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Die Renovierer

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Wer hätte das von Euch Österreichern gedacht, daß Ihr so begeisterte Wahlkämpfer seid? Seit im Frühjahr 1985 die ÖVP den Präsi-dentschdftswahlkampf eröffnete, geht es unaufhörlich dahin.

Anstatt in Ruhe abzuwarten, ob die deutschen Nachbarn die Wende bestätigen oder schon wieder den Wechsel zurück einleiten, fangt Ihr Österreicher jetzt eine völlig unhistorische Hudelei an und wollt noch vor uns wählen. Ob das wohl gut geht?

Gut, ich kann Euch beruhigen, bei uns ist der Bundestagswahlkampf bereits voll im Gange. Ihr könnt da viele mitreißenden Argumente übernehmen. Schließlich lernen wir ja auch gern und viel von Euch.

Die Rolle, die zum Beispiel die Juden im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf gespielt haben, dürften jetzt im deutschen Wahlkampf, vor allem aber im bayerischen, die ebenso schlimmen Asylanten spielen. Und wetten, daß die CSU mit diesem neuen Feindbild die Wahl gewinnt? Und bei der Erfahrung, die ein Herr Haider mit der Diskriminierung von Minderheiten bereits aus Kärnten mitbringt, mach ich mir um Euch da keine Sorgen.

Da wir jetzt erstmals einen monatelang parallel laufenden Wahlkampf in unseren Ländern haben, könnten wir doch dabei etwas rationeller zusammenarbeiten — ohne jede Einmischung selbstverständlich. Ich bin nämlich sicher, daß gut 90 Prozent aller Wahlkampfparolen austauschbar sind.

Bei uns sind alle Parteien für Frieden und Abrüstung. Nur manche sagen: erst wenn wir stärker gerüstet sind, werden die anderen zur Abrüstung bereit sein. Alle sind gegen Reaktorunfälle, nur manche sagen: erst wenn wir mehr und immer bessere Atomkraftwerke bauen können, wird auch die Sicherheit perfekter. Alle sind auch gegen die Arbeitslosigkeit, gegen das Waldsterben, und gegen Defizite, Privilegien und Subventionen — zumindest gegen die der anderen.

Da braucht man doch die gemeinsamen Plakate nur mit Hohlköpfen zu versehen, auf die in Deutschland und in Österreich dann jeweils unterschiedliche Gesichter geklebt werden, und natürlich die drei Buchstaben für die Partei.

Für Österreich wird das eine Art Generalrenovierung: dieses Jahr hat Euch schon einen Präsidenten gebracht, vielleicht bringt es noch den dritten Bundeskanzler und viele, viele Minister.

Die Frage ist nur, ob sich in der Politik mit diesem häufigen Personalwechsel sehr viel mehr ändert, als wenn Ihr in einem Anfall von revolutionärem Zorn einfach Eure Bundesflagge verkehrt herum aufhängt.

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