstaben AEIOU manifestierende Symbol Österreichs geht. Neben einer exzellenten Reobachtungs-gabe verraten die Texte auch die Neigung und Fähigkeit ihres Verfassers zur Karikatur.
Franz Richters Dichtung steht letztlich im Zeichen des Gegensatzes von Wissenschaft und Kunst, man könnte auch sagen, von Wissen und Glauben. Das äußert sich denn auch in seiner bisweilen herben, von großem Ernst getragenen Sprache, die nicht selten als Klage aufgefaßt werden muß, über die Sinnlosigkeit des Lebens zum Reispiel, wenn etwa von einem „Absturz durch die Zeit” die Rede ist und es nichts gebe, woran man sich anklammern könnte, ja, daß die Ewigkeit eigentlich den Menschen verschweige, daß überdies die Welt, infolge ständiger Iteration, ein Gefüge von Fraktalen sei und „heilige Quantenzahlen/die Götter ins Leere” entrückten.
So führt dieses Sprachkunstwerk hin zu der existentiell und auch essentiell wichtigen Frage, ob „Ahnung und Wissen ein Paar” werden könnten. Da wird, so scheint es, „Geheimes” sogar zum „Signal”, immerhin also zur Hoffnung auf eine, wie man annehmen darf, im Geiste Goethes pantheistisch gesehene Auferstehung oder, wenn man will, Wiedergeburt. Diese seine Daseinsnot, zwischen dem Zweifel nämlich und der Ungewißheit, mag wohl auch die Triebkraft der in ihrer zeitgemäßen Zerrissenheit genialen Dichtung Franz Richters sein.
Da hat es Oskar Pausch leichter. Seine Verse schütteln und poltern in eleganten, ergötzlichen Reimen und Bildern ein Wissen zutage, das, wenngleich auf durchaus anderer Ebene, an Ginzkeys „Hatschi-Bratschi” erinnert, was ebenso lustig wie nachdenklich stimmt und die so vielschichtige, doch durch eine lange gemeinsame Geschichte gleichwohl einheitliche Seelenlandschaft Österreichs zur Darstellung bringt. Hier liegt hinter Erfahrung und Wissen vielleicht auch die Ahnung.
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