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Düsenjäger en gros
Nach der Annahme eines neuen Verteidigungsprogramms in Dänemark, das — trotz der scharfen Proteste von Seiten der NATO — eine drastische Verkürzung der Dienstzeit und eine Verminderung der Mannschaftsstärke auf einen sehr bescheidenen Stand vorsieht, will nun auch Schweden aus finanziellen Gründen gerade jenen Teil seiner Ausgaben vermindern, der für die Erhaltung einer starken Luftverteidigung bestimmt war. Hinweise auf die verminderte politische Spannung in Europa und in der übrigen Welt können nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier ein Verteidigungszweig arg beschnitten wird, auf den Schweden wegen seiner numerischen Stärke und hohen Leistungsfähigkeit mit Recht stolz war.
Eine vom Stab der Luftwaffe und vom Materialbeschaffungsamt für die Landesverteidigung gemeinsam vorgenommene Untersuchung kam zu dem Resultat, daß im Interesse der Erhaltung eines harten Kerns in der Verteidigung ein Teil der Kampfverbände der Luftwaffe verkauft oder ganz einfach verschrottet werden muß. Betroffen sind in erster Linie gut hundert Allwetter-Kampfflugzeuge des Modells J 35 B-Dra-ken, das von Fachleuten als eines der leistungsfähigsten und vielseitigsten Kampfflugzeuge der Welt bezeichnet wird.
Die Auslieferung des J 35-Draken an die Luftwaffe war erst im Jahre 1967 begonnen worden; im vergangenen Jahr wurde das letzte der bei SAAB produzierten Flugzeuge in Dienst gestellt. Auch die ältesten der noch verwendeten Flugzeuge dürften noch eine Flugzeit von annähernd 1000 Stunden vor sich haben, bei einer durchschnittlichen „Lebenszeit“ von etwa 1500 Stunden für ein Flugzeug dieser Art. Die starke Bewaffnung und die zweifache Überschallgeschwindigkeit des J 35-Draken machen ihn sicher zu einem interessanten Objekt für jene kleineren Länder in der Welt, die sich keine eigene Flugzeugproduktion leisten können, anderseits legen jedoch die sehr strengen schwedischen Ausfuhrbestimmungen einer ganzen Reihe dieser Staaten unübersteigbare Hindernisse in den Weg (und es ist noch nicht so lange her, daß die schwedische Regierung die Ausfuhr von einigen Flugzeugen nach Pakistan verhindert hat).
Die weitestgehenden im Verteidigungsministerium genährten Hoffnungen laufen darauf hinaus, daß es möglich sein könnte, fünfzig Flugzeuge an eine — möglichst neutrale
— Macht pauschal zu verkaufen, weil sich ein Einmotten dieser Maschinen wegen der hohen Kontroll- und Erhaltungskosten nicht lohnt.
Der J 35-Draken kostete in der Produktion etwa 4 Millionen sKr, eine Neuanschaffung würde sicher einen Preis von 10 Millionen sKr bedingen. Es sind also eine Milliarde Kronen an Materialwert, auf die nun die schwedische Luftwaffe verzichten muß.
Man kann nicht daran vorbeisehen, daß durch diese drastischen Einschränkungen die Sicherheit und die Machtbalance in Nordeuropa gefährdet wird. Das Verteidigungspro-graimm Schwedens vom Jahre 1972
— auf Grund dessen diese Untersuchung vorgenommen wurde — spricht selbst in klaren Worten davon, daß eine starke Verteidigung zur Erhaltung der Stabilität in diesem Teile der Welt notwendig ist:
„Durch seine Außenpolitik und seine Verteidigung spielt Schweden eine wichtige Rolle für die Stabilität im Gebiet des Nordens. Wesentliche Positionsveränderungen im Norden können für beide Blöcke die Machtsituation in Zentraleuropa beeinflussen. Eine allseitig aufgebaute schwedische Verteidigung macht es den Supermächten schwerer, ihre Positionen vorzuschieben. Wesentliche Verminderungen der schwedischen
Verteidigungskraft im Verhältnis zur Umwelt können dieses Bild der Stabilität und Balance in Nordeuropa erschüttern.“
Bündnisfreiheit, Neutralitätspolitik, Unabhängigkeit von den Großmächten, eine starke Verteidigung: alle diese Programmpunkte, zu denen sich Schweden immer wieder bekannt hat, sind unauflöslich miteinander verbunden. Bricht man wesentliche Teile aus diesem Gebäude heraus, dann ist der Bestand des Ganzen gefährdet. Es stellt sich deshalb die Frage, ob drastische Beschneidungen der Verteidigung wirklich eine kluge und vorausschauende Politik sind.
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