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Das Rentenkonkubinat und die Kirche

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Wo es um den Menschen geht, ist die Kirche wachsamer als der Staat. Sie ist standhaft bis zur Strenge, wo die Bewahrung und Reinhaltung der existentiellen Wesenheiten der natürlichen Ordnung und des Sittengesetzes zu verteidigen sind, aber sie beschützt bis zum letzten die Gewissensfreiheit und die Heiligkeit der gesellschaftlichen Grundinstitutionen.

In einer Zusammenfassung ihrer Darlegungen sagt unmißverständlich die Denkschrift des Erzbischof-Koadjutors: •

„Es geht bei der Frage einer gesetzlichen Neuregelung (der Witwenrenten) nicht so sehr um eine bedeutende finanzielle Mehrbelastung der öffentlichen Hand, sondern entscheidend ist das Vorhandensein des guten Willens und der wirklichen Verbundenheit mit dem kleinen Mann und seinen Sorgen und Nöten. Darüber hinaus müßte allen Verantwortlichen wenigstens um das Ansehen des Staates und seiner Gesetze zu tun sein, denen hier in einer zuletzt doch gefährlichen und folgenreichen Weise Abtrag geschieht, da man durch die Flucht in verschiedene Lebensgemeinschaften eigentlich das Gesetz umgeht. Nicht zuletzt schadet diese Praxis dem Ansehen und der Achtung der Familie in der Oeffentlichkeit.

Es ist überdies ein logisches Unding, die bürgerlichen Rechtswirkungen einer Ehe nur an die staatliche Trauung zu knüpfen, die bloß kirchliche Trauung als völlig wirkungs- und bedeutungslos zu erklären und trotzdem ihre Vornahme zu bestrafen. Hier ist die Nachbarschaft dieses Anliegens zur nicht mehr länger aufzuschiebenden Reform unseres Eherechtes gegeben.

Es wäre aber auch ebenso zuletzt dem Ansehen des Staates abträglich, wollten sich die Justizbehörden daraufhin noch allgemeiner die Taktik zurechtlegen, statt amtszuhandeln und Bischöfe und Priester zu bestrafen, geflissentlich die Augen zu schließen, um nicht sehen xu müssen. Denn ich möchte vermuten, daß schon bisher die beiden Geistlichen, die 1950 wegen Vornahme der kirchlichen Trauung eines heimatlosen Flüchtlings vor der staatlichen ver-

urteilt wurden, kaum die einzigen oder letzten waren, die so etwas getan haben.

Kommt es dennoch zu keiner Aenderung, so sind weitere Schritte der Bischöfe unausbleiblich, denn sie können zuletzt diesen Katholiken das Sakrament nicht vorenthalten. Ergibt die Prüfung in jedem einzelnen Fall, daß der standesgemäße

Lebensunterhalt aus den Bezügen des Mannes allein nicht gegeben ist, die staatliche Trauung und damit der Verlust des Witwenbezuges also billigerweise nicht verlangt werden kann, müßte schließlich der zuständige Seelsorger angewiesen werden, die kirchliche Trauung vorzunehmen. Die Kirche hat allerdings nicht die Hilfsmittel wie der Staat, diese Voruntersuchung vorzunehmen. Die Kirche könnte wohl auch an die für Notfälle vorgesehene außerordentliche Eheschließungsform denken (nach Can. 1098 des Cod. J. Can. im Falle der Verhinderung einer kirchlichen Trauung durch Umstände äußerer Gewalt), doch werden die bischöflichen Behörden in der Regel auf der Trauung durch den Seelsorger bestehen, im Interesse der vorausgehenden Ueberprüfungsmöglich-keit und der Nachweisbarkeit der geschehenen Trauung, also zuletzt im Interesse der Rechtssicherheit, an der auch der Oeffentlichkeit etwas liegen muß. Außerdem müßten die Ehewerber vorher schriftlich bestätigen, daß sie zur Kenntnis nehmen, daß trotz dieser kirchlichen Trauung die Frau weiterhin dem Staate gegenüber ihren Mädchennamen führen muß, die aus der Ehe stammenden Kinder vor dem Staate nicht als ehelich gelten und mit dieser Ehe keinerlei Erbansprüche oder sonstige staatliche Rechtswohltaten verbunden sind.

Weil wir eben die Ueberzeugung haben, es gehe hier zuletzt nicht um Geld und große Ausgaben, sondern um den guten Willen und das Fühlen mit den Nöten und Sorgen des Volkes, und es handle sich hier sehr wohl auch um Interessen des Staates, erlauben wir uns, allen Verantwortlichen diese Darlegungen zuzuleiten und um ihre Unterstützung zu bitten. Wir müssen uns aber eben, weil wir nicht Herren, sondern treue Ausspender der Sakra-

mente sein sollen und wollen, die angedeuteten Schritte vorbehalten, sollte sich auch diese neuerliche Bemühung als erfolglos erweisen.“

Das ist freundlich-sachlich und deutsch gesprochen. Zur Debatte ist im Sinne loyaler Verständigung eine Gesetzesrevision gestellt. Die Erledigung wird aber mehr aussagen als über die künftige Zuweisung oder Nicht-zuweisung von Witwenrenten. Sie wird dartun, wie sich die obersten Verwaltungsstellen des Staates und dieführendenVolksparteiendaS künftige Verhältnis von Kirche und Stait vorstellen. f.

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