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Blick nach Ostrom

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Besucherrekorde verzeichnet zur Zeit die Ausstellung „Venedig und Byzanz“ im Dogenpalast der Lagunenmetropole: Seit 8. Juni ist sie eine der größten Attraktionen der italienischen Ausstellungsszene. Und bis 30. September bleibt sie geöffnet, für alle, die verstehen lernen wollen, wie diese einstige Weltstadt, die Stadt „der Krämer ohne Religion“, bereits im Mittelalter ihren märchenhaften Glanz entfaltete, wo sie ihre Schätze zusammenraffte, erbeutete, und wie diese Kostbarkeiten veneziani-

Kunst aus San Marco: der Evangelist Johannes und hinter ihm die personifizierte Inspiration — eine von fünf Tafeln der alten Dogenikonostase (13. Jh.).scher Plunder- und Kriegszüge in der Heimatstadt ein Kunstklima provozierten, das im Europa des 12. bis 14. Jahrhunderts seinesgleichen suchte.

Denn keine Frage: diese Schätze, die Venedig, vor allem unter seinem 90jährigen blinden Dogen Dandolo im vierten Kreuzzug im Jahr 1204 einkassierte, indem es die Eroberung des Kaisertums Byzanz anstiftete und dann Ostroms Metropole plünderte, haben zugleich in Vendig ge-schmacks- und kulturbildend gewirkt. An diesen vergoldeten Bronzepferden, diesen goldenen Kultgeräten, edelsteinbesetzten Ikonen wie der Madonna Niko-paia, den Reliquien und Ikonenbüchern, Elfenbeinschnitzereien und Juwelen fanden Venedigs Künstler neue Maßstäbe für Prachtentfaltung, für die Verbindung orientalischer und europäischer Kunst- und Stilelemente; daran entzündete sich die Phantasie der venezianischen Aristokratie, die auf ihre Weise glänzen wollte. Byzantinische Kunst wurde zum Maßstab für die Ausstattung der Kirchen ..

All das demonstriert diese Ausstellung; und sie kann es besonders deutlich zeigen, weil da — wie selten der Fall! — Ausstellung und Stadtbild Venedigs, die Inseln Torcello und Murano, die Paläste, ihre Skulpturen, Gemälde, Mosaiken die Expositionsstücke ergänzen und sie kommentieren. Wer etwa den Justiniamskopf in rotem Porphyr in der Ausstellung sieht, kann draußen im Freien die berühmte Begegnung der Kaiser vor dem Schatzhaus, an der Ecke des Markusdoms sehen. Als Ergänzung zu den Mosaikbeispielen findet er die herrlichsten Arbeiten im Markusdom selbst, Relief Plastiken der Ausstellung finden in Kreuzgängen, an Palastwänden (etwa der Ca'Loredan) ihre Entsprechung ... Und stellt nicht etwa der berühmte Reliquienbehälter des Heiligen Blutes, später auch Hostienbehälter, in Form eines monumentalen Kirchenbaus mit fünf Kuppeln (seit 1283 im Schatz von San Marco) die direkte Verbindung her zwischen der Hagia Sophia in Byzanz und dem Markusdom? Dieses Meisterwerk der Gold- und Silberschmiedekunst, ehemals ein Räuchergefäß, stammt zwar aus einem normannischen Palast Palermos, aber es resümiert ebenso byzantinisches Kunsthandwerk und Architektur, wie es zeigt, wie die byzantinische Tradition in ganz Italien Wurzeln schlug und schließlich in Venedig stilbildend wirkte.

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