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Der Orden für Gratz

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Es wird schon sein, daß die Ordensverleihung kein Anbiederungsversuch war und daß der Kardinal über billigen Kollaborationsverdacht erhaben ist - ein bitterer Nachgeschmack bleibt trotz allen Verteidi-gungs- und Beschönigungsversuchen.

Ich kann es nur als eine große Geschmack- und Instinktlosigkeit sehen, wenn man jenen Bürgermeister ehrt, der eben erst eine kommerzielle Abtreibungsklinik genehmigt hat, und wenn der Orden von einem Papst kommt, der so vehement gegen die Abtreibung auftritt.

Selbst wenn die Ehrung Gratz nach diplomatischem Usus schon unbedingt „notwendig" war - man hat es versäumt, dies dem „kleinen Mann" in der Kirche verständlich zu machen. Ich meine damit jene tausende aktiven Katholiken, die sich die Füße wundgelaufen haben, um Unterschriften für die „Aktion Leben" zu werben (was beileibe kein Honigschlecken war!) Wie ich aus Gesprächen weiß, sind nicht wenige von ihnen betroffen über die Auszeichnung gerade eines prominenten Mannes der Fristenlösungspartei.

Man darf es ihnen nicht verargen, wenn die Meinung entsteht: Die hohen Herren tun, als wenn alles in bester Ordnung wäre, und wir dürfen ihnen gegebenenfalls die Kastanien aus dem Feuer holen! Man könnte der Kirche nur raten, überhaupt mit dem Anachronismus von Orden und Ehrentiteln Schluß zu machen.

Mag. Engelbert Leitner 4720 Neumarkt i. H.

Ernstes Anliegen

Leider kann ich wie viele Katholiken mit Ihrem Arikel „Der Orden für Gratz" nicht ganz einverstanden sein. Der Mord am Ungeborenen ist ein so erjagtes Anliegen. Man kann nicht ohne weiteres einfach zur Tagesordnung übergehen. Am allerwenigsten kann eine Zeitung mit so hohem Niveau wie die neue FURCHE für eine

Verniedlichung eintreten. Lesen wir doch die Protokolle aus dem Parlament über die Fristenlösung, wie leichtfertig sich die SPÖ über die Problematik hinwegsetzte! Die ganze Partei trägt die Verantwortung. Es hat sich keiner gefunden, der bei der Abstimmung nicht mitgetan hätte. Als Obmannstellvertreter hätte Herr Gratz ein gewichtiges Wort zu reden gehabt. Eine der größten Sorgen bereitet den Katholiken die Abtreibungsklinik auf dem Fleischmarkt. Auch hier hätte ein Bürgermeister Gratz die Möglichkeit gehabt, dagegen zu sein.

Franz Nimmervoll 4363 Pabneukirchen

Selbstverständlich

Wenn der Bürgermeister ein echter, mannhafter Vertreter der kirchlichen Belange ist, so mutet es doch merkwürdig an, daß er im Fall der Privatschulfinanzierung mit seinem Rücktritt gedroht haben soll, hingegen Jahre nach der Einführung der Fristenlösung noch immer jene Partei, welche dieses Gesetz beschlossen hat, an höchster Stelle vertritt... Wenn ferner gesagt wird, daß der Erzbischof von Wien über jeden Verdacht erhaben bleibe, so muß entgegnet werden: Jeder Staatsbürger hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern, und kein Mensch auf dieser Welt darf sich über Verdacht erhaben dünken! Das Entgegenkommen des Wiener Bürgermeisters bei der Errichtung von Kirchenbauten sollte jedoch für einen Politiker außerhalb von Ostblockstaaten, ganz gleich welcher Richtung, eine Selbstverständlichkeit sein!

Charlotte Sommer 1070 Wien

Kein Sinn ohne Werte

Ich kenne und schätze Prof. Viktor R. Frankl und seine besonders für junge? Menschen so wichtige Darstel-lung der Sinnfrage seit vielen Jahren

und muß in diesem Zusammenhang feststellen, daß wir Freud nicht mehr vermissen, seit wir Frankl haben. Trotzdem muß man auch zu Frankls Ausführungen (Nr. 49/1978) kritische Bemerkungen machen ...

Der Sinnverlust hängt eng mit dem Verlust allgemeingültiger Wertvorstellungen zusammen. Man kann keinen Sinn seines Lebens finden, wenn es keine allgemeingültigen

Wertvorstellungen mehr gibt, an denen man sich ausrichten kann ...

In unserer Zeit des ziellosen Pluralismus werden • allgemeingültige Wertvorstellungen abgebaut. Der Jugend fehlen diese notwendigen Wertvorstellungen, auf deren Grundlage sich erst ein Sinn des Lebens zeigen kann.

Heinz H. Hausner 7001 Eisenstadt

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