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Zum Gespräch zwischen den Kirchen

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Im Augenblick erscheinen zwei großangelegte katholische Darstellungen der Kirchengeschichte. Die erste, herausgegeben von Hubert Je-din und unter Mitarbeit vorwiegend deutschsprachiger Autoren, erscheint bei Herder unter dem Titel „Handbuch der Kirchengeschichte“, deren erster Band von Karl Baus „Von der Urgemeinde zur frühchristlichen Großkirche“ (1963) bereits erschienen ist. Die zweite, vom Verlag Benzinger betreute „Geschichte der Kirche“ verzeichnet eine internationale Herausgeberschaft: L. J. Rogier (Nijme-gen), R. Aubert (Löwen) und M. D. Knowles (Cambridge). Da an beiden Unternehmungen allgemein anerkannte Historiker mitarbeiten, wäre es müßig, in dieser Beziehung ihren Wert gegeneinander abzuwägen. Man könnte aber sagen, daß die Herdersche Ausgabe mit Recht den Namen „Handbuch“ trägt, weil sie zur Weiterforschung anregt und daher auch reiche Anmerkungen und eine entsprechende Bibliographie aufweist. Das Unternehmen Benzingers richtet sich eher an ein breiteres Publikum, es enthält nur spärliche Anmerkungen (am Ende) und gute, aber kurz gehaltene bibliographische Angaben.

Im dritten Band der Benzinger-schen Geschichte der Kirche, deren erster Band von J. Danielou verfaßt wurde, behandelt Hermann Tüchle (München) die Reformation und Gegenreformation, also jene Periode, die positiv und negativ für die heutige Gestalt der Kirche von großer Bedeutung ist. Einerseits verursacht die Reformation den bis dahin größten Bruch in der Christenheit, den man heutzutage wieder zu beheben versucht, anderseits folgt darauf die Gegenreformation, deren Geist — wie es jetzt manchmal heißt — durch das heutige Kirchenverständnis abgelöst werden soll. Tüchles Darstellung läßt jedoch erkennen, welche große Persönlichkeiten und bedeutende Strömungen dennoch wirksam waren, deren Einfluß auch heute noch unverkennbar ist; das Konzil von Trient, Teresa von Avila, Ignatius, die französische Spiritualität (Franz von Sales, Berulle, Monsieur Vincent und andere), der gewaltige Aufbruch der Weltmission (Franz Xaver, Akkommodation in China und Indien, Ritenstreit und Paraguay), das Aufkommen der positiven Theologie (Bollandisten, Mau-riner), im Gegensatz dazu aber auch die Keime der Säkularisierung (Des-cartes, Gallikanismus, Deismus, Absolutismus usw.). Tüchles Darstellung ist eine gut lesbare, übersichtliche und in großen Strichen wiedergegebene Schilderung, die sich mehr um das Wesentliche als um die Details bemüht.

Ein besonderer Vorzug des Bandes besteht darin, daß der Liturgiehistoriker und Kenner der orientalischen Kirchen Bouman (Utrecht, Nijmegen) das umfangreiche Kapitel über „Die Kirchen von Chalkedon im Osmani-schen Reich“ beigesteuert hat. Diese Darstellung ist deshalb so wichtig, weil sie uns zunächst über die geschichtlichen Vorgänge in den orientalischen Kirchen, die türkische Unterdrückung, die spärlichen Unionskontakte und die zahlreichen Mißgriffe in dieser Beziehung genauestens informiert. Ohne das Wissen um die geschichtlichen Einzelheiten und Zusammenhänge ist es nicht möglich, jenes psychologische Klima zu schaffen, das Vorbedingung aller zukünftigen Unionsbestrebungen sein muß. Die objektiven und ireni-schen Darstellungen des ganzen Bandes, der übrigens eine vorzügliche typographische Leistung ist, leisten vom Standpunkt der Geschichtswissenschaft einen wertvollen Beitrag zur innerchristlichen Verständigung zwischen der römischen, den orthodoxen und evangelischen Kirchen.

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