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Ein Jude an einen Araber

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Ich weiß, daß Ihr in diesem Augenblick wahrscheinlich nur ein bitteres Hohnlächeln dafür habt, daß unsere Staatsmänner von direkten Verhandlungen und Verständigung sprechen. Jetzt als Besiegter mit dem Sieger zu verhandeln, könnte leicht als Sich-Ergeben und Sich-mit-der-Nie-derlage-Abflnden verstanden werden. Wir jedoch — und darauf kommt es doch wohl am meisten an — würden es jedoch nicht so verstehen. Wir wissen, daß wir nicht als Sieger vor Euch treten können, auch wenn wir militärisch gesiegt haben. Es geht in Wirklichkeit um viel mehr: es geht darum, wie wir und wie Ihr in Zukunft leben wollt. Sagt jetzt nicht, daß dies unvereinbar wäre. Dos könnt Ihr nun nicht mehr sagen, soviel müßtet Ihr aus diesem dritten Waffengang gelernt haben: da es für uns um viel mehr als für Euch geht, können wir uns eine Niederlage einfach physisch nicht gestatten. Es gibt noch andere gewichtige Gründe, und jetzt ist die Zeit und Gelegenheit, sie zu nennen.

Der erste ist, daß wir glauben, in Wahrheit kein Hindernis für Euer Streben nach Nationwerdung zu sein — mehr noch, daß wir Euch in diesem Streben helfen könnten. Wir, die wir um unsere Auferstehung als Nation so lange kämpften und noch immer kämpfen müssen, haben alles Verständnis für Euren Wunsch, Euch von fremder Unterdrückung und Ingerenz zu befreien. Wie könnten zweieinhalb Millionen Israelis auf diesem Stückchen Land Euch 180 Millionen des arabischen Subkontinents je ernsthaft daran hindern? Du möchtest nun von unserer verfluchten europäischen Überlegenheit im Know how und in technischen Mitteln sprechen. Doch auch mit diesen können und wollen wir gar nicht Euren Aufstieg aufhalten. Wir haben in einer Reihe afrikanischer und asiatischer Länder bewiesen, daß wir den anderen damit helfen wollen — und zwar ohne alle politischen und sonstigen Verpflichtungen, welche die Großen an so etwas zu knüpfen pflegen. Ich gebe zu, wir sind keine Altruisten: wir tun es, weil wir Freunde brauchen. Nicht einmal Große können freundlos existieren, erst recht nicht so ein kleines Volk wie ffix}

Ein anderer Grund, der unsere bisherige Feindschaft unnatürlich erscheinen läßt, ist gerade durch die jetzige Krise im Nahen Osten offenkundig geworden. Es wäre nicht zu dieser Krise ohne das Ausscheiden der früheren Großherren über die ganze Region Britannien und Frankreich gekommen. Deren präsumtive Nachfolger — die USA und die UdSSR — anderseits haben sich als unfähig erwiesen, das Vakuum auszufüllen und die Rolle von „Friedensmachern“ zu spielen

Wir meinen, daß wir Länder des Nahen Ostens dieses Vakuum gemeinsam ausfüllen könnten, und zwar nicht, indem einer über den anderen herrschen oder ihn gar zu vernichten trachtet, sondern indem wir einander zu friedlichem Leben verhelfen und einander stärken und damit den Großen die Möglichkeit nehmen, uns als „Stellvertreter“ gegeneinander und gegen unsere vermeintlichen Beschützer zu hetzen. Die letzte Gelegenheit und vieles vorher haben uns und auch Euch gezeigt, daß es mit diesem Beschützerrum nicht weit her ist.

Über diese Probleme selbst zu sprechen, fühle ich mich weder legitimiert noch befähigt. Das können nur unsere Staatsmänner. Ich bin mir der Schwierigkeiten, zu Lösungen zu gelangen, nur zu bewußt. Ich glaube aber, daß sie durch Beteiligung und Einmischung der Großmächte eher erschwert als erleichtert werden. Welche von ihnen hat nicht bei der letzten Gelegenheit gezeigt, daß ihnen ihr Hemd näher lag als Euer und unser Rock! Nein, das hier ist eine Sache, die wir in Wirklichkeit untereinander auszumachen haben und die nur. Euch und uns faktisch betrifft, und keinen anderen, der in unserer Region nicht zu Hause ist.

Damit will ich auch noch etwas betonen, das vielleicht ebenso an meine Leute gerichtet ist: Indem wir diese direkten Verhandlungen mit Euch verlangen, präsentieren wir uns als echtes Nahostland.

Wenn etwas in den Wochen vor und nach dem 5. Juni offenkundig wurde, so wohl eins: daß wir keine Agenten oder verlängerten Arme eines Imperialismus sind. Diese Behauptung entbehrte schon die längste Zeit wirklicher Berechtigung. In ihrem engen Denken haben das die Kommunisten zuerst sich selbst und danach Euch eingeredet. Es hat schon nicht in der britischen Zeit gestimmt — sonst hätten wir keinen Krieg mit ihnen führen müssen. Und es hat auch jetzt nicht gestimmt, weil die Amerikaner von vornherein unfähig waren, Kopf und Leib zu diesem „Arm“ zu stellen. Das wurde bereits durch ihr Verhalten im Suez-Krieg erwiesen. Wir haben diese letzte Angelegenheit hübsch allein auszufechten gehabt. Und so würde es auch bei jedem weiteren Krieg der Fall sein. Daher könnte man doch wohl einmal versuchen, es nicht mit kriegerischen Mitteln zu tun.

Ich würde gar nicht so feierliche Verpflichtungen wie Anerkennung unserer nationalen Existenzberechtigung als Postulat zu Verhandlungen aufstellen. Erstens könntet Ihr so eine Verpflichtung, wie die Dinge jetzt liegen, kaum abgeben, ohne Eurem Selbstbewußtsein Schaden an-zutun. Zweitens glaube ich, daß es jetzt um praktischere und näherliegende Dinge geht, in denen wir die starken Stichkarten, die wir beide besitzen, gegeneinander auszuspielen hätten. Glaubt nur nicht, daß Ihr keine in den Händen habt, weil wir derzeit in Sinai und am Suezkanal sitzen. Ihr habt ein ganzes Set, das für uns sehr wichtig ist: Euer guter Wille und unser Wunsch, in Frieden zu leben. Ich kann hierin nicht für Euch sprechen: wir brauchen und wollen den Frieden. Und dessen brauchen wir uns doch wohl kaum zu schämen.

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