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Ein christlicher Sozialrealist

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„Texte von Autoren, die sich der katholischen Kirche verbunden fühlen, oder gar hochoffiziellen Charakter haben, sind - wenn sie Wirtschaftsfragen zum Thema haben - sehr häufig ökonomisch wenig durchdacht. Das Einmaleins der Wirtschaftswissenschaften wird in den seltensten Fällen beherrscht. Vor allem fällt auf, daß der für den Ökonomen zentrale Konflikt zwischen Effizienz und Gerechtigkeit in kirchlichen Stellungnahmen oft ausgeblendet bleibt. Die .vorrangige Option der Kirche für die Armen' wird charakteristischer Weise nur als ein Problem der Solidarität, der Nächstenliebe, des Person-Seins, kurz: als ein Problem der Gerechtigkeit verstanden.”

Das ist die Botschaft, die uns Clemens-August Andreae hinterlassen hat: Das Einmaleins der Wirtschaftswissenschaften ist auch für die Sozialverkündigung der Kirche unentbehrlich, wenn sie sich zu gesellschaft-lichen Problemen konkret äußern möchte. Der weit über die Grenzen unseres Landes hinaus angesehene Leiter des Innsbrucker Institutes für Finanzwissenschaften ist - wie die FURCHE schon berichtet hat-mit 20 seiner Assistenten und Studenten auf dem Rückflug von einer von ihm geleiteten Studienreise nach Hongkong über den Dschungeln von Thailand aus der Mitte seines engagierten Schaffens abberufen worden. Dieser Reise unmittelbar vorausgegangen war eine Konsultation im ungarischen Finanzministerium in Budapest.

In der Femost-Gruppe befand sich auch sein Assistent Claus Rinderer, der Mitautor dieses letzten Artikels „Die Effizienz des Marktes - kein Thema für die katholische Soziallehre?” Rinderer stand unmittelbar vor dem Antritt einer verantwortungsvollen Position in der Landesverwaltung des Fürstentums Liechtenstein. Der Artikel wird in der Zeitschrift ihres Freundes Basilius Heinrich Streithofen OP „Die Neue Ordnung” erscheinen und in der innerkirchlichen Diskussion zweifellos die gebührende Beachtung finden.

Dieser Artikel wurde unmittelbar vor dem Erscheinen der jüngsten Sozialenzyklika geschrieben und pointiert damit den Durchbruch umso deutlicher, der „Centesimus annus” in dieser Frage gelungen ist. Der Papst sagt darin nicht weniger als, daß „sowohl auf nationaler Ebene der einzelnen Nationen wie auch jener der internationalen Beziehungen der freie Markt, das wirksamste Instrument für die Anlage der Ressourcen und für die beste Befriedigung der Bedürfnisse” zu sein scheint (34,1) und die Marktmechanismen den „sicheren Vorteil” böten, daß sie dabei helfen, besseren Gebrauch von den Ressourcen zu machen, den Austausch der Produkte fördern und den Willen und die Präferenzen des Menschen in den Mittelpunkt stellen (40,2).

Die Effizienz der unternehmerischen Kooperation in einer Marktwirtschaft kommt im Gewinn zum Ausdruck, der in den bisherigen Texten des Lehramtes als „Profit” durch die Bank negativ belastet war. Heute sieht der Papst die Funktion des Gewinnes als „Indikator für den guten Zustand und Betrieb des Unternehmens”. Wenn ein Unternehmen mit Gewinn produziert, bedeute dies, daß die Produktionsfaktoren sachgemäß eingesetzt und die menschlichen Bedürfnisse gebührend erfüllt wurden (35,3).

In diesem „lehramtlichen Mut zur Realität”, der zur Erwartung berechtigt, daß wir „vor einer neuen Phase der Soziallehre” stehen (Walter Kerber SJ) darf ein Niederschlag des so enormen Engagements der wachsenden Gruppe jener gesehen werden, die im „Prinzip der ausreichenden Sachkenntnis” des Zweiten Vatika-nums, welches „Zum guten Willen das gute Wissen” urgiert (FURCHE 19/1991), die unentbehrliche Ergänzung der traditionellen Sozialprinzipien des Lehramtes, der Personalität, der Solidarität, der Subsidiarität, der Partizipation und des Gemeinwohles fordert.

Ein hervorragender und schon sehr früher Repräsentant dieser Vertreter eines christlichen Sozialrealismus, der auch an diesem nun mehr sichtbaren erfolgreichen Lernprozeß einen großen Anteil hat, ist Clemens August Andreae. Als der international angesehenste der gerade an der Universität Innsbruck wirkenden und engagiert ordnungspolitisch denkenden Ökonomen war er in Forschung und Lehre, aber auch in Politik-, Untemehmens-und nicht zuletzt auch Kirchenberatung unermüdlich und mit gleichzeitig treffender wie auch gewinnender Eloquenz für dieses Prinzip eingetreten. Seine Bemühungen um Einführung des interdisziplinären Faches der Wirtschaftsethik in die Ausbildung der Sozial- und Wirtschaftswissenschafter seiner Fakultät waren konsequent auf dieser Linie gelegen. Der Autor ist Finanzminister a. D., Lehrbeauftragter der Universität Innsbruck und Mitherausgeber der FURCHE.

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