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Die Mosaikmalerei in der europschen Kunst
Im 5. und 6. Jahrhundert hatte die Mosaikmalerei im Westen und im Osten, in R a v e n n a und in B y z a n z, geblüht. Im 7. Jahrhundert begann allmählich ein künstlerischer Abstieg, Komposition und Figurenstil werden vernachlässigt, das rein Ornamentale und Dekorative behält das Obergewicht. Durch Karl den Großen, der das Oktogon des Aachener Münsters mit Mosaiken schmücken läßt — die uns leider nur in Zeichnungen erhalten sind — kommt diese Kunst über die Alpen in die nördlichen Länder. Während aber in den Ländern diesseits der Alpen in der romanischen Epoche das Fresko die Führung der monumentalen Wandmalerei übernimmt und zur künstlerischen Reife und Höhe aufsteigt, wird seit dem 9. Jahrhundert in ganz Italien wieder das Mosaik stärker gepflegt. Neue Heimstätten findet es neben anderen bedeutenden Städten in Venedig, wo im IG. Jahrhundert mit der Ausschmückung von San Marco begonnen wurde, einer Arbeit, die sich auf Jahrhunderte erstreckte. Der Stil der Mosaiken ist aber nun schon gänzlich von der zeitgenössischen Wandmalerei abhängig und gibt den eigenständigen, aus dem Material sich ergebenden Charakter auf.
Nach der bilderfeindlichen Zeit nahm man im 9. Jahrhundert auch in Byzänz die , Mosaikkunst wieder auf, und neben neuen Arbeiten in der Sophienkathedrale werden zahlreiche neue Kirchen und der kaiserliche Palast reich mit Mosaik ausgeschmückt. Die Mosaizisten sind im ganzen weiten Reich beimisch und in vielen Kirchen schmücken heute noch ihre Werke die Wände und Kuppeln und bezeugen in den c h r i s t o-logischen Zyklen, in denen die Hauptereignisse des Heilsgeschehens zu zeitlosen Seinsbildern geformt wurden, die starke liturgische Bindung der Kunst in der Ostkirche. In Griechenland sind uns solche Zyklen, um wieder nur 4'e schönsten aus einer reichen Reihe zu nennen, in denen von Hosios Lucas und Daphni als einzigartige musivische Kunstwerke aus dem 11. Jahrhundert erhalten. Mit griechischen Künstlern gelangen im 12. Jahrhundert byzantinische Stilelemente nach Süditalien, wo sie in den Mosaiken von Cefalü, in der Capeila Pala-tina in Palermo und im Dom von Monreale mit lateinischen und teilweise sogar mit arabischen Stilmerkmalen im. Streit liegen, so daß diese trotz ihrer unerhörten Prachtentfaltung und ihres Formenreichtums keinen einheitlichen Charakter zeigen.
Obwohl die Mosaikkunst bis zum Ausgang des Mittelalters in ganz Italien gepflegt wurde und man zuweilen italienische Mosaizisten sogar bis nach Böhmen holte, hat sie doch ihren Eigencharakter verloren; sie wurde wegen ihrer größeren Haltbarkeit zur Nachahmerin der reinen Malerei. Der geistige Gehalt und die transzendentale Ausdruckskraft der früheren Werke ist nie mehr erreicht worden, und da die Jahrhunderte Gestalt und Farbenpracht dieser Schöpfungen nur wenig verändern konnten, sind sie uns Heutigen erhabene Zeugen der tiefen religiöser! Erlebniswelt der frühen Christen. Der fortschreitende Säkularisierungsprozeß der Malerei seit der Renaissance und der weite Gebiete des abendländischen Kulturkreises umspannende Triumph der barocken Deckenmalerei Eeßen das Mosaik in jahrhundertelange Vergessenheit versinken. Erst das 19 Jahrhundert, das wie kein anderes vorher, in seiner krisenhaften Unsicherheit den Blick suchend Zurückwendete, hat mit alten Stilen auch Vergessene Techniken wieder neu belebt. Neben der neuerwachenden Liebe zur Glasmalerei versuchte man gleichzeitig auch das Mosaik wieder in den künstlerischen Schöpfungsprozeß einzubauen und in vielen Ländern entstanden neue Mosaik-. Werkstätten. Die berühmteste unter diesen war die päpstliche Werkstätte im Vatikan, deren Schaffen bis in die jüngste Vergangenheit reichte und die, wie kürzlich eine Zeitungsnotiz mitteilte, nach den Wirrnissen des Krieges die Produktion bereits wieder aufgenommen hat. Sogar der russische Zar gründete in Rom eine Werkstatt, die dann später mit der Akademie in Petersburg zusammengelegt wurde. Außerhalb Italiens entstanden i n Frankreich und Deutschland Mosaizistenschulen, in denen man die schönsten mittelalterlichen Werke faksimiletreu kopierte. Wir besitzen m Wien in der Mosaikkopie nach dem Abendmahl von Leonardo da Vinci des Giacomo Raffaelli, die 1845 in der Minoritenkirche aufgestellt wurde, ein wenig glückliches Beispiel dieser Kopiertechnik, zumal ja auch das Original ein Fresko und kein Mosaik ist. Sezession und Mosaikkunst
So blieb es dem 20. Jahrhundert, das den Mut zum Bruche mit vielen künstlerischen Traditionen hatte, vorbehalten, dem Mosaik, das im vergangenen Jahrhundert von den großen Vorbildern der Vergangenheit im Stil abhängig war, besonders im Expressionismus wieder zu eigenständigen Leistungen zu verhelfen. Hier muß in erster Linie Emil Nolde erwähnt werden, der schon 1908 mit einer Madonna sein erstes Mosaik schuf. Auch Max Pechstein hat im Kunstsalon Gurlitt einen biblischen Mosaikzyklus geschaffen.
Als um die Jahrhundertwende in Wien der sezessionistische Jugendstil in überreicher Ornamentik hervortrat, wies man auch dem Mosaik bescheidene dekorative Aufgaben zu, wie wir ihm etwa gelegentlich auch an Bauten Otto Wagners begegnen. Dem Mosaik verwandt, löste auf goldschimmerndem Grunde Gustav K 1 i m t in vielen seiner Bilder die sichtbare Welt in eine wuchernde Ornamentik auf, die nicht nur Schmuck und erhöhter ästhetischer Reiz sein wollte, sondern zum geistigen Ausdrucksträger einer dem inneren Verfall zuneigenden Kultur des „F i n de S i h c 1 e“ wurde.
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