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Die Prognose hinkt der Lage nach

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Lange Zeit hieß es, die Wirtschaftslage sei weit besser als die Stimmung. Angesichts der düsteren Nachrichten aus den Unternehmen - Lohnkürzungen, Kurzarbeit, Schließungen - muß die Frage erlaubt sein, ob nicht mittlerweile die Lage noch schlechter als die bekannt schlechte Stimmung ist. Vor allem aber: Wie paßt das Plus, das auch nach zwei Revisionen der Prognose immer noch vor der vorausgesagten Wachstumsrate für die österreichische Wirtschaft steht, in diese Landschaft?

Wird vielleicht seitens der österreichischen Unternehmen das internationale Krisenszenario bloß dazu benützt, um Einsparungen durchzusetzen, für die man vor einem weniger Angst einflößenden konjunkturellen Hintergrund nie und nimmer die Zustimmung des Betriebsrates erreichen würde? In Einzelfällen mag das der Fall sein, in der Mehrzahl der Fälle sind die Unternehmen aber tatsächlich tiefer von der Rezession erfaßt, als es die relativ freundlichen Prognosedaten erwarten ließen.

Das liegt zum einen daran, daß die Wachstumsrate für die Gesamtwirtschaft naturgemäß nichts über die Lage einzelner Unternehmen, ja nicht einmal etwas über große Branchen aussagt. Zum anderen dürfte es aber tatsächlich so sein, daß die Wirtschaftsforscher die negative Dynamik der Entwicklung unterschätzt haben. Möglicherweise, weil die seit Jahren -durchaus bewährten! - ökonome-trischen Prognosemodelle der neuen weltpolitischen Situation -Ostöffnung, Zerfall des Kommunismus - einfach nicht gerecht werden konnten.

Wenn jetzt beispielsweise in Deutschland der neue Aufschwung nicht, wie von deutschen Wirtschaftsforschem vorhergesagt, schon im Herbst 1993 kommt, sondern im Gegenteil die deutsche Prognose, wie zuletzt aus deutschen Bankenkreisen zu hören war, von null Prozent auf minus zwei Prozent revidiert wird, darf man das nicht den österreichischen Wirtschaftsforschern „anhängen”. Obwohl dies aufgrund der großen Außenhandelsverflechtung natürlich auch für die österreichischen Wachstumserwartungen Folgen haben muß. Es ist leider zu erwarten, daß in der österreichischen Wachstumsprognose nach der nächsten Revision auch kein Plus mehr vor dem Prozentwert stehen wird. Und der statistische Befund dann wieder besser zu den Nachrichten aus den Unternehmen paßt.

P.S.: Eine originelle und neue These vertrat VW-Chef Daniel Goeudevert beim Genfer Automobilsalon bei einem Presseempfang: Es werde in Europa erst dann einen Wirtschaftsaufschwung geben, wenn in allen wichtigen Ländern die „großen” Wahlen geschlagen sind; das hieße: nicht vor Ende 1995.

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