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Rom, Bonn und Wien
Unter dem vielversprechenden Titel „Media Terra“ — ein Wort, das im Mittelalter eine ganze Kulturwelt in sich barg, nämlich die des Mittelmeerraumes und der an diese sich nördlich anschließenden Gebiete — präsentiert sich eine zeitgenössische Reportage besonderer Prägung. Der Autor beschränkte seine Ausführungen weder auf ein bestimmtes Thema, noch auf eine bestimmte Zeit oder Epoche der Kunst und Geschichte der „Media Terra“. Als Folge dieser unterlassenen Selbstbeschränkung sieht sich der Leser unzusammenhängenden Gedankenassoziationen gegenüber, die weniger vom gestellten Thema als vielmehr von rein persönlichen Äußerungswünschen staatspolitischer Natur hervorgerufen wurden. Die Behauptung, nur Deutschland und Italien seien als Erben des römischen Reichsgedankens und deshalb als „Reichsvölker“ zu betrachten, durchzieht wie ein roter Faden alle Kapitel. Ihre historische und kulturelle Bedeutung innerhalb Europas wird als einzige nebeneinander gleichrangig gewertet, daraus müsse man die Verpflichtung ableiten, daß beide allein dazu berufen seien, europäische Aufgaben in Vergangenheit und Zukunft zu lösen.
Für österreichische Leser dürfte folgendes Zitat aus dem vorliegenden Buch von Interesse sein: „Was die gemeinsame (d. h. deutschitalienische) Vergangenheit angeht, so ist Österreich in entgegengesetzter Lage. Im österreichischen Kulturinstitut an der Via Giulia kann man zwar Gesellschaft treffen, als ob es kein 1859 gegeben hätte. Dafür aber werfen ihnen beim ersten Konflikt in Südtirol schon die neofaschistischen Straßenjungen die Fenster ein. Alle Leidenschaft, mit der der italienische Nationalstaat seine Einheit gegen Klerus, Habsburg und Reaktion erkämpfte, ist mit einem Schlag wieder da. Die Deutschen wissen dann gar nicht, wie ihnen geschieht, wenn sie plötzlich ins Feuer geraten und wütend des Pangermanismus beschuldigt werden, weil Österreich gerade die Südtirolfrage betreibt. Königgrätz hat sich noch gar nicht allerorts herumgesprochen.
Das Verhältnis von Rom zu Wien mag oft genug kompliziert und gespannt gewesen sein. Blaß war es nicht. Nun wird freilich auch das Verhältnis von Rom und Bonn nicht ewig bei dem Modell bleiben, das vor einem guten Jahrhundert zwischen dem König von Preußen und dem von Sardinien zur Auflösung Österreichs und zur Gründung der Nationalstaaten führte. Je dichter die europäischen Bande werden, um so dichter und handfester werden auch die deutsch-italienischen Beziehungen wieder ... Mit einemmal kommt wieder nahe, daß Deutschland und Italien bei allen Konflikten ja doch gemeinsam die wahren Träger des alten Römischen Reiches blieben: Dante und Walther!...“
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