6932800-1982_35_13.jpg
Digital In Arbeit

Die Zeit nach dem „Schlaf der Welt"

Werbung
Werbung
Werbung

Der Wiener Ordinarius für Neuere Geschichte, Heinrich Lutz, veröffentlicht in der Reihe „Olden-bourg Grundriß der Geschichte" eine Darstellung der „Reformation und Gegenreformation" in Mitteleuropa, Ost- und Westeuropa und deren Bezüge zur außereuropäischen Welt. Der Zeitraum reicht vom Kaisertum Karls V. bis zum Westfälischen Frieden.

Entsprechend der allgemeinen Gliederung dieser Reihe zerfällt auch das vorliegende Werk in drei Teile: der erste beschreibende Teil vermittelt eine zusammenfassende Darstellung der Epoche nach dem heutigen Forschungsstand. Hiebei wird der politischen und sozialen Dynamik, der Entstehung und Entwicklung der Probleme und Ausgangspositionen eines politisch und konfessionell sich entfaltenden Europas besondere Bedeutung eingeräumt.

Der zweite Abschnitt ist den Grundproblemen und Tendenzen der Reformä-tions- und Gegenreformationsforschung gewidmet und enthält einen in 18 Problemkreise gegliederten Querschnitt der heutigen Forschungslage und der ausstehenden Forschungs-desiderata. Die Vielfalt der Sachbereiche und der Forschungsebenen sowie die

Internationalität erweist der dritte Teil, eine ausgewählte, thematisch gegliederte Bibliographie.

Die Darstellung beruht auf einer Fülle gesicherter und zum Teil auch zusammenhängender Resultate und Einsichten. Es handelt sich hiebei aber um keine bloße Enzyklopädie des historischen Wissens, es wird vielmehr eine erzählende, aber gleichzeitig problem-

orientierte Präsentation und Ordnung dessen geboten, was die Forschung in unterschiedlichen Perspektiven heute anzubieten hat.

Ein Problem bildet die Gesamtinterpretation dieser Epoche, da bis heute leider noch immer eine befriedigende Methodik der Zusammenarbeit der einzelnen Disziplinen und der Zusammenschau der Forschungsansätze fehlt. Heinrich Lutz verweist dazu auf „die Unsicherheit hinsichtlich der unser Zeitalter übergreifenden interpreta-tiven Perspektiven" und stellt als positives Gegenteil weltgeschichtliche Rahmenbezüge für die Geschichte der Reformation

und Gegenreformation her.

Das Werk zeigt, daß es heute nicht mehr um die Frage nach den Anfängen einer Moderne geht, die uns schlechthin als Maßstab des Menschen und der Gesellschaft gelten kann. Vielmehr hat die Konfrontation mit den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts historische Grundfragen wachgerufen: Wo liegen die eigentlichen Beiträge, Werte und Ziele der europäischen Neuzeit im Kontext des globalen Schicksals der Menschheit? Wie ist der Sonderweg der europäischen Gesellschaft und Kultur, der im 16. und 17. Jahrhundert weltweit aus dem „Schlaf der Welt" herausgeführt hat, zu sehen, zu erklären, einzuschätzen?

Um den gebotenen Rahmen nicht sprengen zu müssen, war der Verfasser gezwungen, so manche Problemerörterungen und Forschungsberichte wegzulassen, dies ist vor allem hinsichtlich der geistesgeschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Entwicklung zu bedauern.

Der Autor ist Professor für Kirchenrecht an der Universität Innsbruck.

REFORMATION UND GEGENREFORMATION. Von Heinrich Lutz. In der Reihe Oldenbourg Grundriß der Geschichte, herausgegeben von Jochen Bleicken. Lothar Gall, Hermann Jakobs. Johannes Kunisch. Bd. 10 R. Oldenbourg Verlag München-Wien 1979. XII. 247 Seiten. Paperback öS 212,80.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung