7227762-1993_50_15.jpg
Digital In Arbeit

Die Qual der Wahl

19451960198020002020

Viele Produkte sind bei uns teurer als im europäischen Ausland. Vergleiche lassen sich allerdings nicht so leicht anstellen.

19451960198020002020

Viele Produkte sind bei uns teurer als im europäischen Ausland. Vergleiche lassen sich allerdings nicht so leicht anstellen.

Werbung
Werbung
Werbung

Der zum Herbst 1993 ausgeschiedene Leiter der österreichischen Versicherungsaufsicht im Finanzministerium J. Daum charakterisierte unser bisheriges Regulierungssystem wie folgt:

„Für die Versicherungsunternehmen mit ihren über 30.000 hauptberuflichen Mitarbeitern ist der geschützte und regulierte Markt zweifellos von großem Vorteil. Die negativen ökonomischen Effekte und Folgen dürfen allerdings nicht übersehen werden. Der Außendienst ist personalintensiv und teuer, der Kollektivvertrag begünstigt die verkrustete Struktur und bewirkt eine bescheidene Arbeitsproduktivität. Vielfach sind die angebotenen Produkte und Dienstleistungen wesentlich teurer als im Ausland.

Auf die vielfältigen Sicherheitsund Risikobedürfnisse der Wirtschaft und privaten Haushalte wird zu wenig Rücksicht genommen. Echt partnerschaftliche Beziehungen zwischen Versicherten und Versicherern sind eher selten, daher stehen viele Versicherte den Versicherungs-unternehmen mißtrauisch und reserviert gegenüber”.

Hohes Preisniveau

Der Leiter der Versicherungsaufsicht wußte, wovon er sprach. Allerdings sind öffentlich zugängliche Leistungsvergleiche eher rar. Der Staat hat mit seinem Aufsichtssystem zwar sichergestellt, daß die Unternehmen ausreichende Beserven bilden und das Geld der Kunden sicher anlegen, und er hat auch dafür gesorgt, daß die Preise auf einem hohen auskömmlichen Niveau blieben, um Konkurse der Versicherungsunternehmen auszuschließen.

Bei Schadensversicherungen kann man internationale Preisvergleiche deshalb nicht leicht anstellen, weil ja viele Produkte in Osterreich teurer sind als im EG-Ausland oder in Deutschland. Vergleicht man etwa den Preis für genormte Warenkörbe in Deutschland und in Osterreich, so findet man, daß die Warenkörbe in Österreich ungefähr zehn Prozent mehr kosten als in Deutschland.

Bei der Kfz-Versicherung dürfte der Preisunterschied von Pkw-Tei-len vor dem Eintritt Österreichs in den Europäischen Binnenmarkt, sogar in der Größenordnung von 20 bis 30 Prozent liegen.

Leicht zu vergleichen sind jedoch

Lebensversicherungsprodukte, denn die Kapitalmärkte sind international. In den Preis für die reine Bisikole-bensversicherung (ausschließlich Todesfallschutz) geht ohnehin als fundamentaler ökonomischer Kostenfaktor nur die Sterblichkeit ein. Die Sterblichkeit der Österreicher unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich von derjenigen der Deutschen oder Engländer. Betrachtet man die Kapitallebensversicherung, die den Todesfallschutz mit einer Sparanlage verbindet, dann müßten die österreichischen Versicherer im Grunde höhere Erträge erwirtschaften, denn die Umlaufrendite österreichischer Anleihen lag in den Vergleichszeiträumen durchaus höher als in der Bundesrepublik Deutschland.

Wie man an Hand der Tabelle 1 sieht, liegt die Bendite der Sparkomponente von Kapitallebensversicherungen beim leistungsstärksten österreichischen Versicherer bis zu 2,63 Prozent niedriger als bei leistungsstarken deutschen Versicherungen. Im internationalen Vergleich sind die deutschen Versicherer recht gut,^ber noch lange nicht Spitze.

Bei der reinen Bisikolebensversi-cherung sind die Unterschiede noch gravierender. Wenn man gewisse Rabatte, die zwei Versicherer in Österreich ab dem zweiten Jahr gewähren, nicht berücksichtigt, ergibt sich für das Jahr 1992 die Belation, wie sie aus Tabelle 2 ersichtlich ist.

Für den Konsumenten besonders bedauerlich ist, daß Informationen, die ihm Kaufentscheidungen erleichtern, in unserem Land kaum zugänglich sind. Es gibt hierzulande keine der deutschen Stiftung Warentest vergleichbare Institution, welche in regelmäßigen Abständen Leistungen von Anbietern vergleicht.

Gravierende Unterschiede

In den angelsächsischen Ländern und in Frankreich stehen historische Leistungsvergleiche im Vordergrund. Tatsächlich dem Versicherungsnehmer ausgezahlte Leistungen werden verglichen.

In der Bundesrepublik Deutschland und in unserem Lande stehen dagegen prospektive Hochrechnungen zukünftiger Überschüsse und daher prognostizierte Leistungen im Vordergrund. Diese Hochrechnungen sind im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland bei uns nicht standardisiert. Wenn sie standardisiert wären, könnte man sich auf Hochrechnungen auch nur bedingt verlassen. Die zukünftige Leistung wird von der prognostizierten abweichen, wenn sich die Bahmenbedin-gungen ändern. Das ist aber häufig der Fall. Der Gesetzgeber sollte deshalb die Versicherer hierzulande verpflichten, der Aufsicht beziehungsweise den Medien historische Leistungen offenzulegen.

Schon mit dem Beitritt zum EWB mit dem 1. Jänner 1994 kann jedenfalls der Österreicher erstmals über Makler oder maklerartige Vertriebsgesellschaften die günstigeren ausländischen Lebens Versicherungsprodukte kaufen. Die volle Dienstleistungsfreiheit wird es jedoch erst mit der Umsetzung der dritten Generation von EG-Bichtlinien geben.

Der Autor ist

Inhaber des Lehrstuhls für Finanzdienstleistung und Öffentliche Wirtschaft an der Universität Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung